Jürgen Schnurr vom Stadtmuseum in Freudenstadt, Ulrich Notz von der Julius-Euting-Gesellschaft, Gabriele Bohnert vom Stadtmuseum Lahr und die Theologin Régine Hunziker-Rodewald sind die Protagonisten bei der Übergabe der Tasse. Foto: Bieber Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Leihgabe aus Freudenstadt für Lahrer Stadtmuseum

Baiersbronn/Ruhestein/Freudenstadt/Lahr. Lahr ist um eine Attraktion reicher. Für wenige Wochen zumindest. Seit Dienstag und mindestens bis Mitte August werden Besucher des Stadtmuseums eine besondere Kaffeetasse aus dem 19. Jahrhundert bewundern dürfen.

Die Tasse ist eine private Leihgabe aus dem Stadtmuseum Freudenstadt. Julius Euting, Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg, Wissenschaftler und Fachmann für den arabischen Kulturraum, der damals noch nicht sehr erforscht war, hat sie und die dazugehörende Untertasse 1865 bemalt. Die Geschichte rund um die Tasse ist eng mit Lahr verbandelt. Euting, auch als Ruhesteinvater bekannt, soll laut Fachleuten die Tasse aus purer Langeweile, sehnsüchtig auf orientalische Manuskripte aus einer Pariser Bibliothek wartend, bei seinem ältesten Bruder Franz, der in Lahr eine gut laufende Senf- und Essigfabrik führte, bemalt haben. Der 1839 in Stuttgart geborene und 1913 in Straßburg gestorbene Euting begnügte sich freilich nicht damit, die Tasse in Deutsch, Französisch oder Englisch – alle Sprachen beherrschte er nahezu perfekt – zu bemalen. Nein, der Orientalist beschriftete sie in mandäischer Handschrift, die sich Euting aneignete auf seinen diversen Reisen in den heutigen Nahen Osten. Die Mandäer sind eine alte monotheistische Religionsgemeinschaft, manche sagen eine christliche Sekte, mit heute etwa 100 000 Anhängern, die hauptsächlich in Irak und Iran leben. "Damals war der Orient kaum wissenschaftlich erschlossen, die Reisen dorthin waren gefährlich.

Euting und ein Kollege waren mit ihrer Reise 1883 unter den ersten Europäern, die Arabien besuchten. Sein Kollege starb bei der Exkursion", so die Straßburger Theologin Régine Hunziker-Rodewald. Die Professorin der Universität Straßburg war wie andere Fachleute im Lahrer Stadtmuseum bei der Übergabe der historischen Tasse dabei.

Auf der Tasse hat Euting, der diese Woche seinen 179. Geburtstag gefeiert hätte, eine Kaffeekantate skizziert. "Es ist ein Dialog zwischen einem Kaffee und seinem Genießer", sagt Hunziker-Rodewald. Der Kaffee stehe dabei für eine Frau. Ihn oder sie kann man nur genießen, daher muss der Genießer ein Mann sein. Auch, wenn diese Vorstellung heute veraltet ist, ist der Dialog, den Euting abwechselnd in Deutsch, Mandäisch und Arabisch verfasste, lesenswert. An einer kleinen Tafel steht für alle, die des Mandäischen und Arabischen nicht mächtig sind, eine deutsche Übersetzung. Gabriele Bohnert vom Lahrer Stadtmuseum gestand, dass sie Julius Euting lange Zeit nicht kannte, ihn jetzt aber in Sonderführungen allen Besuchern näherbringen wolle. Schließlich ist Eutings Tasse ein "Highlight für das Museum".