Betreuungen, Nachlasseröffnungen, das Ausstellen von Erbscheinen und Testamentsverwahrungen: Im Keller stapeln sich die Aktenordner, und bedingt durch die Notariatsreform dauert die Bearbeitung länger. Foto: Ungureanu

"Größte Reform" in der baden-württembergischen Justiz  bringt Probleme mit sich. Auf Nachlass muss man lange warten.    

Zollernalbkreis - Auf eine Nachlasseröffnung oder einen Erbschein wartet man derzeit ein halbes Jahr oder länger. Schuld ist die Notariatsreform: Zum 1. Januar wurden die Aufgaben zwischen freien Notaren und Amtsgerichten aufgeteilt, und die Akten stapeln sich.

Laut der Balinger Amtsgerichtsdirektorin Traude Kurz ist es die größte Reform im Justizwesen: So habe das Amtsgericht Balingen die Aufgaben der bis dahin sechs Notariate in Balingen, Schömberg, Haigerloch und Rosenfeld übernommen – zusammen mit riesigen Aktenbergen. Betreuungen, Nachlasseröffnungen, das Ausstellen von Erbscheinen und Testamentsverwahrungen sind jetzt hier zusammengefasst. Die württembergischen Notare, erklärt die Amtsgerichtsdirektorin, seien sowieso eine Sonderform gewesen. Das System habe man jetzt nach EU-Recht ändern und vereinheitlichen müssen.

Aber bis die alten Fälle erfasst und die Archive von sechs Notariaten nach einem einheitlichen System aufgearbeitet sind, dauert es. Rund ein halbes Jahr sei man im Rückstand, sagen die Notarinnen Verena Breitensprecher und Stefanie Maier. Zuweilen noch länger: Gerade werde der Nachlass von jemand bearbeitet, der im Oktober 2017 verstorben sei, sagen sie.

Betroffene warten im Krankenhaus, bis ein Betreuer eingesetzt wird

Auch bei Betreuungen seien die Bearbeitungszeiten länger: "Die Betroffenen sitzen im Krankenhaus und warten, dass ein Betreuer eingesetzt wird. Irgendwann zahlt die Kasse den Krankenhausaufenthalt nicht mehr", erklärt die Amtsgerichtsdirektorin.

Zusammen mit Notar Roland Heinemann und "zweieinviertel" Servicekräften sind die beiden Notarinnen in ihrem Büro im vierten Stock des Balisana-Gebäudes mit einer Herkules-Aufgabe konfrontiert. Allein schon die Logistik sei sehr aufwendig gewesen. Die Möbel seien landesweit aus den Werkstätten der Justizvollzugsanstalt Ulm geliefert worden. "Sie mussten zum 1. Januar fertig sein, auch in Ulm war die Hölle los", weiß Kurz.

Eigentlich hätte sie das gesamte Archiv gerne im Gerichtsgebäude gehabt, sagt die Amtsgerichtsdirektorin. Aber das sei nicht möglich gewesen. So sei jetzt ein Teil der Akten im Keller des Balisana-Gebäudes, die alten Urkunden in einer Außenstelle.

Die Einarbeitung in das "kilometerlange" Archivmaterial der sechs Notariate sei auch nicht einfach gewesen: Jedes habe nach einem eigenen System gearbeitet. Jetzt werde alles vereinheitlicht und digitalisiert.

Erschwerend komme hinzu, dass mit einem neuen PC-Programm gearbeitet werden müsse: Das Programm werde bundesweit von Amtsgerichten und Notaren eingesetzt, sagt Richterin Kurz.

Eigentlich werde es eine Vereinfachung für alle Beteiligten sein: Testamente werden bei der Zentralen Testamentsregistrierung bundesweit erfasst, bei Betreuungsangelegenheiten gibt es nur noch eine einzige Anlaufstelle. Aber bis es so weit ist, dauert es noch.

Zeitraubend seien auch die vielen Anrufe. Manche Leute seien verärgert, dass es so lange dauere, andere "fragen einfach nach". Und wieder andere wüssten nicht, dass die Notare beim Amtsgericht keine Kaufverträge und Beurkundungen machen dürfen. Die ganzen Telefonate würden Zeit rauben, die man sinnvoller einsetzen könnte bei der Abarbeitung der Aktenstöße. "Es ist uns wichtig, dass die Leute auch uns verstehen", sagen Verena Breitensprecher und Stefanie Maier. Das landläufige Klischee, dass Beamte gerne eine "ruhige Kugel" schieben, treffe hier nicht zu: "Unsere Service-Kräfte klagen nicht, wenn sie Überstunden machen müssen", versichern die beiden Notarinnen. Am Albstädter Amtsgericht verlaufe die Umstellung ähnlich aufwendig wie in Balingen, wissen sie. In Hechingen sei es wesentlich einfacher: Dort habe es nur ein einziges Notariat gegeben.