Diese Brache in bester Lage – an der B 3, nahe des Bahnhofs – in Offenburg hatte Landrat Frank Scherer für einen Neubau des Landratsamts ins Gespräch gebracht. Dass die Fläche im Besitz der Grossmann-Group ist, sei Zufall, erklärte er am Dienstag. Foto: Grossmann-Group

Der Kreistag hat entschieden: Die Verwaltung soll sowohl Sanierung als auch Neubau des Landratsamts genauer prüfen – ein Kompromiss. Denn der Landrat präferiert den Neubau, auch ein Grundstück im Offenburger Norden hat er bereits ins Auge gefasst.

„Ich habe das Thema beim ersten Aufschlag unterschätzt“, gestand Landrat Frank Scherer am Dienstagvormittag bei einem vor der Kreistagssitzung anberaumten Pressegespräch.

Dieses nutzte der Chef der Ortenauer Kreisverwaltung, um die Historie der Diskussion ums Landratsamt darzustellen. Und um der „Legendenbildung“ rund um seine Idee, einen Neubau auf einem Grundstück der Grossmann-Gruppe in Offenburg zu realisieren, entgegenzutreten.

Für erhitzte Gemüter hatte das Thema bereits zuvor bei zwei gemeinsamen Sitzungen des Verwaltungs- sowie Umwelt- und Technikausschusses gesorgt. Die Kreisräte zeigten sich teils schwer überrumpelt, als Scherer die Neubau-Pläne – die eigentlich vom Tisch waren – am 10. Oktober erstmals wieder vorlegte und gar das Grundstück im Offenburger Norden dafür ins Gespräch brachte.

Sanierung würde deutlich teurer werden als zunächst angenommen

Beschlusslage war bislang die vertiefte Prüfung der abschnittsweisen Sanierung im Bestand. Ein erste Machbarkeitsstudie hatte zuvor ergeben, dass das bei moderaten Kosten – rund 37 Millionen Euro – möglich sei. Die vertiefte Prüfung kam nun aber in der Sommerpause zu einem ganz anderen Ergebnis: Eine Sanierung müsste deutlich umfangreicher erfolgen als ursprünglich angedacht.

Bei laufendem Betrieb und abschnittsweiser Auslagerung der 600 Mitarbeiter sei diese zwar möglich, wirtschaftlich aber nicht darstellbar, erklärte Scherer und spitzte zu: „So wie etwa eine Reise zum Mars heute machbar ist.“ Zudem sei das Ausmaß der nötigen Arbeiten für die jeweils im Haus verbleibenden Mitarbeiter unzumutbar.

Landrat Frank Scherer (links) hatte Projektentwickler Andreas Wasner zum Pressegespräch mit Vorfeld der Kreistagssitzung eingeladen. Foto: Armbruster

Laut Landrat bleiben damit zwei Optionen: alle Mitarbeiter auslagern oder neu bauen. Erstere Variante hieße, irgendwo in Offenburg ein Container-Dorf zu errichten, in dem ein Teil der Mitarbeiter für mindestens vier Jahre ihre Arbeit verrichten müssten. Laut Scherer wäre mit einer Fertigstellung der Kernsanierung „frühestens 2032“ zu rechnen. Kostenfaktor laut aktueller Einschätzung: rund 90 Millionen Euro.

Allerdings warnte Projektentwickler Andreas Wasner, dessen Büro die neuen Zahlen ermittelt hatte, am Dienstag erneut vor einer „Überraschung nach der anderen“ bei einem Gebäude dieses Alters. Er hatte bereits auf Einladung der Verwaltung bei der gemeinsamen Sitzung von Verwaltungs- sowie Umwelt- und Technikausschuss am 5. Dezember an die Kreisräte appelliert, kein Geld mehr in die weitere Betrachtung der Sanierung zu investieren. Laut Wasner könne sich diese zu einem Millionengrab entwickeln.

Neubau des Landratsamts wird auf 140 Millionen Euro geschätzt

Den Neubau des Landratsamts in Offenburg taxiert die Verwaltung derweil auf rund 140 Millionen Euro – Fertigstellung wäre wohl schon 2028 möglich. Sollte der Kreistag sich für diese Variante entscheiden, ist eine Ausschreibung notwendig. Er habe das Grundstück der Grossmann-Gruppe ins Gespräch gebracht, da er in den Medien auf einen Architektenwettbewerb zu dessen Bebauung gestoßen sei, erklärte Scherer bereits im Oktober.

Das hatte zu Spekulationen geführt, stehen sich der Landrat und Unternehmer Jürgen Grossmann bekanntlich auch privat nahe. Etwaige Vermutungen dieser Art wies Scherer am Dienstag von sich. Einen Deal „bei einem Glas Rotwein auf einer Yacht“ habe es nicht gegeben. Dass eine passend erscheinende Fläche Grossmann gehöre, gab er zu verstehen, sei Zufall. Dass das Ergebnis einer offenen Ausschreibung auch zu Gunsten des Grossmann-Areals ausfallen könnte, scheint jedoch durchaus wahrscheinlich. „Im Moment kennen wir tatsächlich kein anderes geeignetes Grundstück in Offenburg“, so Scherer.

Vertiefende Betrachtung der Sanierung kostet 70 000 Euro

Über die „Kehrtwende“ bei der Sanierung des Landratsamts habe er den den Ältestenrat des Kreistags bereits am 18. September informiert und diesen gebeten, die Kreisräte auf das Thema einzustellen. Überrascht zeigten sie sich trotzdem. Scherer scheiterte schließlich damit, den Gremien eine Entscheidung für eine alleinige vertiefende Prüfung des Neubaus abzuringen.

Der Kreistag stimmte auf Empfehlung des Verwaltungsausschusses am Dienstag dafür, auch die Sanierung weiter zu untersuchen (Kosten: rund 70 000 Euro). „So ist eben Politik – um sicher zu sein, machen wir das jetzt und dann ist gut“, erklärte Scherer bereits beim Pressegespräch vor der Sitzung.

Entscheidung im April?

Eine Entscheidung auf Grundlage der vergleichbaren Prüfungsergebnisse von Sanierungs- und Neubau-Variante ist für April angepeilt – ob es dazu kommt, scheint jedoch fraglich. Sowohl die Freien Wähler als auch Mitglieder der CDU-Fraktion sprachen sich am Dienstag bereits dafür aus, die Entscheidung über Neubau oder Sanierung dem im Juni 2024 neu zu wählenden Kreistag zu überlassen.