Nicolai Köppel, Liedermacher aus Heilbronn, und daneben Poetry-Slamer Stefan Unser (rechts) aus Malsch bei Karlsruhe. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Stefan Unser und Nicolai Köppel mit Poetry-Slam-Kabarett zu Gast in Baiersbronn

Beim zweiten Poetry-Slam der Volkshochschule in Baiersbronn verzauberten Slam-Poet Stefan Unser und Liedermacher Nicolai Köppel im "Schaukelpferd" mit bisweilen bizarren Texten und tiefgründiger Vertonung von alltäglichen oder außergewöhnlichen Situationen, mit denen sie sich das Leben nicht nur schönredeten.

Baiersbronn. "Man kann sich das Leben auch schönreden" – so die Überschrift zum Poetry-Slam-Kabarett. Aber man muss es nicht. Der Abend sorgte mit brillanten und textlich amüsanten Wortergüssen für Vergnügen bei den zahlreichen Gästen im Baiersbronner Lokal Schaukelpferd.

Slam-Poet Stefan Unser und Liedermacher Nicolai Köppel spielten sich mit einer Collage aus Bühnentexten und Liedern gegenseitig die Bälle zu. Sie vertraten dabei die Auffassung, dass nichts so schlimm ist, wie es scheint – oder vielleicht doch, nur hat man es noch nicht bemerkt. Das Programm jedenfalls versprach, für fast jede Lösung das passende Problem zu liefern.

Ein Liebeslied zum Auftakt

Den Auftakt übernahm Nicolai Köppel mit der Gitarre und dem etwas anderen Liebeslied namens "Ich verlieb dich in mich". Stefan Unser dachte über WC-Papier mit Spekulatius-Duft nach und zeigte sich fasziniert von Fragen, die nicht nur bewegen, sondern ganze Denkräume füllen. Die Lacher auf seiner Seite hatte Unser mit kurzen Tiergeschichten, beispielsweise von der "Schlange", die sich teilt, weil Kasse drei geöffnet wird. Bevor das nächste Lied namens "Fangfragen" über eine untreue Frau erklang, äußerte sich Unser zum "Denken", das aus seiner Sicht krasser ist als das "Googeln".

Er zog daraus die Bilanz, dass richtig Dumme nicht mal richtig googeln können. Seine Erfahrungen mit den Straßenbahnen in der Karlsruher Innenstadt rissen den Slam-Poeten zu einem Text hin, der sein Verhalten in der Bahn verdeutlichte. Er setzt sich ohne zu fragen auf einen Sitz, auch wenn dort schon ein Rucksack liegt – teils mit fatalen Folgen.

Tiefgründig wurde es bei einem Text über Bildung. Köppel besang im Anschluss einen "Gnom auf dem Balkon". Bei diesem Lied hatten sich Köppel und Unser kennengelernt und sich auf gemeinsame Bühnenauftritte verständigt, die sie inzwischen regelmäßig bestreiten, wobei sie bestens miteinander harmonieren.

In seinen Texten verarbeitet Unser primär Situationen, die aus dem Leben gegriffen sind. Er betrachtet sie kritisch und haucht ihnen Wortgewalt ein. So nimmt er seine Zuhörer auf interessante Reisen mit und animiert sie zum Schmunzeln oder zum Lachen. Er erfreut sich dabei am Alltäglichen, gibt Rezepte zum Ausbremsen von Fahrern schneller Autos weiter und interessiert sich für Probleme und Ersatzprobleme. Dabei macht er keinen Hehl daraus, dass aus seiner Sicht Mitteleuropäer in Mitteleuropa nur Mittelprobleme haben können. Köppel besang mit "Mein Mädchen" seine Freundin, in die sich niemand verlieben soll.

Sie riecht nach Pommes, Wurst, Mayonnaise und Bier und darf sich nicht duschen, um seine Liebe – vor allem nach ihrem Imbissbuden-Duft – nicht zu verlieren.

Ein Beispiel postmoderner "Verblödmachung" hatte Unser ebenfalls im Programm. Eine Aneinanderreihung von in IT-Betrieben üblichen Anglizismen aus einer Rund-Mail, die eigentlich nur bedeuteten "Computer funktioniert wieder", gruppierte er in seine Story über die Lieblingsprobleme, die er am Arbeitsplatz bewältigt. Dazu gehört beispielsweise der Umgang mit vergessenen Passwörtern von Arbeitskollegen, die gerade aus dem Urlaub zurückkommen. Er redete auch darüber, dass heute alles als "Projekt" eingestuft und das Wissen dazu "gemanagt" werden muss.

Unser ließ den Abend mit dem Zitat von Peer Augustinski ausklingen "Das Leben kann so schön sein, muss es aber nicht".

Die Gäste applaudierten begeistert. Sie hatten ordentlich Input bekommen und Gesprächsstoff, mit dem sie sich im Anschluss noch eine Weile auseinandersetzen konnten.