Ein Plakat weist auf die Wahl in der Türkei hin. Während hierzulande viele Türken wählten, reist Derya Türk-Nachbaur nach Ankara. Ihre Mission: Wahlbeobachtung. Foto: dpa/Sven Grundmann

Ihren Status als SPD-Bundestagsabgeordnete hat sich Derya Türk-Nachbaur hart erarbeitet. Jetzt kehrt das „türkische Arbeiterkind“ zurück in die Türkei mit einer besonderen Mission: als Wahlbeobachterin.

Derya Türk-Nachbaur ist eine toughe Businessfrau – im knallroten Blazer tritt sie selbstbewusst in die Öffentlichkeit und mit Nachdruck für ihre Meinung ein. Eine starke Frau, emanzipiert, sich ihrer türkischen Wurzeln aber sehr bewusst.

 

Die Mission, die sie nun in Ankara zu erfüllen hat, dürfte für die Politikerin, die sich selbst oft als türkisches Arbeiterkind beschreibt, daher eine ganz besondere sein.

Derya Türk-Nachbaur hat die Wahlen in der Türkei als Europaratsmitglied ganz besonders scharf im Blick. Foto: photothek.net

„Sie freut sich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe“, sagt ihr Mitarbeiter Ansgar Eichler, als er von der neuen Aufgabe seiner Chefin berichtet. Als Wahlbeobachterin sei sie „bei der so genannten Schicksalswahl“ am Sonntag, 14. Mai, im türkischen Ankara anwesend.

Doch wie kam es überhaupt zu diesem Engagement? Als Mitglied des Europarats darf Türk-Nachbaur an dieser Wahlbeobachtungsmission teilnehmen. Diese Wahlbeobachtungsmissionen in den 46 Mitgliedsländern sei eine der wichtigsten Aufgaben des Europarats, betont die Abgeordnete. Es gehe darum, „dort für freie Wahlen zu sorgen“.

Was genau wird sie tun müssen?

„Alle Prozesse werden sehr genau beobachtet, dokumentiert und nach der Wahl erst ausgewertet“, erklärt sie. Die Europaratsmitglieder machten dabei gemeinsame Sache mit der OSCE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die ebenfalls eine solche Mission durchführe. 40 Mitglieder entsende der Europarat für diese Aufgabe, „die OSCE hat ein paar mehr, um die hundert“.

Für ihre Beurteilung müssen die Beobachter nicht nur die Gegebenheiten am Wahltag im Auge behalten, sondern auch einen Blick auf die Zeit vor die Wahl werfen: Wie ist der Wahlkampf gelaufen, wie fair waren die Voraussetzungen für alle antretenden Parteien oder wie konnten sich die Kandidaten präsentieren? Über all das müssen sich die Wahlbeobachter ein Bild machen. In ihrem Einsatzgebiet Ankara wird Türk-Nachbaur stichprobenartig Wahllokale besuchen, die dafür vorbereitete Checkliste abhaken und darin akribisch alle Besonderheiten notieren. Ihren Bericht erwartet am Sonntagabend die Delegationsleitung vor Ort. „Und am Montagnachmittag gibt es eine Pressekonferenz, wo wir unsere Beobachtungen bei dieser Wahl öffentlich bekanntmachen.“

Blickt Türk-Nachbaur mit Sorge auf die Wahl?

Sie schüttelt den Kopf: „Besorgt, bin ich eigentlich nicht.“ Auch wenn die Verhältnisse in der Türkei autokratische Züge angenommen hätten, sei es nach wie vor eine Demokratie – „und Wahlen können am Wahltag frei stattfinden“. Die türkische Gesellschaft schätzt Türk-Nachbaur als „sehr resilient“ ein. „Ich stehe immer wieder sehr bewundernd davor, wie organisiert die Jugend ist, wie stark die Zivilgesellschaft sich in politische Prozesse einbindet und wie politisch und politisiert überhaupt die ganze Gesellschaft ist“, gesteht Türk-Nachbaur. „Die sind alle bestens organisiert.“

Die Opposition habe eineinhalb Jahre Zeit gehabt, die Wahl und auch die Wahlüberprüfungsmechanismen vorzubereiten. „An dem Tag der Wahl wird es wahrscheinlich keinerlei Manipulationen geben“, schätzt die Sozialdemokratin und ist davon überzeugt: „Die Wahl wird ordentlich ablaufen.“ Insgesamt sei alles relativ transparent, auch wie die Stimmen ausgezählt werden – „da mache ich mir keine Sorgen“. Aber: Über den Ausgang der Wahl werde wohl noch zu reden sein. „Egal, wie es ausgeht, es ist eine Schicksalswahl.“

Wann ist ihre Mission zu Ende?

Am Donnerstagabend traf Türk-Nachbaur in Ankara ein. Danach folgte ein strammes Programm: Es gab am Freitag Briefings mit verschiedenen Organisationen, Vertretern der Parteien, die bei der Wahl antreten. Am Samstag gibt es weitere Briefings und werden einige Wahllokale in Augenschein genommen. „Am Sonntag sind wir von morgens bis zum Ausgang der Wahl in Wahllokalen anwesend“ – am Dienstagmorgen heißt es für die Wahl-Bad-Dürrheimerin dann wieder: Ready for take off, Abflug in Richtung Deutschland.