Bereits seit Mitte 2020 fordern die Bürgerinitiative "Weniger Verkehrslärm – Weniger Verkehrsgefährdung" und die Interessensgemeinschaft Althof Tempo 30 für die Ortsteile Neusatz und Althof. Foto: Kugel

Wie geht es jetzt in Sachen Lärmreduzierung weiter? Das soll der Bad Herrenalber Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwoch, 25. Mai, klären. Dabei spielt die Stellungnahme des Landratsamtes zu möglichen Geschwindigkeitsbegrenzungen eine Rolle.

Bad Herrenalb - Beim Tagesordnungspunkt "Lärmreduzierung in Bad Herrenalb und Ortsteilen" informiert die Stadtverwaltung: "Immer wieder weisen Einwohner auf den durch den Straßenverkehr verursachten hohen Lärmpegel hin und wünschen die Einrichtung einer dauerhaften Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometer pro Stunde (km/h)".

Des Weiteren bestehe die Sorge eines erhöhten Gefährdungspotenzials für Anwohner der Kreisstraßen durch zu schnell fahrende Fahrzeuge. "Es wurde punktuell auf Antrag von Bürgerinitiativen ebenso über Fußgängerüberwege mit dem Landratsamt beraten", heißt es weiter.

Gemeinsamer Vor-Ort-Termin

Das Landratsamt als zuständige Behörde für die Kreisstraßen sei zu einer Stellungnahme gebeten worden, nachdem bei einem gemeinsamen Vor-Ort-Termin mehrere neuralgischen Punkte (Moosbronner Straße, Bernbacher Straße, Mönchstraße, Uhlandstraße, Calwer Straße, Neuenbürger Straße) in Augenschein genommen worden seien.

Auch die rechtlichen Sachverhalte seien durch die Kreisbehörde ausführlich geprüft worden. "Neben den explizit besuchten Straßen gibt es auch immer wieder Beschwerden aus anderen Örtlichkeiten, so zum Beispiel aus der Gernsbacher Straße, der Gaistalstraße oder der Dobler Straße im Bereich oberhalb der Evangelischen Akademie", heißt es weiter.

Konkrete Gefahrenlage

Zum Thema Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h verweise das Landratsamt auf einige Kriterien. Unter anderem wird festgestellt: Für Verkehrsbeschränkungen und -verbote müsse in der Regel eine konkrete Gefahrenlage vorhanden sein, "die im Einzelfall begutachtet werden muss". Die pauschale Angabe der Gefährlichkeit sei als Begründung hierfür nicht ausreichend. "Die Verkehrsbelastungen in Bad Herrenalb und Stadtteilen rechtfertigen dies, wie übrigens an keiner Stelle im Landkreis, ebenfalls nicht."

Für die Prüfung, ob eine erheblich über dem Durchschnitt liegende Gefahrenlage bestehe, seien Lärmberechnungen vorzunehmen, die stets nach den Vorgaben der Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Straßen – "RLS-90" – erfolgen müssten. "Die Ermittlung von Lärmpegeln anhand von Messungen ist hierfür nicht ausreichend", klärt die Verwaltung auf.

Der DTV (durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) löse bei einer Verkehrsmenge von 8200 Fahrzeugen eine Kartierungspflicht aus. Der DTV für die geforderten klassifizierten Straßen liege wesentlich darunter.

Freiwilliger Lärmaktionsplan

"Es musste daher auch keine Lärmaktionsplanung aufgestellt werden", erklärt die Verwaltung. Zählwerte (zum Beispiel mittels SDR-Display) dürften nicht zugrunde gelegt werden. Sollten sich bei einer Lärmberechnung nach "RLS-90" im Rahmen einer freiwilligen Lärmaktionsplanung Lärmwertüberschreitungen von 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts mit einer großen Anzahl Lärmbetroffener bestätigen, "wären damit Lärmbetroffenheiten vorhanden, die der Straßenverkehrsbehörde das Anordnungsermessen eröffnen und nach einer rechtsfehlerfreien Abwägung Grundlage für verkehrsrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise auch einer Geschwindigkeitsbeschränkung aus Lärmschutzgründen sein können". Dabei sei vorab zu prüfen, ob eine Lärmminderung vorrangig auch durch andere Maßnahmen – zum Beispiel Schallschutzmaßnahmen oder Einbau eines lärmmindernden Fahrbahnbelags – erreicht werden könne. Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen bedürften zudem der Zustimmung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe. Die Entscheidung, ob ein freiwilliger Lärmaktionsplan erstellt werde, würden die Kommunen in eigener Planungshoheit treffen.

Hier der DTV für die klassifizierten Straßen:

2005 – Moosbronner Straße/K4331 in Althof (Jahr 2020)

3290 bis 4190 – Bernbacher Straße/K4331 (je nach Messstelle im Jahr 2020)

1691 – Mönchstraße/K4331 in Rotensol (Jahr 2020)

1691 Uhlandstraße/K4331 in Neusatz (Jahr 2020). Im Jahr 2012 hat der DTV 1821 betragen

1691 Calwer Straße/K4331 in Neusatz (Jahr 2020)

 1315 Neuenbürger Straße/K4330 in Neusatz (Jahr 2013)

Lücken im Verkehr

Zu weiteren Themen nehme das Landratsamt Calw wie folgt Stellung:

Moosbronner Straße, Althof: "Fußgängerüberwege sollten in der Regel nur angelegt werden, wenn es erforderlich ist, dem Fußgänger Vorrang zu geben, weil er sonst nicht sicher über die Straße kommt. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn es die Fahrzeugstärke zulässt und es das Fußgängeraufkommen nötig macht. Bei einem Fußgängeraufkommen hauptsächlich im Bereich der Moosbronner Straße 20 wäre der Fußgängerüberweg nicht in der Gehrichtung der Fußgänger. Bei einem durchschnittlichen Tagesverkehrsaufkommen von 2005 Kfz in der Moosbronner Straße/K4331 bestehen so viele Lücken im Verkehr, dass es möglich ist, die Fahrbahn ohne Querungshilfe sicher zu queren."

Ausreichende Sicht

Bernbacher Straße, Kullenmühle: "Es wurde eine Geschwindigkeitsreduzierung im Bereich des Übergangs zum Graf-Rhena-Weg beantragt. Hierzu erhielten wir folgende Anmerkung: In Fahrtrichtung Bernbach ist zum Flurstück 454/1 das Verkehrszeichen 133 – Achtung Fußgänger – ortsfest angebracht. Dieses Verkehrszeichen weist auf Fußgänger hin, die sich hier in erhöhter Anzahl befinden können. Das Verkehrszeichen mahnt zu erhöhter Aufmerksamkeit und insbesondere zur Verringerung der Geschwindigkeit. Anzumerken ist, dass bis zur Ortsendetafel die Höchstgeschwindigkeit 40 km/h beträgt."

Es dürften vor dem Beginn geschlossener Ortschaften Geschwindigkeitsbeschränkungen zur stufenweisen Anpassung an die innerorts zulässige Geschwindigkeit nur angeordnet werden, wenn die Ortstafel nicht rechtzeitig, im Regelfall auf eine Entfernung von mindestens 100 Meter, erkennbar sei. Es bestehe ausreichende Sicht an dieser Stelle.

Zur Beantragung eines Fußgängerüberweges teile das Landratsamt mit: "Die Querung durch Fußgänger ist im Bereich der Busbucht sowie der Fahrbahnhaltestelle am Brückenbauwerk unter Beachtung des Verkehrs möglich. Aufgrund und wegen der sehr schlechten Erkennbarkeit des Fußgängerüberwegs an dem Streckenabschnitt der K 4331, auf Höhe der einzigen Möglichkeit zur Anlage eines Fußgängerüberweges, konnte im vorgeschriebenen und vorausgegangen Anhörungsverfahren keine Zustimmung erteilt werden."

Barrierefreie Bushaltestelle

Mönchstraße, Rotensol: "Am Ortseingang, aus Fahrtrichtung Neusatz kommend/Höhe Mönchstraße 85, bestehen Bushaltestellen. Des Weiteren wird in naher Zukunft ein Kindergarten hinter den Sportanlagen in der Mönchstraße 55 eröffnet. Es kommen vereinzelt Anfragen bezüglich einer Geschwindigkeitsreduzierung aus der Bürgerschaft. Zudem wird eine Stelle kurz vor Rotensol aus Bad Herrenalb kommend angesprochen. Es handelt sich um eine Querung für Wanderer (Höhenrundweg) und Reiter, mit der Bitte um Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h."

