Jubiläum: 50 Jahre Fahrzeug Museum in Marxzell / Sammelleidenschaft der Familie Reichert

Nur wenige Kilometer von Bad Herrenalb entfernt liegt im Albtal auf halber Strecke nach Karlsruhe das Fahrzeugmuseum in Marxzell. Das von den Brüdern Wolfgang und Hubert Reichert geführte Museum zählt zu einem der größten deutschen Technikmuseen in Privatbesitz und feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen.

Marxzell. In einem alten Sägewerk beherbergt die auf 3600 Quadratmeter Fläche untergebrachte Sammlung eine Auswahl an Objekten, die es ohne die Sammelleidenschaft der Familie Reichert nie in ein Museum geschafft hätten. Abenteuerlich sind die Geschichten über die Zugänge von fingerhutgroßen Raritäten, rasanten Rennwagen und richtig schweren Rangierfahrzeugen, die millimetergenau platziert heute einen wahren Schatz darstellen. Wer hierher kommt, wird sich wundern.

Bei der liebevoll zusammengetragenen Ansammlung von Raritäten, die sprichwörtlich dabei ist, aus allen Nähten zu platzen, handelt es sich keinesfalls um ein aufgeräumtes Museum.

Jeder Quadratzentimeter wird genutzt, um in dem mittlerweile dreistöckigen Museumsgebäude seltene Dinge auszustellen, aufzubewahren und in Szene zu setzen. Wie die liebenswert dekorierten Schaufensterpuppen, die sowohl als Tourist mit Sonnenbrille, Kind mit Fahrrad oder Hoteljunge beim Einparken eines Oldtimers zu sehen sind.

Insbesondere für Technikbegeisterte zählt das Fahrzeugmuseum zu einer Anlaufstelle. Egal ob Laufrad, Dreirad oder Fahrrad, ob Feuerwehrauto, Oldtimer oder Traktoren – unter Kennern und Liebhabern ist die Adresse im Albtal bekannt, denn hier gibt es Sachen zu sehen und zu bestaunen, die es anderswo nicht mehr gibt.

Zu den Besonderheiten gehört nicht nur die Draisine – ein einspuriges, von Menschenkraft betriebenes Fahrzeug ohne Pedale, das als Urform des heutigen Fahrrads gilt. Auch das Ford T-Modell von 1915 und der Phantom III, ein Rolls-Royce der einst Queen Mary gehörte, sind ebenso sehenswert wie der Citroën Kégresse, von dem es weltweit nur noch drei Stück gibt. Das seltene Halbkettenfahrzeug hat 1931 den Himalaja überquert und wurde von Bernhard Reichert (1920-1984), dem Vater der heutigen Museumsinhaber Wolfgang und Hubert Reichert, in den Vogesen entdeckt. Nach einem Umtrunk in der hauseigenen Käserei des Besitzers erwarb er das Fahrzeug für 300 Franc. In jener Zeit, als viele Vorkriegsfahrzeuge einfach verschrottet wurden, hatte er schon längst den Gedanken gefasst, "Schätze wie diesen für die Nachwelt aufzubewahren".

1968 eröffnete er sein privates Museum in Marxzell nur unweit von der Geburtsstätte des Automobilpioniers Carl Benz in Pfaffenrot entfernt, dessen Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1885 als erstes praxistaugliches Automobil gilt. Da auch seine Frau Klara und seine drei Kinder das Sammelfieber gepackt hatte, wurden Sonntagstouren der Familie zu Erkundungen auf Schrottplätzen umfunktioniert.

329 Motorräder

Im Jubiläumsbuch, das zum 50-jährigen Bestehen des Museums erschienen ist, wird über die tollkühnen Bergungen, gewagten Transporte und zufälligen Entdeckungen von Fahrzeugen berichtet, die heute renoviert und repariert das vielfältige Spektrum des Museums bereichern. Das Museum wuchs – und das Jahr um Jahr.

Sogar in den USA entdeckte Monika, die Schwester der Museumsbrüder, ein ausrangiertes Feuerwehrfahrzeug in Detroid, das nach Bremerhaven verschifft und von dort aus per Leih-Lkw von den Brüdern selbst nach Marxzell abtransportiert wurde.

Binnen fünf Jahrzehnten hat sich damit eine Sammlung von 329 Motorrädern, 250 Oldtimern, 172 Fahrrädern, 105 Traktoren, 21 Feuerwehr-Fahrzeugen, 18 Lkw, elf Kutschen, acht Loks, vier Bahnen, drei Flugzeugen, zwei Panzern, einem Omnibus, einer Bergbahn und einem Hubschrauber ergeben – um nur einmal die "besonders schweren Brocken" zu nennen. Zudem ist eine Sammlung von mehr als 1000 wertvollen und teils großformatigen Emaille-Werbe-Schilder sowie Kfz-Kennzeichen aus aller Herren Länder ebenso wie Kameras, Puppen, Blechdosen, Modellautos und vieles mehr an Wänden, Regalen und in Vitrinen zu bestaunen.

Alte Schmiedewerkzeuge und traditionelle Handwerksgeräte, Nähmaschinen und die fast lückenlose Sammlung von Telefonen und Morsestationen bringen Besucher ins Schwärmen und machen nachdenklich über die Errungenschaften der Technik in unserer heutigen schnelllebigen Zeit. Gut, dass es dann auch Fachleute gibt, die in Ausstellungen wie dem nahegelegenen LA 8 in Baden-Baden interessante Leihgaben aus dem Museum präsentieren. Und damit einem weiteren Kreis an Besuchern dokumentieren, dass es Menschen gibt, die Unikate nicht nur aufbewahren, sondern auch dafür Sorge tragen, diese zu erhalten.

Die beiden leidenschaftlichen Museumsbrüder stecken voller Energie und haben bereits tatkräftige Unterstützung durch die mittlerweile herangewachsene dritte Generation.

Das Museum ist täglich von 14 bis 17 Uhr geöffnet und bietet individuelle Führungen für Gruppen ebenso wie einen Fahrservice mit ausgewählten Oldtimern für Veranstaltungen aller Art.