Für den Baumkundler und Dendrologen Karl-Heinz Kindel bestand das "Wunder" dieses Baumes in seiner exakten Stellung auf dem Torbogen des Paradieses. Fotos: Glaser Foto: Schwarzwälder Bote

"Wunderkiefer": Baum auf Torbogen der Klosterruine

Auf dem östlichen Torbogen der Klosterruine in Bad Herrenalb wächst seit 200 Jahren eine Kiefer (lateinischer Name: Pinus sylvestris). Ihr Geburtsjahr liegt nachweislich zwischen 1820 und 1822. Das weiß man seit 1957.

Bad Herrenalb. Damals hatte man den Stamm des Baumes durchbohrt. Am herausgezogenen Bohrkern ermittelte man anhand der Jahresringe das jährliche Wachstum und das Alter des Baumes. Die Untersuchung, die der damalige Bad Herrenalber Forstmeister Hermann Huchler leitete, ergab: Der Baum wuchs in den ersten Jahrzehnten sehr schnell. Seit mindestens 60 Jahren wächst er aber nicht mehr in die Höhe. Nur der Stammumfang nimmt noch zu.

Wachstum

Die älteste bekannte Fotografie entstand 1898. Damals hatte der Baum in etwa die Höhe des gegenüberliegenden Giebels der Klosterruine. Heute ist die Kiefer nicht wesentlich höher. Aber sie hat einen dickeren Stamm.

Eine Messung im Jahr 1957 ergab einen Stammdurchmesser von 50 Zentimetern. Am 15. Februar 2020 betrug der Durchmesser 61 Zentimeter. In 63 Jahren wuchs der Stammdurchmesser also um elf Zentimeter. Das sind nur 1,75 Millimeter pro Jahr. Dieser sehr geringe Zuwachs ist seinem "Bonsai-Standort" geschuldet.

Kraftlinien

Für den Baumkundler und Dendrologen Karl-Heinz Kindel aus Dobel bestand das "Wunder" dieses Baumes in seiner exakten Stellung auf dem Torbogen des Paradieses. Geomanten erkennen darin einen Kraftort, an dem sich Kraftlinien bündeln. Hydrologen vermuten dort zwei sich kreuzende Wasseradern im Boden.

Von Eheleuten, die auf eine lange und glückliche Ehe zurückblicken, ist zu erfahren, dass sie an ihrem Hochzeitstag zweimal durch den Torbogen gegangen sind. Einmal vor der Trauung und einmal danach.

Die Paare sind überzeugt: Dadurch hat ihre Ehe die Kraft, das Glück und die Liebe bewahrt.

Senkwurzeln

Untersuchungen zur Stammfestigkeit der Kiefer auf der Klosterruine durch Forstmeister Hermann Huchler im Jahr 1956 ergaben, dass der Baum "zwei große, lange Senkwurzeln entlang des Portals sicherlich bis unter den Boden hinunter hat". Die Wurzeln waren (und sind auch heute noch) in Rissen zu sehen, die das Mauerwerk im Torbogen aufsprengen und verschieben. Dass die Wurzeln ihren Weg durch das Mauerwerk finden, erklärt sich durch die Bauweise der Mauer. Sie ist zweischalig gebaut. Das heißt, dass nur an den Außenseiten die Steine sauber behauen und gefugt sind. Den Zwischenraum haben die Steinmetze des Mittelalters mit Bruchsteinen verfüllt und mit Kalkmilch vergossen. In diesem eher losen Gefüge gibt es Hohlräume, durch die sich die Wurzeln einen Weg bahnen konnten.

Sicherheit

Im November 2009 klärten Experten die Fragen, ob die Kiefer auf der Klostermauer sicher steht. Lothar Wessolly aus Stuttgart, Wegbereiter der wissenschaftlichen Baumstatik, hat dazu einen Zugversuch unternommen. Ein Stahlsein wurde im oberen Drittel der Kiefer befestigt und am Fuß der Außenwand der Klosterkirche verankert. Eine Seilwinde zog am Seil mit der Gewichtskraft eines Kleinwagens. Das simulierte Windkräfte aus Richtung Westen. Messgeber am Baum und an Mauerfugen lieferten die folgenden Ergebnisse: "Erst kurz vor dem Erreichen seiner Bruchlast stürzt der Baum um".

Mit Abspannseilen gegen die Hauptwindrichtung Südwest (SW) könnte man erreichen, dass die Kiefer eher abbricht als umkippt. Solche Halteseile wären aber optisch sehr beeinträchtigend, da sie den freien Raum des Paradieses durchziehen würden. Die beiden bestehenden Seile in die entgegengesetzte Richtung haben folgenden Sinn: Wenn der Baum kippt, wird er festgehalten, bevor er am Boden aufschlägt. Das schützt Menschen, die sich auf dem Kirchenvorplatz aufhalten. Während des Orkans "Sabine", Anfang Februar, mit Windgeschwindigkeiten bis zu 177 Kilometer pro Stunde, war zu beobachten, dass diese Halteseile bei Böen aus südlicher Richtung Wirkung zeigten und den Baum festhielten.

Überleben

Kann das botanische Naturwunder Bad Herrenalbs uns überleben? Peter Jordan, Sachverständiger in Baumfragen, sagte unserer Zeitung, dass der Baum noch 100 weitere Jahre leben könne, denn er sei zäh und er wachse sehr langsam. Er rät, ihn unberührt zu lassen. In der Vergangenheit wurden Äste abgeschnitten, um die Windangriffsfläche zu reduzieren. Das müsse in Zukunft unterbleiben, weil der Baum für die natürliche Wundheilung nicht genug Saft habe. "Deshalb überwallen die Schnittflächen nicht. Pilze können dort eindringen und die Lebenszeit erheblich verkürzen", warnt der Experte auf Nachfrage unserer Zeitung.