Für die Umsetzung der Inklusion brauche es im Land mindestens 3500 zusätzliche Lehrerstellen, fordern die Personalräte. Foto: Hollemann

Bei Tagung in Bad Liebenzell machen Personalräte im Schulamtsbezirk ihrem Ärger Luft. "Versorgung ist katastrophal."

Bad Liebenzell - Die Lehrer in Baden-Württemberg sind sauer – stocksauer. "Die Unterrichtsversorgung in unserem Land ist katastrophal", sagt Eva Schaufelberger, Personalrätin und Team-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Der seit Jahren grassierende Lehrermangel führe nicht zuletzt zu massiven Problemen bei der Inklusion – der Integration von Behinderten in normale Schulen – sowie zu schwerer Überlastung des bestehenden Lehrerpersonals. Auch für das nächste Schuljahr sei Unterrichtsausfall nicht abzuwenden. Aber am Schlimmsten: Besserung sei nicht in Sicht. Es dauere Jahre, bis zusätzliche Lehrer ausgebildet sind.

Massive Vorwürfe richtete die Lehrerin an die Landesregierung: Ausgerechnet in der Zeit voller Kassen werde an den Schulen weiter geknausert. "Das Finanzministerium bestimmt, wie viele Lehrer eingestellt werden – und nicht das Bildungsministerium", sagt sie nach einer Sitzung von rund 240 Personalräten aus dem Bereich des Schulamts Pforzheim.

Problem Nummer eins: Inklusion. "Zwei Jahre Inklusion – wir müssen reden", hießt denn das Motto der Versammlung in Bad Liebenzell. Vor zwei Jahren sei die Integration Behinderter an normalen Schulen zum Gesetz erhoben worden, 4000 zusätzliche Lehrerstellen habe die GEW seinerzeit für das Land gefordert, um die anfallende Mehrbelastung der Pädagogen auszugleichen – lediglich 1300 habe die Landesregierung damals bewilligt. Fazit der Personalräte in Bad Liebenzell: "Mindestens 3500 zusätzliche Lehrerstellen sind notwendig, damit die Inklusion läuft", so Schaufelberger.

Auch im nächsten Schuljahr dürfte es daher wieder zu reichlich Unterrichtsausfällen kommen. "Das stimmt nicht gerade hoffnungsvoll", klagt Schaufelberger. Besonders betroffen seien Grundschulen und Sonderschulen. "Die Aussichten auf das nächste Schuljahr sind noch düsterer."

Dennoch, die Furcht mancher Eltern, dass ihre nicht-behinderten Grundschulkinder bei der Inklusion benachteiligt würden, hält die Expertin Claudia Hübscher-Stern für übertrieben. "Die Sorge, dass ihre Kinder es dann nicht mehr ins Gymnasium schaffen, ist unberechtigt – solange die Grundschule gut ausgestattet ist", meint die Expertin vom GEW-Arbeitskreis Inklusion. Im Gegenteil: Wenn es genügend Lehrer gäbe und die Schulen auch sonst entsprechend vorbereitet würden – dann könnte Inklusion für beide Seiten Gewinn bringen. "Die nicht-behinderten Schüler übernehmen Vorbildfunktion und spornen die Behinderten zu höheren Leistungen an", meint Hübscher-Stern. Die Nicht-Behinderten würden dadurch in Sozialverhalten geschult – was in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger werde.

Problem Nummer zwei: Der anhaltende Personalmangel, vor allem an Grundschulen, führe immer mehr dazu, dass Nicht-Pädagogen als Vertretungskräfte für Lehrer eingesetzt werden. Viele Vertretungskräfte, die lediglich befristete Verträge erhielten, seien zuvor etwa "Sozialarbeiter, Arzthelferinnen oder Archivare" gewesen, so Schaufelberger, also ohne pädagogische Bildung oder Vorbildung. Und ausgerechnet diese Kräfte würden vornehmlich bei der Betreuung von Flüchtlings- und Migrationskindern eingesetzt – bei Schülern also, die gerade besondere pädagogische Zuwendung bräuchten.

Mindestens 130 solcher befristeter Stellen werde es auch im nächsten Schuljahr geben. "Die Vertretungskräfte werden zum letzten Tag des Schuljahres entlassen", klagt Claus Bergler, GEW-Personalrat aus Pforzheim. Ob sie wieder eine Stelle kriegen, ist dann so eine Art Glücksspiel." Mitunter würden die Vertretungskräfte erst am Ende der Sommerferien erfahren, ob sie weiterarbeiten dürfen.