Wie lang sind zwei Meter? Nicht jeder Besucher des Balinger Wochenmarkts scheint sich am Samstagvormittag mit der korrekten Abstandsregel auszukennen. Nachgemessen freilich wird nicht. Und so ein bisschen Sehnsucht nach Normalität ist gerade jetzt mehr als verständlich. Foto: Thiercy

Fast jeder definiert zwei Meter anders. Hinter den Ständen verengen Kisten den Weg.

Balingen - Nicht die Ware sticht ins Auge, sondern Hinweisschilder: Auf dem samstäglichen Wochenmarkt wird überall mit vielen Ausrufezeichen darauf hingewiesen, dass Abstand das Gebot der Stunde ist. Die Standbeschicker halten sich daran - und die Kunden auch. Die meisten. Aber längst nicht alle.

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Das samstägliche Schlendern über den Balinger Wochenmarkt gehört für die Balinger zum Wochenende. Man trifft Bekannte. Plaudert, tauscht den neuesten Klatsch und Tratsch aus und kauft nebenbei knackfrische Produkte aus der Region. Zum Abschluss des Bummels gibt es eine rote Wurst auf die Hand - und in Zeiten von Corona die Erkenntnis: die meisten, aber längst nicht alle Flaneure halten sich an die ausgegebenen Vorsichtsmaßnahmen.

Von diesem Montag an gilt auch in Baden-Württemberg: Maske auf beim Einkauf. Der oft selbst genähte Mund-Nasen-Schutz soll vor allem die anderen schützen.

An die Abstandsregeln sind die Balinger längst gewohnt. Aber so ein Wochenmarkt ist kein Einkaufscenter. Nur die wenigsten tragen am vergangenen Samstag eine Maske über Mund und Nase. Einzig die Verkäufer von Salat und Kartoffeln, erntefrischem Spargel und knallgrünen Kräutern halten sich konsequent an diese Vorschrift.

Fast jeder definiert zwei Meter anders

"Hey! Hallo! Lange nicht gesehen!": In Tagen wie diesen freut man sich über jeden Bekannten, der einem in der Balinger Fußgängerzone über den Weg läuft. Die Stände der Marktbeschicker locken wie an jedem Samstag - zumal wenn das Wetter mitspielt - die Massen. Trotz oder wegen Corona?

Was auffällt: Die Stände stehen mittlerweile mit viel mehr Abstand zueinander als sonst üblich. Was aber auch auffällt: Fast jeder definiert die zwei Meter Abstand zu den Mitmenschen anders. Und: Hat man sich erst einmal zu einem Plausch zusammen gefunden, dann wird schnell die Maske unter das Kinn gezogen. Ohne schützenden Stoff vor dem Mund ratscht es sich einfach besser.

"Sind Sie es?" Rätselraten, wenn einer eine Maske trägt. Kennen wir uns? Wer verbirgt sich hinter dem blau geblümten Stück Stoff? Nein, doch nicht der Schwager eines Kollegen.

Hinter den Ständen verengen Kisten den Weg

Aber für ein Gespräch ist eh keine Zeit, denn die Verkäuferin am Gemüsestand grabbelt mit den gummibehandschuhten Fingern in der Kasse und drückt der Kundin das Rausgeld in die nackte Hand. Ein Nicken mit Maske. Ob sie gelächelt hat? Die Augen verraten nichts.

Einmal Friedrichstraße rauf und runter. Zwischen den Marktständen ist ausreichend Platz, um sich Corona-gebührend aus dem Weg zu gehen. Und wenn es doch mal eng zu werden droht, beherrschen die Balinger den "Covid-Tanz": Ein paar Schritte zur Seite, ein paar zurück, eine leichte Drehung - und schon wäre das Casting für die Tanzsendung eines Privatsenders geschafft.

Und der Rückweg? Traditionell hinter den Ständen entlang. Das spart Weg und Zeit. Allerdings: Dort stapeln sich die leeren Kisten, dort haben Blumenhändler ihre ausverkauften Eimer gelagert und versperren Pappkartons den Bürgersteig zwischen Ständen und Hauswand. Den vorgeschriebenen Abstand einhalten? Fehlanzeige. Also: Maske auf, Augen zu und hoffen, dass ein Virus weiß, wann es einen befallen darf und wann nicht. Ab heute gilt sowieso: keine Maske - kein Einkauf.