Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Wie der Frommerner Ortschaftsrat Ortsvorsteher Hans Uhl (Foto) am Donnerstag das Wort abschnitt – und so ein Zeichen der Versachlichung in der Schulraumdiskussion sowie der Emanzipation setzte

Balingen-Frommern. Sie hatten es mit großer Mehrheit wohl einfach satt. "Wir können doch nicht zum zehnten Mal im Kreis herumdiskutieren – ohne sachliche Grundlage", raunte ein Frommerner Ortschaftsrat am Donnerstagabend, nachdem entschieden war, dass über die zuletzt strittige Frage, ob am dortigen Schulzentrum ein An- oder ein Umbau die Raumnot beheben soll, an diesem Abend nicht weiter gesprochen werden soll.

Günther Meinhold hatte einen entsprechenden Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, sehr zur Verwunderung von Ortsvorsteher Hans Uhl, dem damit praktisch das Wort abgeschnitten wurde, und ebenso zur Verwunderung einiger Schulvertreter, die eigentlich gedacht hatten, noch zu Wort zu kommen. "Was ist denn jetzt los?", fragte eine von ihnen.

Tatsächlich war es eine besondere Situation – und ein bemerkenswerter Vorgang: Dass ein kommunalpolitisches Gremium seinen Chef zum Schweigen verdonnert, kommt selten bis gar nicht vor. Offenbar sah die überwiegende Mehrheit das aber als richtigen und einzig möglichen Weg an, die zuletzt hitzigen Diskussionen in der Schulraumfrage zu versachlichen.

In dieser Frage geht es zwischen dem Frommerner Gremium und der Balinger Stadtverwaltung seit Monaten hin und her. Anlass ist die Gründung des Schulverbunds im Herbst 2015. Zwei bis dahin selbstständige Einrichtungen – die Grund- und Werkrealschule sowie die Realschule – taten sich zusammen. Entstanden ist so mit derzeit 85 Lehrern und rund 850 Schülern die zweitgrößte Bildungseinrichtung Balingens. Dem Zusammenschluss, so war es vonseiten der Stadtverwaltung versprochen, sollte auch räumlich Rechnung getragen werden: durch ein gemeinsames, endlich auch ausreichend großes Lehrerzimmer sowie eine gemeinsame Verwaltung.

Wie kompliziert sich die Dinge entwickelt haben, zeigt eine Zahl: 7. So viele Varianten für einen Umbau im Bestand hat das Balinger Hochbauamt mittlerweile vorgelegt. Die siebte präsentierte Amtsleiter Frieder Theurer am Donnerstagabend. Die bisherigen sechs hatten der Ortschaftsrat und auch die Schule als, diplomatisch ausgedrückt, nicht zielführend bewertet – und stattdessen die Möglichkeit eines Anbaus ins Spiel gebracht, in dem die Lehrer unterkommen sollten.

Vor allem Hans Uhl hatte sich stets vehement, mitunter auch harsch, gegen den Umbau im Bestand ausgesprochen – und sich, mit ebenso deutlichen Worten, für den Anbau stark gemacht. Er habe, sagte Uhl am Donnerstag, selten für eine Sache so gekämpft wie für diese. Das Projekt hätte er gerne noch vor seinem Ausscheiden verwirklicht. Nach dann mehr als 50 Jahren als Bürgermeister und Ortsvorsteher, das ist derzeit der Fahrplan, wird Uhl im Frühjahr 2017 den Chefsessel in der Frommerner Ortschaftsverwaltung räumen.

Der Ortschaftsrat war ihm in diesem Kampf stets gefolgt, dies auch deshalb, weil es galt, eine gemeinsame Linie auf dem "Nebenkriegsschauplatz" zu fahren, auf dem mit dem Regierungspräsidium Tübingen über die Frage des tatsächlichen Raumbedarfs am Schulverbund sowie, damit verbunden, die Frage der Zuschüsse gestritten wurde. Diese Scharmützel sind – mit positivem Ergebnis für Frommern – beendet: Ein Anbau würde ebenso bezuschusst wie ein Umbau. Im Haushalt 2017 der Stadt sind nach Angaben von Frieder Theurer 250 000 Euro Geld für das Vorhaben eingeplant – egal, ob nun an- oder umgebaut wird. Im Sommer 2017 könnten die Bauarbeiten beginnen.

Anders als Uhl, der am liebsten sofort die "Knackpunkte" der Umbauvariante 7 besprochen hätte, favorisiert die Mehrheit des Gremiums einen anderen Weg: Man wolle "Stellungnahmen der Experten", des Regierungspräsidiums, des Oberschulamts, der Schule, dazu einholen, ehe eine "politische Entscheidung" – Umbau oder Anbau – getroffen werde, sagte Ulrich Teufel. Günther Meinhold berichtete, dass es in dieser Sache bereits eine Besprechung zwischen Oberbürgermeister Helmut Reitemann, einzelnen Ortschaftsräten sowie Hans Uhl gegeben habe.

Den Antrag, ohne fachliche Expertise nicht vertiefend zu diskutieren, kann man als Verschnaufspause werten: Nach dem langen Kampf wollen die meisten Ortschaftsräte nun wohl erst einmal in den Verhandlungsmodus umschalten.

Dass sie dafür ihrem Noch-Chef sogar das Wort abschneiden, macht deutlich, dass der Prozess der Emanzipation längst begonnen hat: So schwer es für Hans Uhl sein muss – der Ortschaftsrat plant bereits ohne ihn.