Diverses Informationsmaterial lag bei der Eröffnung in den Räumen des Autismuszentrums Calw aus. Foto: Buck

Autismus ist nach wie vor eine Krankheit, die noch nicht wirklich in den Köpfen der Menschen bewusst verankert ist. Ebenso auch die Behandlung, vor allem für Kinder und Jugendliche. Der Kreis Calw schafft hier nun mit der Bruderhaudiakonie gemeinsam Abhilfe.

Calw - Die Bischofstraße 54 in Calw ist seit Kurzem eine neue Anlaufstelle für Autisten. Genauer gesagt für Kinder, die an der Krankheit leiden. Denn "eine Beratungs- und Therapieeinrichtung speziell für Kinder und Jugendliche mit einer Störung aus dem Autismus-Spektrum hat bisher in Calw gefehlt", erklärt Markus Neumann von der Bruderhausdiakonie. Genauer gesagt fehlt ein solches Angebot nicht nur in der Hesse-Stadt, sondern de facto im gesamten Kreis Calw. Das wurde nun bei der jüngsten offiziellen Eröffnung der Räume in der Bischofstraße ersichtlich. All das ist in Zusammenarbeit zwischen der Jugendhilfe der Bruderhausdiakonie und dem Landratsamt entstanden.

"Von Anfang an war das Gefühl da, dass es gut werden muss", blickt Bruderhausdiakonie-Regionaldirektor Peter Hauck auf die Anfänge zurück, als man sich gemeinsam mit dem Landkreis auf die Reise machte. Jetzt, nach einem guten Jahr Arbeit, habe man eine Einrichtung, die "klein und fein" sei, erklärt wiederum Neumann. Auch beim Landratsamt habe man "den Bedarf gesehen", meint Ina Gebauer von der Jugendhilfe des Landkreises, dass man bis jetzt kein Angebot für autistische Kinder gehabt habe.

Zwei Therapieräume

In zwei Therapieräumen kann man nun Einzel- oder auch Gruppentherapie betreiben. Das Ziel sei es, die soziale Teilhabe von Kindern mit Autismus zu verbessern, betonen alle Beteiligten. Denn oftmals sei das Problem von Autisten, dass sie mit Gefühlen nicht richtig umgehen könnten, was wiederum zu Missverständnissen mit der Umgebung führt. Was Susanne Olaika, eine der Mitarbeiter im neuen Autismuszentrum erklärt, bringt das Problem beim Autismus auf den Punkt: "Kennst du einen Autist, kennst du einen Autist." Die Ausprägungen sind ganz verschieden – von Asperger-Syndrom bis zum atypischen Autismus gibt es viele Schattierungen der Krankheit. Das könne sich dann auch so äußern, dass man autistischen Jugendlichen den Sinn des Flirtens beibringen müsse, weil sie die Gefühlsregungen von sich selbst und anderen nicht so recht deuten können.

Zeitziel von 90 Minuten

Das Ziel der maximal 90-minütigen Therapiesitzungen ist es, die soziale Teilhabemöglichkeiten der Patienten zu verbessern. 90 Minuten deshalb, weil so lange in der Regel die längsten Schulstunden andauern. Doch bis das erreicht ist, dauert es lange. Allein die Diagnostikphase, also um überhaupt die genaue Art des Autismus herauszufinden, kann bis zu zwölf Sitzungen einnehmen. In Phase zwei wird dann über ein Jahr lang gearbeitet in meist wöchentlichen Sitzungen. Doch hier geht es eher um kleine Schritte: Ein Junge habe beispielsweise ein halbes Jahr gebraucht, bis er an der Hand der Mutter gelaufen sei, berichtet Olaika. "Die Individualplanung ist eher mittelfristig ausgelegt", sagt daher auch Neumann. Aktuell hat das Autismuszentrum zum Start sieben Klienten, bis zu maximal 14 können es am Anfang werden. Perspektivisch, so Neumann, könnten es auch mal 20 bis 25 werden. Dafür plane man bereits voraus, mit der zweiten Welle an Mitarbeitern, die geschult werden. Wie viele betroffene autistische Kinder es im Kreis Calw gibt? "Das weiß keiner", gesteht Neumann ein. Allerdings reiche die Kapazität für den Anfang "auf jeden Fall" aus.

INFO: Was ist Autismus?

Autismus ist eine komplexe und vielgestaltige neurologische Entwicklungsstörung. Häufig bezeichnet man Autismus respektive ein Autismus-Spektrum-Störungen auch als Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltens auswirken. Quelle: Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus