Damit gerade auch ältere Menschen nicht auf Grundnahrungsmittel wie Brot und Milch verzichten müssen, haben Thomas Koch und seine Frau Isabell eine Verpflegungstüte zusammengestellt und liefern diese frei Haus. Foto: Engelhardt Foto: Schwarzwälder Bote

Corona: Engstlatter Bäckerei Koch nutzt frei gewordene Ressourcen für erweiterten Lieferdienst / Verpflegungstüte kommt

"Durchhalten und das Beste daraus machen", lautet das Motto von Thomas Koch. Der Bäcker sieht seinen Betrieb als Grund- und Nahversorger, der in schwierigen Zeiten eine besondere Verpflichtung hat. Seine Idee: eine Verpflegungstüte frei Haus.

Balingen-Engstlatt. Ein leckeres Nutella- oder Marmelade-Brötchen zum Frühstück oder die gute Scheibe Vollkorn- oder Bauernbrot zum Vesper – ein Verzicht auf Getreideprodukte ist für die meisten Deutschen undenkbar. Kein Wunder also, dass Brot neben Kartoffeln zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in der Bundesrepublik zählt. Und damit die Menschen auch derzeit nicht darauf verzichten müssen, hat sich die Bäckerei Koch aus Engstlatt etwas Besonderes ausgedacht: die Verpflegungstüte.

"Wir haben hier im Dorf ein paar ältere Menschen, die wir bereits vor der Corona-Krise ganz unkompliziert mit unseren Waren versorgt haben", sagt Thomas Koch. "Im Ort kennen wir uns ja alle gut, da ist das doch selbstverständlich." Dieser Service wurde nun nicht nur räumlich ausgeweitet, sondern bekommt auch inhaltlich einen neuen Anstrich. "Solidarität ist in diesem Tagen sehr wichtig und wir möchten unseren Teil dazu beitragen", so Koch. "Uns ist bewusst, dass sich gerade ältere Menschen derzeit nicht mehr so gut versorgt sind aufgrund des Coronavirus", sagt Isabell Koch. Daher hätten sie ihre Idee einer Versorgungstüte umgesetzt: "Wir haben dabei alles reingepackt, was viele unserer Kunden und auch wir gerne hätten, um gut durch die Woche zu kommen", sagt Isabell Koch mit dem Hinweis, dass sie sich viele Gedanken bei der Auswahl der Produkte gemacht haben. Neben einem Brot, einem süßen Stückle und Dauergebäck aus eigener Produktion sind das auch Saft, Milch, Käse, Wurst, Nudeln, Joghurt, Schokolade sowie eine gute Portion Obst und Gemüse – wenn möglich von regionalen Anbietern.

Das Ganze wird dann in zwei Tüten verpackt und direkt zu den Kunden an die Haustüre gebracht. "Die Lieferung ist dabei frei Haus, wir haben auf die Waren keinerlei Zuschlag erhoben", betont Isabell Koch. Denn die Zustellung erfolge im Rahmen ihrer regelmäßigen Filialbelieferung, und zwar in Engstlatt, Balingen und Heselwangen sowie auf Anfrage in weiteren Gebieten. Gleiches gelte auch für den "Mittagstisch to go": Die Kunden könnten dabei aus einer Auswahl ihr eigenes Menü zusammenstellen. Eine telefonische Vorbestellung am Vortag bis 10 Uhr ist dabei aus logistischen Gründen notwendig.

"Ich weiß, wie schwer das Kontaktverbot gerade für die älteren Menschen ist", so Isabell Koch. Denn auch sie halte derzeit bei ihren Eltern aus Rücksicht auf mögliche gesundheitliche Gefahren Abstand. Mit der Versorgungstüte könnte aber zumindest das Problem des eigenen Einkaufs einfach gelöst werden.

Auch bei den Bäckern seien die Hygienevorgaben für den Verkaufsraum in den vergangenen Tagen noch einmal angehoben worden, betont Bäckermeister Thomas Koch. Baulich hat Koch in seinen Verkaufsstellen einen Abstandhalter inklusive Signalband angebracht. Die Vorgaben der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim sehen zudem einen noch vorsichtigeren Umgang mit den Waren vor. Tortenschaufel, Papier sowie Zange kommen zum Einsatz, um den Kontakt zu minimieren. Außerdem wird empfohlen, kontaktlos mit Karte zu zahlen. "Bis vor kurzem waren es nicht einmal fünf Prozent der Kunden, die diese Möglichkeit genutzt haben, nun sind es bereits über 50 Prozent", sagt der Brotsommelier.

Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen habe der Kundenstrom deutlich abgenommen. Rund 700 seien es vor der Krise an einem normalen Tag gewesen, erzählt Koch, nun zähle er teilweise nicht einmal mehr die Hälfte. Besonders schlimm habe es die Filiale in Balingen getroffen, da fast alle Geschäfte mittlerweile in der Innenstadt geschlossen hätten. Nachdem der Cateringbereich, der bei der Bäckerei Koch rund 25 Prozent ausmacht, bereits vor vier Wochen zusehends eingebrochen ist, musste der Familienbetrieb vergangene Woche auch den Frühstück-, Café- und Gastrobetrieb einstellen. Keine leichte Situation für die Bäckerei Koch. Man habe versucht, mit Überstundenabbau und Urlaub den Wegfall von Arbeit zu kompensieren, für einen Teil der 50 Mitarbeiter müsse nun aber ab 1. April Kurzarbeit beantragt werden.

"Viele Kunden haben derzeit einfach Angst einzukaufen", weiß Isabell Koch. Einige Kunden hätten sich daher schon vor Tagen eingedeckt mit Brot, hätten gleich fünf, sechs Laibe mitgenommen, um diese zuhause einzufrieren, damit sie nicht mehr vor die Türe gehen müssen. Andere würden dagegen immer noch regelmäßig vorbeischauen. "Schutz und Sicherheit der Mitarbeiter und Kunden steht bei uns an Nummer eins", betont Isabell Koch.

Zahlreiche Hinweisschilder zu Benimmregeln bis hin zu Informationstafeln im Eingangsbereich und Aufsteller auf dem Gehweg weisen die Kunden darauf hin, wie der Einkauf am sichersten über die Bühne geht. Und die Kunden würden sich auch an die neuen Regelungen halten. "Am Samstag hat es geregnet, aber die Kunden haben Abstand gehalten und einige haben dann draußen gewartet, bis sie in den Verkaufsraum konnten – da sind mir fast die Tränen gekommen", meint der Bäcker.

Der Balinger Oberbürgermeister Helmut Reitemann hat sich am Donnerstag mit einem Aufruf zur Unterstützung der Balinger Geschäfte und der Gastronomie zu Wort gemeldet:

"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, unserer Geschäfte und unsere Gastronomie brauchen jetzt Ihre Unterstützung. Durch die aktuelle Corona Krise gibt es in allen Lebensbereichen starke Einschränkungen. In ganz erheblichem Maße davon betroffen sind auch unsere Einzelhandelsgeschäfte sowie unsere Gastronomen. Die allermeisten dieser Betriebe mussten schließen. Wirtschaftlich stellt dies für die Betriebe eine enorme Herausforderung dar und viele müssen ums Überleben kämpfen. Die vom Land gewährten Soforthilfen können hier aber nur einen Teil zur Verbesserung der Situation beitragen.

Wenn wir wollen, dass bei uns in Balingen auch nach der Krise noch eine Grundversorgung an Handel und Gastronomie vorhanden ist, müssen wir Solidarität beweisen. So können Sie beispielsweise die Abhol- und Lieferangebote des örtlichen Einzelhandels und der Gaststätten in Anspruch nehmen und Ihr Lieblingsgericht zu Hause essen. Oder Sie erwerben Balinger Gutscheine des HGV, die Sie in über 100 Akzeptanzstellen des Einzelhandels oder der Gastronomie einlösen können und signalisieren damit auch Ihr Vertrauen in den Weiterbestand des Angebotes. Die Gutscheine können Sie auch telefonisch oder per Mail bei der Stadtverwaltung anfordern (07433/17 03 33; E-Mail an buergerbuero@balingen.de).

Motivieren Sie Nachbarn, Freunde und Bekannte zum Mitmachen bei dieser Aktion und teilen Sie diese in ihren sozialen Netzwerken. Im Zuge der Corona-Krise werden wir jeden Tag vor neue Herausforderungen gestellt. Diese sind aber auch eine Chance, um zu zeigen, dass wir in Balingen zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen."