Nachdenklich und leidenschaftlich zugleich tritt der junge Heckel dem Betrachter auf dem Selbstbildnis "Mann in jungen Jahren" Jahren entgegen. Das Gemälde ist Teil der Ausstellung "Erich Heckel – der große Expressionist", die derzeit in der Stadthalle Balingen zu sehen ist. Foto: Brücke-Museum

Serie zum Kunstsommer: Heidrun Bucher-Schlichtenberger stellt Werke vor. Auftakt mit dem Geburtstagskind.

Balingen - Der Balinger Kunstsommer ist in vollem Gange – am Mittwoch, 31. Juli, wäre dessen Hauptperson, Erich Heckel, 130 Jahre alt geworden. Das Datum ist für unsere Zeitung Anlass für den Beginn einer Serie, mit der wir ausgewählte Werke vorstellen. Zum Auftakt: Das Selbstbildnis "Mann in jungen Jahren" von 1906 (Öl auf Leinwand).

Dieses Porträt zeigt Erich Heckel im Alter von 23 Jahren und lässt durchaus schon die Ernsthaftigkeit erkennen, mit der sich der Künstler der Malerei widmete. Auch Ernst Ludwig Kirchner, Malerkollege und Freund, erinnerte sich in seinen Tagebuchaufzeichnungen an die erste Begegnung mit Heckel: "Mein damaliges Mädchen wollte sich über den komischen jungen Mann halb tot lachen. Sie merkte aber bald das glühende Interesse, das in ihm steckte, mit dem er sich in die Arbeit vertiefte – Heckel nahm fieberhaft auf." Erich Heckel wurde am 31. Juli 1883 in Döbeln in Sachsen geboren. Der Vater war als königlich-sächsischer Eisenbahn-Baurat tätig und betrieb ein Ingenieurbüro, die Mutter entstammte einer Fabrikantenfamilie. Erich war das jüngste von drei Kindern. Die berufliche Tätigkeit des Vaters erforderte einen häufigen Wohnungswechsel, sodass Erich mehrfach zwischen Dresden und Chemnitz umzog. 1904 meldete er sich an der Königlich-Sächsischen Technischen Hochschule in Dresden zum Architekturstudium an, das er aber im Jahr 1906, dem Jahr der Entstehung dieses Selbstportraits, wieder abbrach. Noch ein weiteres Jahr arbeitete er im Architekturbüro Kreis, bevor er auf jegliche finanzielle Absicherung verzichtete und sich ganz auf das Künstlerdasein konzentrierte.

Dieses Selbstbildnis zeigt deutlich die Rezeption der Malerei Vincent van Goghs, dessen Werke die BrückeKünstler im November 1905 in einer großen Ausstellung in Dresden sahen. In Dreiviertelansicht, den Kopf auf die linke Hand gestützt, tritt er dem Bildbetrachter gegenüber. Die Palette ist auf wenige, leuchtende Farben reduziert und mit schnellen, pastosen Pinselstrichen auf die Leinwand aufgetragen. Heckel wirkt zugleich nachdenklich und leidenschaftlich für die Malerei entflammt, wie sich unschwer an dem expressiven Pinselstrich ablesen lässt.

Als Erich Heckel dieses Selbstbildnis malte, existierte die junge Künstlergemeinschaft "Brücke", die den Beginn des deutschen Expressionismus markiert, bereits seit einem halben Jahr. Die Protagonisten dieser am 7. Juni 1905 gegründeten Künstlervereinigung waren die vier Dresdner Architekturstudenten der Technischen Hochschule: Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt.

Erich Heckel erinnerte sich, auf welche Weise der Begriff "Brücke" geprägt wurde: "Wir haben natürlich überlegt, wie wir an die Öffentlichkeit treten könnten. Eines Abends sprachen wir auf dem Nachhauseweg wieder davon. Schmidt-Rottluff sagte, wir könnten das ›Brücke‹ nennen – das sei ein vielschichtiges Wort, würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen. Wovon wir weg mussten, war uns klar – wohin wir kommen würden, stand allerdings weniger fest."

Gemeinsam strebten die jungen Künstler nach einer ausdrucksstarken Kunst. Sie favorisierten ein vereinfachtes Linienwerk, breitflächige Kompositionen, klare, leuchtenden Farben mit starkfarbigen Kontrasten und einen dramatischen Pinselstrich.

Ausdruck dieses revolutionären Aufbruchs in der Malerei ist auch das Programm, das Ernst Ludwig Kirchner, "das unruhige Genie der Gruppe" (Haftmann), in Holz schnitzte. Es lautet: "Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden, wie der Genießenden, rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohl angesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt."

Zu folgenden Zeiten sind die Ausstellungen "Erich Heckel" (in der Stadthalle und in der Zehntscheuer), Hermann Wiehl (in der Rathausgalerie) und Ulrike Hansen (in der galerie kunstblick) im Rahmen des Balinger Kunstsommers geöffnet:

Stadthalle und Zehntscheuer: täglich 10 bis 19 Uhr, Freitag bis 21 Uhr

Rathausgalerie: Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr, Samstag 9 bis 18 Uhr, Sonntag 13 bis 18 Uhr

galerie kunstblick: Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag 9 bis 13 Uhr sowie nach Vereinbarung.