Unkontrollierter Brexit? IHK-Präsident Erbe befürchtet, dass der Handel zusammenbrechen könnte. Foto: Kalaene Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: IHK befürchtet, dass Handel zusammenbrechen kann

Zollernalbkreis/Reutlingen. Bricht der Handel zusammen? Die heimische Wirtschaft sieht dem Austritt Großbritanniens mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, weil die Rahmenbedingungen für Geschäfte mit dem Königreich sowie die Zukunft eigener Unternehmungen vor Ort nach wie vor unklar sind.

"Die Briten müssen sich bewegen, wenn es keinen unkontrollierten Brexit geben soll", sagte Norbert Lins, CDU-Abgeordneter im EU-Parlament, beim Wirtschaftsgespräch in der Industrie- und Handelskammer (IHK). Der Gipfel in Salzburg habe keine Annäherung zwischen der EU und Großbritannien gebracht. Jetzt müsse wohl ein Spitzentreffen im November entscheidende Schritte bringen. "Die Zeit bis zum 30. März, dem Ausstiegsdatum der Briten, wird knapp", sagte Lins. "Es müssen wenigstens die großen Blöcke geklärt sein: Die EU-Außengrenze mit Nordirland und die Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen."

"Unsere Firmen können sich nicht vorbereiten. Ich sehe die Gefahr, dass der Handel mit der Insel zusammenbrechen kann", warnt IHK-Präsident Christian Erbe. Rund 400 Unternehmen aus der Region handeln nach IHK-Angaben regelmäßig mit Großbritannien. Knapp 50 Betriebe haben eine Niederlassung oder eine Tochterfirma.

Sorgen bereitet der heimischen Wirtschaft auch die europapolitische Gesamtlage. "Die EU driftet bei vielen Themen stark auseinander, die Populisten und Europagegner gewinnen an Einfluss. Das ist nicht gut für unsere Wirtschaft, die so stark von offenen Grenzen und Freihandel abhängt", erklärt Erbe.

Der Europaabgeordnete Lins will mit Blick auf die Europawahl am 29. Mai die Vorteile Europas stärker herausstellen. "Wir brauchen mehr Europa", sagt er. "Eines, das regionale Vielfalt und Selbstbestimmung ermöglicht."

Kritik der regionalen Wirtschaft gab es bei dem Gespräch an der sogenannten "Entsenderichtlinie". Sie enthalte arbeitsrechtliche Vorschriften für ins EU-Ausland entsandte Mitarbeiter heimischer Firmen. Die Mitgliedsstaaten würden die Richtlinie sehr unterschiedlich auslegen.

Das führe in der Praxis beispielsweise dazu, dass in Frankreich jeder Einsatz eines Mitarbeiters, der einen Kunden in Frankreich besucht oder an einer Messe teilnimmt, vorab gemeldet werden muss. "Die unterschiedliche Umsetzung hemmt das grenzüberschreitende Geschäft", erklärt IHK-Vizepräsident Alexander Benz.

Aus Sicht des Europaabgeordneten Lins wirkt die Entsenderichtlinie in der Tat protektionistisch: "Hier wird versucht, den europäischen Binnenmarkt zurückzudrehen und den nationalen Arbeitsmarkt vor Konkurrenz von außen abzuschotten." Viele Mitgliedsstaaten wollten das so. Für ihn bleibe das Thema auf der Agenda, sagte Lins.