Die Gegner des Nationalparks Nordschwarzwald machen weiter Front gegen die Pläne der Landesregierung – hier auf einer Wiese bei Baiersbronn. Foto: dpa

Gegengutachten vorgestellt. Schwarzbuch soll Fehler aufdecken. Vorwurf: Landesregierung jongliert mit vielen falschen Zahlen.

Baiersbronn - Rabenschwarz mit ein paar dürren Fichtenskeletten – das Cover eines auf der Homepage der Nationalparkgegner »Unser Nordschwarzwald« dargestellten »Schwarzbuchs Nationalpark Nordschwarzwald« transportiert seine Aussage auch ohne Worte: Ein Nationalpark ist der Tod des Schwarzwalds lautet sie – so könnte man meinen.

»Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Inhalten – (des Gutachtens der Landesregierung) – sehen wir uns durchaus in der Lage, Kretsch-mann, Bonde und Co. ihre wichtigste Argumentationsgrundlage ›Pro Nationalpark‹ zu entziehen. Deshalb werden wir die wesentlichen Teile dieses Gutachtens mit einem von uns erarbeiteten ›Schwarzbuch‹ entlarven«, ist in einem Aufruf zu lesen. Dieser nimmt hinter den Kulissen mehr und mehr Gestalt an. Noch liegt das Schwarzbuch der Öffentlichkeit nicht vor. Doch wesentliche Bestandteile des Gegengutachtens, mit dem die Nationalparkgegner gegen die Landesregierung zu Felde ziehen wollen, sind unserer Zeitung zwischenzeitlich bekannt. Dies lässt einen ersten Eindruck der ins Detail gehenden Arbeit der Nationalparkgegner zu. Sie üben dabei Kritik – sowohl an der grundsätzlichen Ausrichtung des Anfang April vorgelegten Gutachtens von PricewaterhouseCoopers und ö:konzept als auch an vielen Eckpunkten des von der grün-roten Landesregierung in Auftrag gegebenen Werkes.

»Die Gutachter haben Alternativen erst gar nicht untersucht«

Schon die Zielformulierung des offiziellen Gutachtens löst bei den Kritikern Befremden aus. Von Beginn an hätten die Experten den geplanten Park »dogmatisch als alternativlos betrachtet« heißt es dazu. Und weiter: »Ergebnisoffen war die Arbeit der Gutachter daher zu keinem Zeitpunkt.«

Einer der zentralen Vorwürfe darüber hinaus lautet: Die von der Landesregierung genannten Tourismuszahlen sind falsch. Und: Der Nationalpark kostet das Land pro Jahr mindestens 15 Millionen Euro zusätzlich.

Fehler, Irrtümer, irreführende Darstellungen – so überschreiben die Nationalparkgegner ihr Gegengutachten. Maßgeblich daran beteiligt sind der Freudenstädter Nationalparkkritiker Wolfgang Tzschupke, Professor für Forstwissenschaft, der bereits im Frühjahr ein eigenes Gutachten präsentiert hatte, und der ehemalige Forstpräsident Peter Weidenbach aus Bad Liebenzell (Kreis Calw).

Neben dem Vorwurf, dass die Arbeit der für die grün-rote Landesregierung agierenden Gutachter Alternativen erst gar nicht untersucht habe, bemängeln Tzschupke und Weidenbach die im Gutachten dargestellte Tourismusprognose. Diese sei, so ist unter Punkt 6 des noch nicht veröffentlichten Papiers zu lesen, falsch berechnet worden. Tzschupke und Weidenbach stellen fest, die Aussagen der Gutachter zur touristischen Entwicklung des Nordschwarzwalds nach Errichtung des Nationalparks beruhten zum einen auf »spekulativen Szenarien«, zum anderen auf einer »methodisch fehlerhaften Berechnung« der Gesamtbesucherprognosen.

Unterm Strich bedeute dieser angebliche Rechenfehler, dass die angenommene Besucherzahl um eine Million – von 3,053 auf 2,040 Millionen – nach unten korrigiert werden müsse. Auch die aus den Zahlen abgeleiteten Berechnungen, wie erwartete Umsatzzahlen, seien falsch.

