Haushaltsberatungen, Generaldebatte, Euro-Klage in Karlsruhe: Merkels Woche wird turbulent.  

Brüssel/Berlin - Nach der Rettung der insolventen Kaufhaus-Kette Karstadt will Milliardär Nicolas Berggruen nun Europa aus der Krise führen. Dazu rief der deutsch-amerikanische Investor einstige europäische Regierungschefs wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Politiker und Wirtschaftswissenschaftler in seinen Rat für die Zukunft Europas. Die aktuell amtierenden Politiker bräuchten Hilfe, begründete Berggruen seinen Vorstoß am Montag in Brüssel.

Schröder und die restlichen Mitglieder des Gremiums sehen Europa an einem Scheideweg: Entweder rücken die Staaten politisch und wirtschaftlich enger zusammen, oder sie riskieren ein Auseinanderbrechen. "Für uns ist Europa die einzige Lösung", betonen neben Schröder die Ex-Regierungschefs Tony Blair (Großbritannien), Guy Verhofstadt (Belgien) oder Matti Vanhanen (Finnland) in ihrer gemeinsamen Erklärung. Zudem müssten die Staaten künftig gemeinsame Schuldverschreibungen (Euro-Bonds) ausgeben können, was streng kontrolliert werden müsse.

Merkel fürchtet Domino-Effekt

Neue bahnbrechende Ideen haben Schröder und Co. allerdings nicht zu bieten. Dafür unterstützen sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei deren Bestreben, eine europäische Wirtschaftsregierung einzurichten. Schröder wettert gegen die Diskussion, ob das krisengebeutelte Griechenland nicht besser aus der Euro-Währungsunion ausscheiden solle. "Das ist Quatsch, das ist übler Populismus", sagt Schröder. So ein Schritt würde die Gemeinschaftswährung zerstören und sei "jenseits aller ökonomischen Vernunft".

Merkel wies Forderungen auch aus den eigenen Reihen nach einem Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone klar zurück. "Ich glaube, dass wir damit einen Domino-Effekt einleiten könnten, der außerordentlich gefährlich für unser Währungssystem ist" sagte sie in Berlin. Es sei aber wichtig, dass Griechenland seine Reform-Zusagen als Gegenleistung für die Notkredite auch umsetze und einhalte.

Die Kanzlerin rechnet weiter mit einer Mehrheit der schwarz-gelben Koalition bei der Abstimmung des Bundestages über die Stärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF. Die Pläne zur Reform des EFSF werden diese Woche im Bundestag eingebracht, Ende September soll das Parlament darüber abstimmen. Die Euro-Hilfen und die Griechenland-Probleme beherrschen auch die an diesem Dienstag beginnenden Haushaltsberatungen des Bundestages.

Auszahlung der nächsten Milliarden-Kredittranche offen

Auszahlung der nächsten Milliarden-Kredittranche offen

Sie dürften auch die Generaldebatte an diesem Mittwoch dominieren, in der Koalition und Opposition über den Regierungskurs streiten. Zusätzliche Brisanz ist zu erwarten, wenn am Mittwoch auch das Bundesverfassungsgericht über die bisherigen Griechenland- und Euro-Hilfen entscheidet. Es wird erwartet, dass die Karlsruher Richter weitere Vorgaben zur Parlamentsbeteiligung machen.

Die Auszahlung der nächsten Milliarden-Kredittranche an Griechenland ist offen, nachdem die Prüfer der "Troika" aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vorzeitig aus Athen abgereist waren.

Wegen bisher nicht eingehaltener Zusagen der griechischen Regierung wächst bei Union und FDP der Unmut. Auch die Kläger gegen die Beteiligung Deutschlands an den bisherigen Rettungshilfen - die vier Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty und Ex-Thyssen-Chef Dieter Spethmann - plädieren für einen raschen Austritt Griechenlands.

Schrumpfkur für Währungsunion

Um den Euro insgesamt zu retten, brauche die Währungsunion eine Schrumpfkur. Übrig bleibe am Ende eine starke Euro-Kerngruppe. Hankel sagte, die Karlsruher Kläger seien die einzige Opposition gegen die verfehlte Euro-Politik. "Es geht darum, ob Europa ein Bund unabhängiger europäischer Staaten bleibt oder eine 'Sowjetunion light' wird mit Kommissaren und Räten." Nölling kritisierte, es gebe keine Perspektive für eine Rückzahlung der Hilfskredite.

Der EFSF soll neue Instrumente erhalten und mit einem auf 780 Milliarden Euro aufgestockten Garantierahmen schlagkräftiger werden. Deutschland schultert davon 211 Milliarden Euro - notfalls bis zu 253 Milliarden Euro, wenn ein anderes klammes Euro-Land als Bürge ausfällt. Über ein zweites Griechenland-Paket wird später abgestimmt.