Wahl des Bundespräsidenten Quelle: Unbekannt

Nach der Zitterpartie bei der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten diskutiert die schwarz-gelbe Koalition die Schlussfolgerungen aus dem Debakel

Berlin - Nach der Zitterpartie bei der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten diskutiert die schwarz-gelbe Koalition die Schlussfolgerungen aus dem Debakel.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte mehr Teamgeist von Union und FDP, nachdem allein im ersten Wahlgang mindestens 44 Leute aus dem schwarz-gelben Lager gegen Wulff, den Kandidaten der Koalition, gestimmt hatten. SPD und Grüne streiten unterdessen mit der Linken, warum diese ihren Kandidaten Joachim Gauck nicht unterstützt haben.

In einer Koalition sei politische Führung "Mannschaftsspiel", sagte Gröhe am Donnerstag im ZDF. "Und schon vor der Bundespräsidentenwahl wussten wir alle: Das muss besser werden, dieses Mannschaftsspiel." Die Union wies Vorwürfe von FDP- Generalsekretär Christian Lindner zurück, die Dutzende Abweichler seien vorwiegend aus dem CDU/CSU-Lager gekommen. Ein "Schwarzer-Peter-Spiel" bringe nun gar nichts, hieß es.

Der langjährige FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte im ZDF, die Koalition habe den Neustart verpasst. "Sie ist bis heute nicht in der Lage, ein Management von Themen und Strategien vorzunehmen und das auch an die Bürger rüberzubringen."

Wulff war am Mittwoch in der bisher längsten Bundesversammlung nach rund neun Stunden erst im dritten Wahlgang gewählt worden. Rund 20 Wahlleute der Koalition hatten ihm bis zum Schluss die Stimme verweigert und für den Kandidaten von SPD und Grünen, Gauck, gestimmt. Wulff erhielt am Ende 625 Stimmen - nach 615 im zweiten und nur 600 im ersten Durchgang. Schwarz-Gelb stellte aber 644 Wahlleute. Gauck kam im letzten Wahlgang, bei dem auch die einfache Mehrheit gereicht hätte, auf 494 Stimmen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) will im Laufe des Tages Wulff treffen, der nun 10. Bundespräsident der Bundesrepublik ist. Auch mehrere ehemalige Bundespräsidenten sollen bei dem Gespräch dabei sein. Wulffs Vereidigung vor dem Bundestag und dem Bundesrat steht erst am Freitag an.

In Hannover wurde unterdessen David McAllister als Nachfolger Wulffs zum neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Mit 39 Jahren ist er der jüngste Regierungschef in Deutschland. Der bisherige CDU-Fraktionschef wurde am Donnerstag mit 80 Abgeordnetenstimmen im Landtag von Hannover gewählt. 67 Abgeordnete votierten gegen McAllister, einer enthielt sich. Damit verweigerten zwei Abgeordnete der schwarz-gelben Koalition McAllister ihre Stimmen.

Wulff versprach, sich für die innere Einheit des Landes einsetzen. Mit Blick auf die drei Wahlgänge fügte er hinzu: "Aus Niederlagen habe ich eigentlich immer noch mehr gelernt als aus Siegen." Mit Blick auf den Verlauf der Wahl und seinen Gegenkandidaten Gauck bedankte sich Wulff für einen "sehr fairen Wettbewerb". Gauck forderte anschließend Politik und Bürger auf, stärker aufeinander zuzugehen.

Aus Sicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "kommt es jetzt darauf an, dass die Regierung ihre Arbeit macht". Sie rechne nicht damit, dass die Regierungsarbeit schwieriger werde, sagte sie nach Wulffs Wahl. CSU-Chef Horst Seehofer mahnte hingegen eine stärkere Führung in der Koalition an. Union und FDP dürften nach dem Verlauf der Wahl nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren, forderte der bayerische Ministerpräsident im Fernsehsender Phoenix. Daher müsse Schluss sein mit "den abstrakten Diskussionen". Gefragt seien jetzt vielmehr Führung und Entscheidungen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstag) mit Blick auf die Zitterpartie: "Das ist eher eine Art Ausrufezeichen und die Aufforderung: Beschäftigt Euch mal mit Euren inneren Problemen!" Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) appellierte an die Regierungskoalition, besser und zielorientierter zu arbeiten. Im Saarländischen Rundfunk sagte er: "Die Koalitionsparteien in Berlin müssen sich intensiver abstimmen, und auch die Abstimmung im Verhältnis Bund-Länder muss intensiviert werden."

"Verpasste Chance"

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wertete den Verlauf der Wahl als "verpasste Chance". Er kritisierte bei Abendblatt.de, dass mehrere Abweichler unter der Wahlleuten von CDU, CSU und FDP Wulff mehrmals einen Denkzettel erteilten. "Das ist kein gutes Ergebnis", sagte er.

Die Schuld für die Niederlage des rot-grünen Kandidaten gab SPD- Chef Sigmar Gabriel der Linkspartei, deren Wahlleute sich überwiegend enthalten hatten. Mit Blick auf deren Vorbehalte gegen Gauck als ersten Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde sagte Gabriel, sie habe sich nicht "von ihrem alten SED- und Stasi-Erbe" befreien können.

Der Linke-Vorsitzende Klaus Ernst wiederum warf Gabriel vor, er habe den rot-grünen Kandidaten Gauck "verheizt". Das erste Gespräch mit der Linken über eine Unterstützung Gaucks habe die SPD erst während der Wahl gesucht, kritisierte Ernst. Bei einer Ausgrenzung der Linken gebe es aber keine Mehrheit für rot-grüne Projekte. Gauck vertrete "diametral" andere Positionen als die Linke. Die Linke hatte im dritten Wahlgang ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurückgezogen und sich fast komplett der Stimme enthalten.

(dpa)