»Die Berechnungen sind teilweise völlig unrealistisch«

Die Verfasser des Schwarzbuches bemängeln zudem, dass die Gutachter einen sich seit 2009 abzeichnenden Aufwärtstrend beim Tourismus im Nordschwarzwald »verschweigen« würden. Als Quelle beziehen sich die beiden auf den »Destinationsindex 2012«. Diese These könnte vor allem Touristiker in der Region aufschrecken, die aufgrund der prognostizierten positiven Entwicklung der Tourismuszahlen bislang auf den Nationalpark als Wirtschaftsmotor gesetzt hatten.

Fehler machen die Forstexperten auch bei den im Gutachten genannten Auswirkungen des Nationalparks auf die Forst- und Holzwirtschaft aus. Die Kosten seien zu niedrig veranschlagt, die verwendeten Zahlen »teilweise völlig unrealistisch«. Ein Beispiel: Die Lohnkosten für die Arbeiter veranschlagt das Gutachten mit 30 Euro je Stunde. Im Staatswald lägen die Lohnkosten allerdings bereits bei knapp 37 Euro je Stunde.

»Unrealistisch«, so lautet auch das Fazit der Nationalparkgegner bei den jährlichen Kosten, die das Land nach der Errichtung des Nationalparks berappen muss. Ging Umweltminister Alexander Bonde (Grüne) ursprünglich wohl von jährlichen Mehrkosten für den Landeshaushalt in Höhe von rund sieben Millionen Euro aus, musste dieser Wert bereits nach oben korrigiert werden. 23 Millionen Euro waren aus dem Ministerium als einmalige Investitionskosten für Gebäude veranschlagt worden.

Dass dies zu schlank gerechnet ist, prophezeien Tzschupke und Weidenbach. Sie rechnen allein für die Vorbaumaßnahmen zum Waldumbau mit Aufwendungen in Millionenhöhe. Mindererlöse beziffern sie mit rund drei Millionen Euro, die finanzielle Mehrbelastung für den Landeshaushalt mit »wenigstens 15 bis 20 Millionen Euro« im Jahr.

Die Liste der angeblichen Mängel im 770.000 Euro teuren Gutachten ist lang. So seien beispielsweise »Hoffnungen auf eine größere Biodiversität der sich selbst überlassenen Wälder unbegründet«, werde die große Bedeutung regionaler Kreislaufwirtschaften insbesondere für den Klimaschutz »verkannt«, die »tatsächliche Gefahrenlage« durch den Borkenkäferbefall nicht klar beschrieben – ebenso wenig wie die Beeinträchtigungen für die Auerhuhnpopulation.

Was das Gegengutachten bei der Landesregierung auslösen wird, dahinter steht ein dickes Fragezeichen. Sicher ist: In einer Online-Pressekonferenz soll das Schwarzbuch in den kommenden Wochen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, ist auf der Homepage der Nationalparkgegner zu lesen. Im Nordschwarzwald werden wohl weiterhin die Messer gewetzt, um das Projekt Nationalpark doch noch zu Fall zu bringen.

Ganz anders sieht es im Nachbarlandkreis aus. Die Gebietskulisse des Gesetzentwurfs sieht vor, dass der Nationalpark zu rund zehn Prozent auf Ortenauer Gemarkung liegen soll.

Ortenau-Kreisräte stimmen für Nationalpark

Mit überwältigender Mehrheit gab der Kreistag des Ortenaukreises gestern grünes Licht für den Nationalpark. Lediglich sechs Kreistagsmitglieder sprachen sich gegen das Projekt aus. Allerdings richtete das Gremium einige Forderungen an die Landesregierung: So betonte Landrat Frank Scherer (parteilos), dass insbesondere für die Unterhaltung des Nationalparks »zusätzliche Gelder fließen, bestehende Förderlinien unberührt bleiben müssen«.

Außerdem dürfe der Nationalpark Nordschwarzwald die Existenz bestehender Einrichtungen, wie die des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, nicht gefährden. Im Klosterareal »Allerheiligen« sowie im Bahnhofsbereich in Ottenhöfen sollen nach dem Willen aller Kreistagsfraktionen Nationalpark-Portale eingerichtet werden.