Siegfried Reiter zeigt auf das verkohlte Gebälk, auf dem Moos und Pilze wuchern. Mit einem Plakat an der Frontseite der Brandruine prangert er die Versicherung an, die nicht für den kompletten Schaden aufkommen will. Foto: Ungureanu

Mühlengeist-Besitzer Siegfried Reiter streitet aber noch mit seiner Gebäudeversicherung ums Geld.

Balingen - Auf den verkohlten Dachbalken wächst Moos, im Briefkasten nisten kleine Vögel, und Siegfried Reiter ist sauer: Zweieinhalb Jahre ist es her, dass der Mühlengeist ausgebrannt ist, aber die Versicherung habe nur einen Teil des Schadens bezahlt.

Mit einem Plakat an der Brandruine protestiert deren Inhaber jetzt gegen die Vorgehensweise, denn allmählich gerät er unter Zeitdruck: "Wenn ich nicht innerhalb von drei Jahren mit dem Wiederaufbau beginne, verfällt mein Anspruch auf den Neuwert." Mit anderen Worten: Dann wäre der Neuaufbau des beliebten Ausflugslokals nicht mehr finanziert.

Ein Neuaufbau wird es aller Wahrscheinlichkeit nach sein. Davon geht Siegfried Reiter heute aus. Vom Denkmalamt sei ihm nämlich mitgeteilt worden, dass ein Wiederaufbau nicht mehr zwingend erforderlich sei, weil das denkmalgeschützte Gebäude in seiner Substanz zu sehr geschädigt sei. Zweieinhalb Jahre nach dem Brand hat sich Reiters Traum von einem Mühlengeist, der originalgetreu "aus der Asche aufersteht", zerschlagen: Regen und Wind haben dem alten, angekohlten Gebälk mittlerweile den Rest gegeben.

Die Stadt Balingen stellt sich, wie Baudezernent Ernst Steidle im Gespräch mit unserer Zeitung mitteilt, eine "zeitgemäße Architektur" vor. Einen Plan gebe es noch nicht, man sei schließlich nicht unter Zeitdruck, sagt Steidle. Für Siegfried Reiter steht fest: Er möchte möglichst viele Teile vom alten Mühlengeist wieder verwenden. Die alten Balken müsse man "sprechen" lassen: "Sie sagen einem dann, wo sie im neuen Haus sein wollen", sagt er.

Einen Zeitplan gibt es noch nicht, auch keine Abbruchgenehmigung. Der Balinger Gemeinderat hat aber ein Gesamtkonzept für den historischen Gebäudekomplex mit Stadtmühle und Mühlengeist, das Zufahrten und Parkflächen neu regelt. Das Konzept sieht auch vor, dass das Gelände, auf dem der neue Mühlengeist entsteht, noch aufgeschüttet werden muss bis auf das Niveau der Stadtmühle.

Das Hickhack um eine angemessene Entschädigung geht allerdings weiter, die Angelegenheit wird vor Gericht ausgefochten: "Die Versicherung hat mir nur den Zeitwert bezahlt und einen Teil der Abbruchkosten übernommen", sagt Siegfried Reiter im Gespräch mit unserer Zeitung. Und das, obwohl er mit einer weiteren Versicherung einen Zusatzvertrag abgeschlossen habe, "um alles abzudecken, was im ersten Vertrag nicht vorgesehen war".

Keine drei Monate vor dem verheerenden Feuer habe er seine Verträge noch einmal prüfen lassen, und der Vertreter habe ihm versichert, dass er im Fall einer Brandkatastrophe gar nichts tun müsse: "Ich brauche nur zur Schlüsselübergabe zu kommen, hat er gesagt. Danach werde alles noch besser sein als davor. Jetzt habe ich von der Versicherung nicht einmal eine Aufstellung bekommen, was bezahlt worden ist und was nicht."

Was ursprünglich besprochen worden sei, "ist plötzlich alles nicht mehr wahr, und ich muss meinen Rechtsanwalt einschalten".

In Anlehnung an den Werbeslogan seiner Gebäudeversicherung fragt Siegfried Reiter sarkastisch: "Was sind das für Horizonte, die hier geöffnet werden?" Erst jetzt, nach zweieinhalb Jahren, habe die Versicherung von ihm ein Gutachten verlangt; im Bescheid, den er daraufhin erhalten habe, heißt es, der Zeitwert sei noch nicht überschritten.

Auch dafür, dass das Gebäude innerhalb kürzester Zeit ein zweites Mal gebrannt hat, macht Reiter die Gebäudeversicherung verantwortlich: "Hätten sie nach dem ersten Brand alles bezahlt, hätte es zum zweiten gar nicht kommen können – denn dann wären die komplette Videoüberwachung und die Brandmelder installiert gewesen", sagt Siegfried Reiter verbittert.