Die Akteure sorgen dafür, das kein Auge trocken bleibt. Foto: Kunert

 "Ein Sack voll Abenteuer". Derbe Posse lässt das Ensemble zu Höchstleistungen auflaufen.

Bad Herrenalb - Premierenabend zum Sommernachtstheater in Bad Herrenalb: "Ein Sack voll Abenteuer", heißt die Posse, die Autor Horst Sieger aus Johann Nestroys "Einen Jux will er sich machen" gebaut hat. Und die Regisseur Bodo Kälber mit seinem Ensemble als turbulentes Lustspiel auf die Bühne bringt.

Um es vorweg zu nehmen: Das Premierenpublikum tobte am Ende vor Begeisterung, klatschte sich die Hände wund und brachte mit trampelnden Füßen die Holzdielen im Sparkassen-Zelt lautstark zum Vibrieren. Wobei unter anderem Regisseur Kälber besonders lauten Applaus erntete, der als schnorriger, überwiegend französisch "schwätzender" Oberkellner Emil ("Jean-Baptist Emil" in hochtrabender Betonung) auch selbst hohes komödiantisches Talent als Schauspieler bewies.

Fast familiäre Atmosphäre

Doch der Reihe nach: Den Auftakt des Theaterabends bei idealem Wetter (sonnig, trocken, nicht zu warm) bildete der Empfang der Stadt Bad Herrenalb im Kurhaus für die geladenen Premierengäste aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Vereinen und Institutionen. Kein steifer, überfeiner Empfang – es herrschte eine ungezwungene, fast familiäre Atmosphäre, als Bürgermeister Norbert Mai als Gastgeber die knapp 120 Honoratioren kurzerhand wegen des tollen Sommerabends draußen auf der Terrasse des Kurhauses begrüßte.

"Kultur ist ein Stück Lebensqualität", bedankte sich Mai bei seinen Stadträten, die mit Freigabe der finanziellen Mittel den diesjährigen Kultursommer samt Sommernachtstheater ermöglicht hatten. Er berichtete stolz, dass schon fast 700 Dauerkarten dafür verkauft worden seien – "eine wirklich enorme Zahl für eine so kleine Stadt".

Und dann ging es gemeinsam hinüber zum Theater-Zelt, wo der sprichwörtliche rote Teppich für die Premierengäste "grün" ist; wie als Omen für das immer noch irgendwie im lindgrünen Gartenschau-Taumel befindliche Bad Herrenalb.

Drinnen im Zelt: "echte" Theater-Atmosphäre mit einer weiten Bühne und bequemen, brokat-roten Theater-Stühlen – die man auch braucht, denn am Ende wird die Aufführung (mit Pause) rund drei Stunden plus minutenlangem Schlussapplaus in Anspruch nehmen. Wirklich gute Stühle in einem (Fest-)Zelt sind da eine willkommene Wohltat. Kompliment also an Touristik-Chefin Nina Schäfer, die die Stühle ausgesucht hatte. Und auch die Begrüßung der jetzt rund 300 Gäste im Zelt übernimmt.

Dann geht es los. Mit einem Monolog von Sabrina Samer als "Stefanie Eichenbaum", die sich gierig einen reichen Gewürzhändler als Ehemann angeln will. Womit wir eben diesen Gewürzhändler Zacharias Zangler (Christian Romoser; wirklich perfekt besetzt!) kennenlernen: Wie das alte "Brummi-Maskottchen" rollt er mit seinem Mörder-Bauch gestenreich über die Bühne und ist schon bei jedem Hingucken ein echter Lacher. Überhaupt – das zeichnet eine Posse aus: der Schwank ist zuweilen derbe, herrlich überspielt in jeder Rolle, mit grob überzeichneten Stereotypen, dass es jede Sekunde schier eine Wucht ist, dem Treiben in den übrigens vom Ensemble selbst gebauten Kulissen zu folgen.

Aberwitzige verbale Missverständnisse

Was fehlt, sind die possentypischen Musikstücke und Couplets, die sich in der historischen Vorlage als erklärender Gesang immer direkt ans Publikum wandten (und Nestroys Ursprungswerk so zu einem der erfolgreichsten Stücke des Wiener Volkstheaters machten). Bei Sieger und Kälber wenden sich die Akteure zuweilen eben mit ihren Monologen ans Publikum, binden es so geschickt mit ins Stück ein und machen es zu Verbündeten der Protagonisten. Wobei die Spiellust des Ensembles auch so dafür sorgte, dass ihm die Zuschauer restlos begeistert zu Füßen lagen.

"Heulsuse" Marie (Theresa Lienen) zum Beispiel, die sich als einer der "Running Gags" des Abends durch jeden der vier Aufzüge (Szenen) des Stücks plärrte – was eigentlich sehr anstrengend ist als Theaterfach, aber in der steten Wiederholung auch urkomisch.

Oder Birgit Kersten, die als gute Seele des Hauses in gleich zwei Rollen ("Gertrud"/"Berta") dem schwäbischen Grundton der Texte zum Beispiel reinsten hamburgischen Slang entgegensetzte – ein Hort aberwitziger verbaler Missverständnisse, zum allergrößten Vergnügen der Zuschauer.

Aber auch Andrea Kälber als Hutverkäuferin Mathilda Taubenherz, die erst einen hinreißenden Theater-Kuss mit dem "Bieberle" (Knecht des Gewürzhändlers; gespielt von Eva-Maria Weiß) tauschen durfte, und dann – voll wie eine Haubitze – ein hinreißendes Brüll-Solo als besoffene Alte hinlegte.

Es wird jetzt wohl klar, dass es wirklich richtig derbe bei diesem Stück zugeht. Weshalb wirklich kein Auge trocken bleibt.

In weiteren Rollen: Steffen Reimann als August Sonders (zunehmend genervter Liebhaber der Heulsuse Maria), Martin Menne als Florian Weinlaub (die heimliche Hauptrolle des Stücks), Otmar Bumb als Hausdiener Melchior (ein echter Schlawiner), Sonia Pfannschmidt als Verena von Fischer (die sich im Stück auf kuriose Weise den Weinlaub als Gatten sichert), Walter Wolf als Kutscher (der mit falschem Eifer für die notwendige Verwirrung im Stück sorgt) und Julia Zängl als Lydia Blumenblatt, die als "ätherische Jungfer" am Ende aus dem wilden Tohuwabohu das zwangsläufige dreifache Happy End der Akteure baut. Wie? Selber schauen. Weitere Aufführungen gibt es dafür in den nächsten Tagen noch.