Eine Lehrerin schreibt im Klassnzimmer mit Kreide an die Tafel. Im Zollernalbkreis wird es nach Angaben der GEW zum neuen Schuljahr zu wenige Pädagogen geben. Foto: dpa

GEW-Kreisvorsitzender Romer bemängelt personelle Unterversorgung. Kritik an Bildungspolitik der Ministerin.

Zollernalbkreis - Ein düsteres Bild der Lage an den Schulen zeichnet Bernd Romer, Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Gar nicht einverstanden ist er mit dem Plan der Kultusministerin, im neuen Schuljahr fast alle Corona-Einschränkungen fallen zu lassen.

Auch im neuen Schuljahr werden die Schulen laut Romer wieder mit viel zu wenig Lehrkräften ins neue Schuljahr starten. Bereits jetzt fehlen nach seinen Angaben mehr als 40 Lehrkräfte im Schulamtsbezirk Albstadt, der den Zollernalbkreis und Teile des Kreises Sigmaringen umfasst. Kaum eine Schule könne mit voller Personalstärke ins neue Schuljahr starten. An einigen Schulen sei momentan sogar dermaßen "Land unter", dass zum jetzigen Zeitpunkt ein Unterrichten im nächsten Schuljahr kaum möglich scheine, so Romer.

Coronabedingte Ausfälle noch nicht einberechnet

Die Krankheitsreserve wird nach Einschätzung Romers vor dem Start im Herbst, wie schon in den Jahren zuvor, bereits gänzlich aufgebraucht sein. Die coronabedingten Ausfälle seien dabei noch gar nicht eingerechnet. Seine Meinung: "Das Land stopft seine Lücken in der Lehrkräfteversorgung im Normalbetrieb dann mit Hilfslehrkräften, die vom ersten bis zum letzten Schultag beschäftigt werden." Danach seien diese völlig unterschiedlich qualifizierten, aber dringend benötigten Menschen in den Sommerferien arbeitslos, um im Herbst des folgenden Jahres wieder mit einem neuen Kettenvertrag eingestellt zu werden. Romers Kommentar: "Staatliches ›hire and fire‹ in Reinform."

Gerne betreibe das Land dieses Spiel auch mit qualifizierten Lehrkräften aus dem Ausland. Ihnen werde dann die Anerkennung als Lehrkraft verweigert, weil das Regierungspräsidium ihre Qualifikationen nicht anerkennen könne. Es fehle diesen ein zweites Fach oder das Referendariat. Obwohl diese Lehrkräfte in europäischen Ländern studiert hätten und zum Teil langjährige Berufserfahrung und noch andere Qualifikationen nachweisen könnten, würden sie nicht langfristig angestellt: "Als Aushilfslehrkraft dürfen sie dann seltsamerweise aber alles unterrichten, was gerade anfällt, nur die Bezahlung und Befristung unterscheidet sie dann von den Kolleginnen."

Direkte Übernahme nach Referendariat würde helfen

Die Gewerkschaft protestiert vor und nach den Sommerferien regelmäßig dagegen, und die GEW macht auch ständig Vorschläge, diese Missstände zu beheben. So könnten beispielsweise die Anwärter gleich nach ihrem Referendariat übernommen und nicht erst nach den Sommerferien eingestellt werden. Dadurch könnte zum Beispiel die Abwanderung in die Schweiz verhindert werden, so Romer.

Der Vorschlag, die Krankheitsreserve deutlich aufzustocken und Lehrkräfte mit einer Zulage in die scheinbar unattraktiven ländlichen Gebiete zu locken, stößt laut Romer in Stuttgart seit Jahren auf taube Ohren. Dass grundsätzlich mehr Lehrkräfte ausgebildet werden müssen und den geeigneten Hilfslehrkräften mit Jahresverträgen und der Chance auf eine Qualifizierung eine Perspektive gegeben werden müsste oder europäische Abschlüsse unbürokratisch anerkannt werden sollen, sei ebenso eine langjährige Forderung der GEW.

"Lehrkräfte-Bashing der Kultusministerin"

Romer: "Das ständige Lehrkräfte-Bashing der Kultusministerin verhindert zudem eine sachliche Diskussion um die tatsächlichen Belastungen im Lehrberuf. Die Arbeitszeit ist nämlich höher als das Deputat suggeriert." Die Arbeitsbedingungen hätten sich durch höhere Deputate und immer mehr Aufgaben deutlich erhöht. Nur ein Viertel der Lehrkräfte schaffe es, bis zur Pension zu arbeiten. Die Altersermäßigung wurde reduziert, obwohl diese die wichtigste Entlastung war: "Wer jetzt meint, dies sei Jammern auf hohem Niveau, der verkennt, dass es für den Zollernalbkreis auch zum konkreten Standortnachteil werden kann, wenn die schlechte Versorgung mit Lehrkräften und die dadurch verursachten Unterrichtsausfälle zu einem Absinken des Bildungsniveaus führen."

In Corona-Zeiten treten diese Missstände nach seiner Ansicht nun noch deutlicher zu Tage. Mit dem "fast regulären Schulbetrieb" starte das Kultusministerium zudem ein großes Experiment. Der Verzicht auf die Abstandsregelung und ein voller Präsenzunterricht gefährde Lehrkräfte, Kinder und deren Familien. Klassen mit bis zu 31 Kindern seien in dieser Situation, wo viele im Urlaub zahlreiche Kontakte hatten, nicht zumutbar.

Bei der grundsätzlich schlechten Versorgung mit Lehrkräften und den zu großen Klassen wird es laut Romer massive Unterrichtsausfälle geben: "Es wird nicht wie vorher. Ein richtiger Plan ist es jedenfalls nicht, nur das Abstandsgebot aufzuheben, wenn die strukturellen Probleme nicht angegangen werden."