Wasserversorgungs-, Kanal- und Klärbeitrag – schon in den 1980er-Jahren wurde die Stadt Bad Herrenalb darauf hingewiesen, das Beitragswesen zu überarbeiten.                      Foto: Kugel Foto: Schwarzwälder-Bote

Beitragswesen: Stellungnahme zu Bescheid des Landratsamts Calw

Von Markus Kugel

Das Thema Beitragswesen sorgt in Bad Herrenalb schon seit Jahren für Diskussionsstoff. Jetzt gibt es eine Stellungnahme zu einem Abwasserbeitragsbescheid vom August 2013 sowie dem dazugehörigen Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Calw vom 17. Februar.

Bad Herrenalb. Dietrich Kuntz wohnt in Blumberg. Wie berichtet, arbeitete er sich in Sachen Beitragswesen vor langer Zeit ein. Genauer: Angefangen hat er bereits vor rund 30 Jahren. "Bei Beitrags- und Gebührenfragen habe ich mehrfach die Rechtsprechung gekippt", so der engagierte Blumberger Ex-Stadtrat. Mit großem Interesse verfolgt er die Vorgänge in Bad Herrenalb.

Für einen Grundstückseigentümer wurde ein Abwasserbeitrag, der sich aus Teilbeiträgen für den öffentlichen Abwasserkanal und den mechanischen und biologischen Teil des Klärwerks zusammensetzt, in Höhe von knapp 7400 Euro festgesetzt. Er legte daraufhin beim Landratsamt Calw Widerspruch ein. Seine Rechtsanwaltskanzlei begründete diesen so: Ihrem Mandanten seien von der Stadt im Hinblick auf die Abwassersatzung aus dem Jahre 1984 Auskünfte verweigert worden. Das erschwere ihm, seine Rechte zu verfolgen.

Wie nun Kuntz in seiner Stellungnahme zum aktuellen Fall mitteilt, hab es zwei Jahre und sechs Monate gedauert bis sich die Behörden zu einer Widerspruchsentscheidung durchgerungen hätten.

Vertrauensschutz

Weiter führt er aus: Das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe habe im März 2013 bei einem Fall in Bayern und im November 2015 in Brandenburg zugunsten der Bürger entschieden. Danach komme es bei der Beitragserhebung nicht darauf an, ob frühere Satzungen im rechtlichen Sinne wirksam oder unwirksam seien.

Das Bundesverfassungsgericht habe den Betroffenen Vertrauensschutz in die Wirksamkeit aller früheren Satzungen zuerkannt. Damit dürfte die seit Jahrzehnten anderslautende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim gekippt sein. Die Abwasserbeitragsbescheide in den sogenannten Altfällen seien alle rechtswidrig.

Vermeintliche Auffassung

Kunz bemerkt: "Das Landratsamt Calw und mit ihm die Stadtverwaltung Bad Herrenalb akzeptieren die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht. Sie stützen sich auf eine vermeintliche Auffassung des Innenministeriums Baden-Württemberg." Danach würde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in Bayern beziehungsweise in Brandenburg unmittelbar wirken. Dabei habe die Stadtverwaltung Bad Herrenalb, abweichend hiervon, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits akzeptiert, nach der in Fällen von mehr als 30 Jahre zurückliegender Anschlussmöglichkeit an die Abwasserbeseitigung Beiträge nicht mehr erhoben werden könnten. In diesen Fällen seien Beitragsbescheide zurückgenommen worden.

Seitens der Stadtverwaltung Bad Herrenalb werde an den Abwasserbeitragsbescheiden in den Fällen festgehalten, in denen die Möglichkeit des Anschlusses an die Abwasserbeseitigung bis zu 30 Jahre zurückliege. Das bedeute: "Die Stadtverwaltung verfährt unter den Augen und mit Hilfe der Rechtsaufsichtsbehörden hinsichtlich der Akzeptanz höchstrichterlicher Rechtsprechung widersprüchlich" und dränge daher die Betroffenen zur Klage und zum Kostenrisiko.

Zur ehemals von der Stadtverwaltung in Aussicht gestellten Kostenübernahme für ein Musterverfahren sei die erbetene Auskunft nicht erteilt worden, so Kunz.

Zur Frage der Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in Baden-Württemberg verweist er auf das Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 14. April 2015. Danach sei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Baden-Württemberg maßgeblich.

Weiter sei darauf zu verweisen, dass die Stadtverwaltung Bad Herrenalb die Abwassergebührenbescheide vom 23. Juni 2010, 30. Juni 2011 und 21 . Juni 2012 in der Gesamtstadt (mehrere Tausend Gebührenbescheide) wissentlich auf nichtige Gebührensatzregelungen gestützt habe. Kunz abschließend: "Eine solche Vorgehensweise als zulässig zu betrachten stellt die Stadtverwaltung in Beitragsfragen in Abrede und verhält sich daher auch insoweit widersprüchlich zum Nachteil der Betroffenen."

Externe Berater

Wie gestern Bad Herrenalbs Bürgermeister Norbert Mai auf Anfrage sagte, habe die Stadt das Beitragswesen unter Führung externer Berater aufgearbeitet. "Ich gehe davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat", stellte der Rathauschef fest. Jeder Grundstückseigentümer habe im Übrigen die Möglichkeit, gegen den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage zu erheben.