Balingen - Mit dem Inkrafttreten der neuen Geschwindigkeitsregeln auf der B 27 wird es auf Höhe Engstlatt wohl verstärkte Kontrollen geben – energisch dagegen spricht sich Albert Sauter aus.

Der Unternehmer hatte gegen die durchgängige Tempobeschränkung auf 120 Stundenkilometer auf der B 27 geklagt. Lärmschutz der Anwohner sieht Sauter nicht als legitimen Grund dafür an.

Seine Meinung zum Thema Kontrollen hat Sauter, Geschäftsführer der Frommerner Firma Kern&Sohn und führendes Mitglied der "Denkfabrik Zollernalb" (früher Bürgerinitiative Zollernalb), zu Beginn dieser Woche in einem offenen Brief formuliert, der in erster Linie an Klaus Hahn, CDU-Fraktionssprecher im Balinger Gemeinderat, adressiert war.

Hahn hatte in der vergangenen Woche in seiner Rede zum Haushaltsplan 2019 gesagt, dass die Stadt über Geschwindigkeitskontrollen auf der B 27 nachdenken solle, um dadurch Einnahmen für die Stadtkasse zu generieren. Außer um Geld gehe es allerdings, so Hahn, auch um Lärmschutz für die Bundesstraßen-Anlieger (wir berichteten).

Dass insbesondere die seit Dienstag dieser Woche auf der B 27 auf Höhe Engstlatt zwischen Balingen-Nord und Steinhofen geltenden neuen Regeln – tagsüber sind 130 Stundenkilometer erlaubt, nachts 120 – künftig streng kontrolliert werden sollen, hatte Oberbürgermeister Helmut Reitemann bereits im November und Dezember im Gemeinderat angekündigt.

Darauf hatten insbesondere die Engstlatter massiv gedrängt, nachdem die 2015 eingeführte, durchgängge 120-Beschränkung auf B 27 durch die Klage Sauters vor dem Verwaltungsgericht teilweise aufgehoben worden war.

Und darauf bestehen sie im Konsens mit der Balinger Stadtverwaltung auch heute noch, sagt Ortsvorsteher Klaus Jetter: Rund 2000 Einwohner seien in Engstlatt vom Verkehrslärm auf der Bundesstraße betroffen; nun, da tagsüber wieder 130 Stundenkilometern gefahren werden dürften, steige der Lärm wieder an.

Diese Lärm-Betroffenheit – nicht nur der Engstlatter, sondern aller B 27-Anlieger – stellt Sauter in Frage. Er verweist darauf, dass von Geschwindkeitsbegrenzungen auf der für den Zollernalbkreis wichtigen Verkehrsader "nahezu alle 180 000 Einwohner" des Landkreises mehr oder weniger direkt tangiert seien. Ein Tempolimit sieht Sauter als Einschränkung der Lebensqualität, mehr noch: Wenn jemand, so schreibt es Sauter in dem Brief, "unachtsamerweise 160 statt 120 Stundenkilometer" schnell fahre, dann falle deswegen in Engstlatt "niemand aus dem Bett". Wenn dann aber jemand, der wegen eines Tempolimits unerlaubterweise zu schnell fahre, eine Strafe aufgebrummt bekomme oder gar seinen Führerschein verliere, dann sieht er den "Rechtsfrieden" in Gefahr.

Lärmschutz, so Sauter weiter, sei ein "Wunsch Einzelner", der nicht zulasten der Allgemeinheit, sprich: der Autofahrer, gehen dürfe. Wer in Engstlatt oder Hechingen nahe der B 27 ein Haus kaufe, dürfe sich nicht wundern, dass es dort eben etwas lauter sei. Um aber Lärmschutz zu gewährleisten, dürfe man nicht die "billigste Lösung" – Verkehrsschilder und Tempolimit – ergreifen, vor allem dürfe man diesen "bitte nicht auf dem Rücken der Pendler" realisieren. Stattdessen sollten Städte über Lärmschutzwände und Flüsterasphalt nachdenken.

Auf diese Argumentation Sauters angesprochen, sagt der Engstlatter Ortsvorsteher Jetter, dass er diese "nicht ernst nehmen" könne. Die Meinung der Engstlatter und vieler anderer B 27-Anlieger sei klar und nachvollziehbar. Der vom Verkehr verursachte Lärm sei nicht eine Befindlichkeit Einzelner, vielmehr seien ganze Ortschaften betroffen. Jetter erinnert daran, dass die meisten Eigentümer entlang der Trasse ihre Gebäude zu einer Zeit errichteten oder kauften, als die Bundesstraße noch nicht vierspurig ausgebaut war. Seitdem habe die Belastung deutlich zugenommen. Nicht umsonst würden allerorten Lärmaktionspläne ausgearbeitet.

Albert Sauter vertrete eine "Minderheitsposition", so Jetter, wenn er fordere, dass Autofahrer auf der Bundesstraße nach Herzenslust schnell unterwegs sein sollen dürften. Tempo 120 sei auf der Strecke ausreichend, das sei ein "guter Kompromiss" gewesen, den Sauter mit seiner Klage völlig unnötigerweise zunichte gemacht habe. Auch dass Sauter durch Geschwindigkeitskontrollen den Rechtsfrieden in Gefahr sieht, kann Jetter nicht verstehen – es sei andersherum: Wenn Regeln aufgestellt würden, dann seien diese gültig. Und wer sich nicht daran halte, müsse mit den Folgen leben.

Klaus Hahn, der eigentliche Adressat des offenen Briefs von Sauter, wollte sich am Donnerstag nicht dazu äußern. Aus einem nachvollziehbaren Grund: Hahn hat das Schreiben bisher nicht erhalten.

Kommentar: Dinosaurier

Von Steffen Maier

Die möglichst von jeder Tempobegrenzung befreite Möglichkeit, über Straßen zu brettern, scheint für Albert Sauter ein grundlegendes, nicht verhandelbares Menschenrecht zu sein. So liest sich sein "Offener Brief", in dem er Geschwindigkeitskontrollen auf der Bundesstraße 27 als Teufelszeug abtut, als Minderung der Lebensqualität, als Störung des Rechtsfriedens gar in den Fällen, in denen Raser zur Rechenschaft gezogen werden. Geht’s noch? Mit dieser Meinung, die eher eines Dinosauriers der Verkehrspolitik würdig ist, macht sich Sauter bei den lärmgeplagten B 27-Anliegern keine Freunde. Was ist mit deren Grundrecht auf Lebensqualität? Vor allem tut Sauter sich und seinem eigentlichen Anliegen keinen Gefallen: Die Denkfabrik Zollernalb will den Infrastrukturausbau fördern und verbessern. Fraglich ist, ob Sauter als deren Sprecher nach diesem verstörenden Zwischenruf noch ernst genommen wird.