Martin Wendte schlüpfte in Klosterreichenbach in die Rolle von Martin Luther. Foto: Behm Foto: Schwarzwälder-Bote

Religion: Privatdozent spricht in der Rolle des Reformators auch über "heiße Eisen"

Baiersbronn-Klosterreichenbach. Gehört der Islam zu Deutschland? Martin Luther hätte das bestimmt vehement verneint, ist sich Martin Wendte sicher. Damals. Heute würde es der Reformator aber anders sehen.

Wendte gilt als Luther-Kenner. Er ist Privatdozent für Systematische Theologie an der Universität Tübingen. "Der Islam hätte, wenn es nach Luther ginge, in Deutschland nichts zu suchen." Was zuerst hart klingt, macht laut Wendte durchaus Sinn, wenn es in den Kontext des Mittelalters eingeordnet werde. Luther lebte von 1483 bis 1546. "Das sollten wir aber heute nicht mehr so sehen", findet Wendte. "Ich bin überzeugt, dass Luther für einen weltanschaulich neutralen Staat gewesen wäre, der den Menschen nicht vorschreiben darf, welchen Glauben sie haben sollen. Einen Staat, der nicht entscheiden darf, ob jemand eine Bibel oder den Koran zu Hause hat." Der Staat wandte sich damals nämlich gegen Luther, der die Bibel ins Deutsche übersetzte.

"Sicherlich war Luther ein Kind seiner Zeit", wie es Wendte formuliert, dennoch sei "der theologische Kern seiner Aussagen auch heute noch zeitgemäß." Er bilde eine gute Basis für das Zusammenleben. Das sollte den Zuhörern beim Luthermahl, das von Pfarrer Albrecht Schäfer auf die Beine gestellt worden war, in der Münsterkirche in Klosterreichenbach weitergegeben werden. Wendte gab dort den Reformator und beantwortete Fragen aus Luthers Sicht.

Wendte, alias Luther, meinte: "Der Staat darf Gewalt anwenden, weil sonst alles schlimmer wird. Auch als Christ darf man Soldat werden, um größeres Übel zu verhindern." Der Staat dürfe Gewalt anwenden, damit die Gewalt eingedämmt werde und die Religion freier ausgelebt werden könne. Dann sei das durchaus legitim, erklärte Wendte in der Rolle Luthers.

Immer wieder neu auslegen

Für Wendte, der sich ausgiebig mit dem Reformator auseinandergesetzt hat, ist klar, dass sich die Aussagen Luthers immer wieder neu auslegen lassen. In der Theologie sei das ein Dauerdiskussionsthema. Im Dritten Reich seien Luthers Aussagen beispielsweise zugunsten der Nazis gedeutet worden, so Wendte.