Seit sechs Jahren ein eingespieltes Team: Samuel Koch (links) und Samuel Harfst. Foto: Günther

Autor, Schauspieler und ehemaliger Kunstturner philosophiert in Kirche über Glück.  

Kreis Freudenstadt - Ungewöhnlich voll war die Baiersbronnner Marienkirche – und ungewöhnlich war auch das Programm. Zwei besondere Künstler bescherten dem Publikum einen intensiven, tiefgründigen und berührenden Abend.

Samuel Koch – scheinbar bequem im Lehnstuhl sitzend – philosophierte über das Leben und über Widrigkeiten und Freuden des Alltags, die Menschen stark und widerstandsfähig machen. Sänger, Liedermacher und Produzent Samuel Harfst griff diese Themen musikalisch auf.

Im Rahmen ihrer viel beachteten Tournee machten die beiden Samuels mit ihrer Konzertlesung "Steh auf Mensch" Station in Baiersbronn. Samuel Koch (32), Autor, Schauspieler und ehemaliger Kunstturner, jonglierte geradezu durch den Abend mit Auszügen aus seinem neuen Buch "StehaufMensch!".

Dass sich Koch eben nicht auf den Wettkandidaten reduzieren lässt, der seit der verhängnisvollen Fernsehwette vor zehn Jahren im Rollstuhl sitzt, machte die geradezu philosophische Tiefe dieser Konzertlesung aus. Unausgesprochene Besucherfragen wie "Kann ein vom Hals abwärts gelähmter junger Mensch ein erfülltes Leben führen?", "Wie geht Koch mit den Folgen seiner Tetraplegie um?", "Ist seine Frau Sarah auch dabei?" oder – ganz pragmatisch – "Wo ist sein Rollstuhl?" schwebten förmlich durch den Kirchenraum. Und wurden von Samuel Koch beantwortet, allerdings auf seine eigene Weise: mit griffigen Metaphern und Gleichnissen, die er aus seinem neuesten Buch vortrug.

Sensibel und mit Humor "rollt" er durchs Leben

Da ist sein Protagonist untröstlich, weil er anstatt im heiß ersehnten Italien versehentlich in Holland landet und dort bleiben muss. Und bald überrascht feststellt, dass er sich dort zwar nicht an den geliebten Kunstwerken von Michelangelo oder am Kolosseum erfreuen kann, er aber am neuen Ort die Gemälde von Rembrandt und die Tulpenblüte kennen und lieben lernt. Auch die Themen Dankbarkeit, Langmut, Demut, Verantwortlichkeit und Sinn hat Koch in Episoden oder Gedanken verpackt.

Dass Koch sensibel und mit viel Humor durchs Leben "rollt", wurde sowohl in seinen Geschichten als auch in der Kommunikation mit dem Publikum deutlich. So dankte er "allen, die nicht gekommen sind, sonst wäre es wirklich hier zu voll geworden" oder lobte seine "Buchhalterin" Lucia Kulajew, die ihm seine Bücher hinhält und die passenden Seiten aufschlägt. Humor bewies er auch bei der Schilderung seines täglichen "Wahlpflichtprogramms an den Trainingsgeräten" oder Betrachtungen über die Achterbahnfahrten des Lebens.

Als Gesprächspartner saß ihm Samuel Harfst zur Seite. Der Sänger, Produzent und Bandleader ist seit sechs Jahren mit Samuel Koch zu Konzertlesungen auf Tour. Zusammen mit Dirk Menger (Cello, Klavier), David Harfst (Schlagzeug, Klavier) und Linus Weil (Schlagzeug und Lichttechnik) bestritt er den musikalischen Teil des Abends, bei einem Song gar unterstützt von Koch, der die Melodika spielte. Mit seinen Songs wie "Paradies", "Mein letztes Hemd" oder "Neuer Tag, neues Glück, neues Jahr, neues Glück, ich schau mutig voran und dankbar zurück" griff Harfst musikalisch auf, was Koch vorher thematisiert hatte.

Was Glück anbelangt, stellt sich für Koch die Frage: "Kann jemand nur glücklich sein, wenn die äußeren Umstände stimmen?" Seine eindeutige Antwort "Nein" begründet er mit seiner eigenen Biografie, denn, so Koch: "Dann hätte ich keine Chance auf Glück." Früher seien für ihn Skifahren und Snowboarden Glücksmomente gewesen, besonders Snowboarden, "weil es meinem geliebten Kunstturnen anverwandt war und sich ein bisschen anfühlte wie Fliegen". Diesen kurzen Glücksmomenten stellt Koch das "lang anhaltende, nachhaltige Glücklichsein" entgegen, wobei eine Grundlage hierfür die "Zufriedenheit als kleine Schwester des Glücks" ist.

Koch ist fest im Glauben verwurzelt

Diese Erkenntnis untermauerte Koch mit einer heiteren Episode über eine unfreiwillig im Maisfeld verbrachten Nacht, bei der er am Ende "nichts anderes zu tun hatte als zu sein und das Leben zu genießen". Was bei seinen Ausführungen auch – auf eine wohltuend dezente Art – deutlich wurde: Koch ist fest in seinem Glauben verwurzelt. Seine Grundüberzeugung "Mein Wert hängt nicht von meiner Nützlichkeit ab. So stelle ich mir Gott vor. Er liebt mich, weil ich bin" trägt ihn und gibt ihm Kraft.

Vielleicht kann er nur deshalb auch von einem Leben ohne Handycap träumen. Einblicke in diesen Traum gibt er im Schlusskapitel seines Buches. Da läuft sein Protagonist mit seinen Kindern am Strand entlang und wird von einem früheren Mitpatienten mit der Feststellung "Du warst doch auch mal querschnittsgelähmt" begrüßt.

Wie sehr Koch trotz allem im Hier und Jetzt verwurzelt ist, beweist er tagtäglich. So verwendet er viel Energie für den von ihm gegründeten Verein "Wir helfen Helfern", engagiert sich ehrenamtlich für andere Betroffene, ist viel auf Tournee und Ensemblemitglied beim Nationaltheater Mannheim.