Bei der Ortstafel sei die Sichtweite von Neusatz kommend gegeben. Vor Rotensol aus Bad Herrenalb kommend scheide insofern die beantragte Versetzung des 70-km/h-Zeichens aus. "Im Jahr 2022 sollen die Bushaltestellen barrierefrei umgebaut werden. Dadurch hält der Bus nicht mehr in der Haltebucht, sondern auf der Straße. Dies trägt erfahrungsgemäß als Nebeneffekt zur Geschwindigkeitsreduzierung bei."

Eigene Planungshoheit

Uhlandstraße, Calwer Straße, Neuenbürger Straße, Neusatz: "Eine Bürgerinitiative führte Lärmmessungen durch, um die Notwendigkeit einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h zu untermauern. Das Landratsamt Calw meine hierzu: ›...können Maßnahmen aus Lärmschutzgründen nur aufgrund eines Lärmaktionsplanes, das heißt auf entsprechenden Berechnungsergebnissen (nicht aus privaten Lärmmessungen) nach vorgeschriebener Methode aus einem Lärmgutachten in Betracht gezogen werden. Verkehrseinschränkungen aufgrund Lärmschutzgründen können nur dann in Betracht kommen, sofern die Stadt Bad Herrenalb freiwillig einen Lärmaktionsplan in Auftrag gibt und sich hieraus Handlungsbedarf ergibt. Die Entscheidung, ob und wie hier vorgegangen werden soll, trifft die Stadt Bad Herrenalb in eigener Planungshoheit."

Die Erstellung eines Lärmaktionsplans sei in der Stellungnahme zwar erwähnt worden, "jedoch gab das Landratsamt gleichzeitig eine klare Ansage mit, dass das Verkehrsaufkommen viel zu gering sei, um aus einem Lärmaktionsplan einen Handlungsbedarf herzuleiten. Daher kommt diese kostenintensive Möglichkeit ohne jegliche Aussicht auf Erfolg gleichermaßen nicht infrage".

Das Landratsamt weise mit der abgegebenen Stellungnahme letztlich darauf hin, dass die in Erwägung gezogenen Geschwindigkeitsreduzierungen auf 30 km/h keine Rechtsgrundlage hätten.

Weitere Investitionen

Gleichwohl seien die Anliegen der Bürger zu Lärm und Geschwindigkeitsreduzierung berechtigt. Um jedoch Erfolge für eine Lärmminderung zu erreichen, müsste einerseits die Stadt Bad Herrenalb selbst weitere Investitionen in die Wege leiten und gleichermaßen das Landratsamt sowie das Land Baden-Württemberg aufgefordert werden, tätig zu werden.

Hierzu schlägt die Verwaltung Folgendes vor:

- Aufforderung des Landratsamtes zum Aufbringen eines Flüsterbelags auf Kreisstraßen, sobald Sanierungen anstehen

- Investition in weitere Geschwindigkeitsdisplays, um dauerhaft auf die gefahrene Geschwindigkeit hinzuweisen (drei Stück, circa 10 000 Euro)

- Anschaffung von Geräten zur Erfassung des Lautstärkepegels, um auf den verursachten Lärm hinzuweisen und zu einem angepassten Fahrverhalten anzuregen (zwei Stück, rund 30 000 Euro)

- Beitritt der Stadt Bad Herrenalb zur "Initiative Motorradlärm"

- Aufstellen von Schildern "Leise fahren" des ADAC (circa 1000 Euro)

- Die städtischen Investitionen sollen in die Haushaltsplanung 2023 aufgenommen werden

- Appell an die Politik zur Änderung der Straßenverkehrsordnung für unbürokratischere Abläufe. Derzeit ist die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Kreisstraßen offensichtlich mit großen Hürden versehen. Die Stadtverwaltung appelliert daher an Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, zum Wohl der Bürger eine Errichtung von Geschwindigkeitsreduzierungen auf 30 oder 40 km/h auf Kreisstraßen voranzubringen.