Brigitta Marquard-Schad von der Gedenkstätte Eckerwald, Heinz Högerle vom Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb, Kreisarchivar Andreas Zekorn und Ines Mayer von den Gedenkstätten KZ-Bisingen (von links) werten die Interviews mit den ehemaligen Häftlingen aus. Foto: Reich Foto: Schwarzwälder Bote

Erinnerungen: Im Kreisarchiv werden Videos aufbereitet, in denen ehemalige KZ-Häftlingen von ihren Leiden berichten

Das Kreisarchiv hat 104 Video-Interviews von der amerikanischen Shoah-Stiftung gekauft. In diesen berichten ehemalige jüdische KZ-Häftlinge, die im Zollernalbkreis interniert waren, von ihrer Leidenszeit.

Balingen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte bei der Wehrmacht ein Mangel an Mineralöl. Deswegen wurde das Programm "Wüste" beschlossen, in dem der begehrte Rohstoff aus Ölschiefer gewonnen werden sollte. Für die Arbeit wurden Häftlinge eingesetzt, die in Konzentrationslagern in Bisingen, Dautmergen und Schörzingen interniert waren.

Im Kreisarchiv gibt es eine Dokumentation zum Unternehmen "Wüste". Um diese zu ergänzen, wurden Ende 2017 104 Videos mit Interviews von Überlebenden gekauft. Erstellt hatte die Interviews die amerikanische Shoah Foundation.

Initiiert wurde die Stiftung von dem Regisseur Steven Spielberg im Rahmen seiner Arbeiten zu dem Film "Schindlers Liste". Von 1994 bis 1999 entstanden so rund 52 000 Interviews in 56 Ländern und 32 Sprachen Die meisten Befragten sind jüdische Überlebende des Holocaust, doch auch andere Verfolgte wie Homosexuelle, Sinti und Roma sowie Zeugen Jehovas kommen zu Wort.

Das Kreisarchiv hat nun gezielt Videos ausgewählt, in denen Menschen befragt werde, die im Zollernalbkreis in Konzentrationslagern untergebracht waren. Sie erzählen von ihrem Leid, von Erschießungen im KZ Dautmergen, davon wie von SS-Männern Hunde auf die Gefangenen gehetzt wurden, wie es beispielsweise David Pretzel erlebt hat, der wegen seines Glaubens Zwangsarbeit leisten musste. "Das geht einem wirklich nahe", weiß Kreisarchivar Andreas Zekorn, der die Filme auswertet.

Ein anderer Zeitzeuge, Harry Tabrys, berichtet, wie er helfen musste, das Fundament für eine Anlage bei Bisingen zu graben. Das war im März, es regnete ständig und die Häftlingen standen bis zu den Knien im Matsch Bei jedem Schritt seien die Holzschuhe im Schlamm stecken geblieben.

60 Euro kostet ein Video, insgesamt 5400 Euro hat der Landkreis dafür investiert. Doch damit ist es nicht getan: So müssen beispielsweise viele Filme erst ins Deutsche übersetzt werden. Ein mühseliges und teures Vorhaben, kostet doch eine Stunde professionelle Übersetzung 1200 Euro.

Deshalb erfolgen die Übersetzungen und die Aufbereitung des Materials in Kooperation mit den KZ-Gedenkstättenvereinen – Gedenkstätten KZ Bisingen, Initiative Gedenkstätte Eckerwald und Arbeitskreis Wüste – sowie mit Geld von der Landeszentrale für politische Bildung.

Zum Einsatz sollen die aufbereiteten Videos im Schulunterricht kommen, da es kaum noch lebende Zeitzeugen gibt, die vor Ort berichten könnten. Doch auch die Gedenkstätten können die Aufnahmen nutzen, um authentische Informationen zu geben. Vorreiterin ist dabei die Bisinger Gedenkstätte.

Im Rahmen der Neugestaltung des Museums wurden Interviews eingearbeitet. Sie sind als Zitate wiedergegeben, an einem großen Touchtable können 30 ausgewählte Interviews angesehen und -gehört werden. Dabei sind ausschließlich jüdische Menschen interviewt worden – und das obwohl der Anteil der Juden im Bisinger KZ nur ein Drittel betrug, wie Ines Mayer, die stellvertretende Vorsitzende des Gedenkstättenvereins sagt.

"Wir haben neues Details erfahren oder bekamen alte bestätigt", berichtet Kreisarchivar Zekorn. Dabei müsse man jedoch vorsichtig sein, denn oftmals sei die Erinnerung verblasst oder die alten Menschen würden Tatsachen verwechseln Dennoch: "Das ist Wahnsinn, was da für ein Schatz liegt", sagt Heinz Högerle vom Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb.