Zigeunerhochzeit: Uriges Spektakel auf Boller Dorfplatz zieht viele Gäste an / Auftakt mit Narrenmesse

Urig, lustig, wirklich wild – die Zigeunerhochzeit in Boll war wieder eine Fasnetsveranstaltung mit unverwechselbarem Charakter, die in Erinnerung bleibt. Bei all den Wahnsinns-Grußworten rückte die Hochzeit selbst fast in den Hintergrund.

Hechingen-Boll. Obwohl: Bemerkenswert war diesmal, dass die hübsche Zigeunerbraut aus Stein ist. Eine Premiere. Andererseits: Die Narrenzunft dort heißt ja Sadbolla, da ist Boll ja im Namen. Zigeunern sind Wohnorte eh egal. Hauptsache die Sippe stimmt.

Mit Musik marschierten zunächst die Boller auf den neuen Dorfplatz, der sich an diesem Tag als festtauglich erwies. Als Bühne diente wie gewohnt ein Lastwagenanhänger. Es folgen Steinemer Zigeuner sowie Sippen aus Stetten und Steinhofen, verwandtschaftlich verbandelte Hagenmannhexen, Schnorchel-Huaschter und viele weitere Ehrengäste. Auch Pfarrer Michael Knaus wird persönlich begrüßt. Er hat am Morgen die Narrenmesse in Boll gehalten. Es soll lustig und ergreifend zugleich gewesen sein, erzählen die Narren auf dem Platz.

Aber nicht nur der Pfarrer wird begrüßt. "Viel Prominenz, wenig Intelligenz", stellt der Ausrufer der Narrenhochzeit beim Blick in die Zuschauerreihen nüchtern fest. Zigeunerhochzeit-Unerfahrenen sei hier versichert: Sich beleidigen und grob beschimpfen ist bei dieser Hochzeit Ehrensache. Klauen und ungewaschen sein gelten als Selbstverständlichkeiten.

Das wird vor allem bei den Grußworten an die Zigeunerschar deutlich, die nach dem Einzug des auf einer Sänfte herbeigetragenen Narrenvogts (Andre Göckel) gehalten werden. Da schenkt Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn dem Bräutigam einen Schnaps, den der bald brauchen werde, um seine Frau zu ertragen, die Hagamannhexen müssen ihrem "Schelle" das Mikrofon entwinden, um beim Singen das Schlimmste zu verhindern und stimmen mit "Oh Luisa" ein zweifelhaftes Liedchen auf die Braut an.

Die Boller Zigeunerkapelle, "die beste, die es für Schnaps zu kriegen gab", wie ihr Chef versichert, teilt in alle Richtungen aus, vor allem in Richtung Nachbardorf: "In Stetten hält der Reisebus nicht mal, wenn der Fahrer pinkeln muss" ist er überzeugt – da freuen sich die Hasawedel.

Die Schnorchel-Huaschter haben als Hochzeitsgeschenk eine Schnapsflasche dabei, die früher mal voll war, sowie Spüllumpen. Und um sich richtig beliebt zu machen, reißt der "Gemeinderats-Teilortsbeauftragte" Werner Beck Witzle über die Boller und verkündet die Aufhebung der unechten Teilortswahl. Was im Publikum für Reaktionen sorgt.

Dann geht es langsam in Richtung Hochzeit. Brautpaar sind in diesem Jahr Christoph Wolf (Boll) und Luisa Oesterle (Stein). Beide wirken blendend in dieser Rolle. Erst preisen Steinemer Mädels ihre Freundin als Braut, dann verhandeln die Brautväter, ob als Mitgift ein Vier-Zentnerschwein oder nur ein Lamm geklaut werden muss. Die Braut gelobt, dass sie ihrem Gatten das Saufen nie verbieten wird, weil das in dieser Sippe halt Brauch ist, der Ehemann verspricht, viele Kinderlein zu produzieren, und dann wird geheiratet, anschließend noch gesungen und langsam in Richtung Halle gezogen, wo das Fest noch weitergeht.

Eine richtig gelungene Zigeunerhochzeit.