Die Suche ist schwieriger als sie aussieht: Teilnehmer des vom Landesamt für Denkmalpflege angebotenen Sondenlehrgangs. Foto:  

Das Interesse an einer Ausbildung für Sondengänger durch das Landesamt für Denkmalpflege ist so groß, dass die Warteliste geschlossen wurde. Zu Besuch mit Metallsonden-Neulingen auf einem Acker, der später ein Gewerbegebiet werden soll.

Seelenruhig sind 15 Sondengängerinnen und -gänger auf einem frei einsehbaren Feld in der Nähe von Freudenstadt mit der für Raubgräber typischen Ausrüstung zugange: Mit Metallsonden suchen sie einen Acker ab. Sie suchen nicht einmal das Weite, als sich zwei Polizeifahrzeuge und ein Fahrzeug des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD) der Gruppe nähern.

Müssen sie auch nicht, denn sie „sondeln“, wie es im Jargon heißt, mit behördlicher Genehmigung, werden gerade im Projekt „Qualifikation und Integration von Sondengängern in die Archäologische Denkmalpflege“ ausgebildet. Wer in Baden-Württemberg hingegen unerlaubt „sondelt“ und sich damit unter die Raubgräber einreiht, dem drohen Geldbußen von bis zu 500 000 Euro. Fundunterschlagung kann laut Polizei zudem mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Nach der Warteliste kommt das Gespräch mit der Behörde

Sondeln ist in. Das wird auch an jenem Freitag in der Nähe von Freudenstadt deutlich. Da sind zwei Informatik-Studenten, ein Marketing-Mitarbeiter, ein Kommunikationselektroniker, ein Maler und Stuckateur, ein Einkäufer eines großen Unternehmens, ein emeritierter Professor für Vermessungswesen und beispielsweise die Logopädin, Sprecherin und Künstlerin. Die Sondengänger sind froh, dass sie es von der langen, mittlerweile geschlossenen Warteliste in die Ausbildung geschafft haben. Um überhaupt ins Schulungsprogramm aufgenommen zu werden, mussten die Teilnehmer ein bis zu 45 Minuten dauerndes Gespräch im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen erfolgreich absolvieren.

Zur Ausbildung gehört außerdem die Teilnahme an mindestens drei ganztägigen systematischen Prospektionsmaßnahmen, also die systematische, zerstörungsfreie Suche nach archäologischen Relikten wie auf dem Acker in der Nähe von Freudenstadt, der Besuch eines eineinhalb Tage dauernden theoretischen Teils sowie eine eintägige Schulung beim KMBD. Eineinhalb bis zwei Jahre dauert es meistens, bis der Kurs durchlaufen ist. Im optimalen Fall werden die ausgebildeten Sondengänger vom Landesamt für Denkmalpflege beauftragt. Sprich: Sie dürfen mit Metallsonden legal auf überplanten Flächen suchen, die für das Amt von Interesse sind.

Heute steht die Prospektion von zwei Hektar einer 30 Hektar großen Fläche, die als Gewerbegebiet erschlossen werden soll, an – im Luftbild und bei einer Baggerprospektion wurden Siedlungsreste aus vorrömischer und römischer Epoche festgestellt. Jeder Sondengänger nimmt sich gelbe Fähnchen – damit sollen Funde markiert werden.

Neulinge suchen Siedlungsreste, gefunden werden oft andere Relikte

Die Teilnehmer verteilen sich auf der abgesteckten Fläche, beginnen mit der Suche. Frank erklärt dem Neuling geduldig, dass er die bis zu mehrere Kilogramm schwere Sonde fächerförmig weder zu hoch noch zu nah über der Erde bewegen soll. Und nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell. Die Sonde schlägt an. Auf dem Display steht eine Zahl. Profis schätzen anhand dieses Leitwerts ab, um welches Material es sich handelt. Wobei es auch eine Rolle spielt, wie das entdeckte Objekt im Boden liegt. Jetzt geht es ans Graben. Rund 20 Zentimeter entfernt von der Stelle, an der die Sonde angeschlagen hat, sticht Frank mit der Schaufel ein. Dann geht er in die Knie, sucht mit dem Pinpointer weiter – das ist ein circa 20 Zentimeter langer Stab für die Detailsuche. Maximal 30 Zentimeter tief dürfen die Sondengänger graben, so die Anweisung. Die Spannung steigt. Und tatsächlich gibt die Erde eine Gürtelschnalle frei. Wohl nicht aus der Römerzeit, dafür aber immerhin geschätzte 200 Jahre alt.

Sprenggranate ruft Polizei und KMBD auf den Plan

Die anderen stoßen auf zwei verrottete Münzen, einen Deckel für ein altes Gewicht, eine kunstvoll verzierte Riemenzunge aus Bronze oder Messing wohl aus dem 16. Jahrhundert, wie sie für Gürtel gefertigt wurde, sowie Keramikreste. Zudem auf Bleiplomben, die früher an Säcken angebracht waren und Geschichten über die damaligen Handelswege erzählen können. Ein Sondengänger macht einen Fund der besonderen Art: Er ortet eine 3,7 Zentimeter große deutsche Sprenggranate aus dem Zweiten Weltkrieg. Weshalb die hinzugezogene Polizei den KMBD gerufen hat. Der nimmt die Granate, deren Zünder glücklicherweise weggerottet ist, in seine Obhut, lagert sie in einen Bunker ein, bis sie zerstört wird.

170 „kooperationswillige“ Sondengängerinnen und Sondengänger wurden bisher in Baden-Württemberg ausgebildet. Spezialisten schätzen, dass es in Deutschland 50 000 Sondengänger gibt, die Dunkelziffer, heißt es in der Branche, dürfte deutlich höher sein. Zwar gibt es einmal pro Jahr sogar hoch offiziell eine Meisterschaft in Deutschland, in der zuvor Vergrabenes gesucht wird. Abgesehen davon gehen viele nach Bayern oder ins Ausland, weil die Vorgaben dort nicht so streng sind.

90 Prozent dessen, was die Sondengänger finden, ist Schrott. Im Lehrgang wird beim Arbeiten mit der Sonde deutlich: So leicht, wie sie aussieht, ist die Suche tatsächlich gar nicht. Der Professor, ein Sondengänger-Anfänger, hat zum Üben zu Hause im Garten eine 1 Euro-Münze versteckt. Fast hätte er sie nicht mehr gefunden.