Achtung, Aufnahme: Der Blick auf den Monitor zeigt die verscharrte „Tatort“-Leiche. Foto: Andreas Haslauer

An diesem Sonntag ermittelt die „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal aus Ludwigshafen wieder. Wie es ist, erschossen und verbuddelt zu werden, lesen Sie hier. Denn unser Autor ist die Leiche aus der neuen „Tatort“-Episode „Gold“ (ARD, 20.15 Uhr).

Anfragen bekommt man viele. Aber diese? Ich war gerade auf der Heimreise von einem Auftrag, als Melanie, meine Agentin, anrief. „Du, kannst du dir vorstellen, erschossen zu werden?“ Ich sagte nichts, sie sagte nichts. Zehn Sekunden Stille. Hä? Was könnte ich mir vorstellen?

Okay, ich habe einiges erlebt. Für einen Werbefilm der Firma Tesa bin ich mit einem Kajak in einen Wasserstrudel hineingeschossen, ich habe in bester MacGyver-Manier gegen einen Hurrikan gekämpft und Skifilme gedreht, in denen ich mehr als waghalsig steile Rinnen runterdonnerte. Erschossen aber wurde ich noch nie.

Unser freier Mitarbeiter Andreas Haslauer (49) schreibt meist über sehr vitale Themen: Skifahren, Foto: Haslauer

„Das Model sollte nicht zimperlich sein“, so stand es in der Mail meiner Agentin, die ich an der nächsten Raststätte las. Was heißt das nun wieder? Schließlich habe ich schon bei minus 25 Grad in kurzen Hosen gedreht. Wieso also nicht zimperlich? Weil ich das Mordopfer in einem „Tatort“ sein sollte, das mit „Blättern bedeckt auf dem Boden liegen wird und dabei durch ein Luftrohr atmet“. So stand es in der Mail. Genau! Mein! Ding! Ich sagte natürlich zu.

Dann wollte noch Esther Wenger, die Regisseurin, mit mir sprechen. Sie wollte sich, das wurde in dem Video-Gespräch schnell klar, eigentlich nur davon überzeugen, dass ich wirklich kein Angsthase bin.

Ich verschwieg ihr manches: Ist mir zum Beispiel kalt, dann wird aus mir die totale Mimose. Ich versprach Esther trotzdem, mein Bestes zu geben in meiner Rolle als Boris Wolter, der Banker mit einer Passion für mittelalterliche Ritterspiele, der erschossen wird.

Als nächstes dann „Das Traumschiff“?

Den nächsten Termin vor dem Dreh sollte ich mit Mike Sauer, dem Produktionsleiter, haben. Er ist ein alter Hase im Filmgeschäft, drehte viele Folgen von „Das Traumschiff“ – in Tansania, Kuba, Los Angeles. Sehr verheißungsvoll. Aber statt über einen Folgeauftrag für mich in einem exotischen Paradies zu reden, wollte dann der Regieassistent mit mir nur über die Pfalz sprechen – Schauplatz des ersten Drehtages.

14 Tage danach saß ich in der Maske, wo mir Martina und Claudia dunkelblaue Hämatome ins Gesicht schminkten. Nur noch zwei Stunden bis zum Grab. Die Spannung stieg. Was ist, wenn ich panisch werde, wenn sie mich einbuddeln? Wie kann ich eigentlich atmen, wenn kiloweise Dreck auf meinem Gesicht liegt?

Fragen über Fragen. Zeit, darauf Antworten zu finden, hatte ich keine. Wir liefen ans Set. Besser gesagt in den Wald, wo Boris Wolter, also ich, begraben werden sollte. Aber ich muss sagen: Ich habe schon für hochmögende Bierbrauer und Autokonzerne gedreht – so nett, so entspannt und professionell hatte ich eine Atmosphäre am Set noch nie erlebt.

Auf mich wartete ein Schlitten, mit dem ich in einen riesigen Ameisenhügel hineingefahren wurde. Das Einzige, was zunächst noch rausschaute, waren Teile meiner Brust, Hals und Gesicht. Jedoch nicht lange. „Wir sind stolz auf dich“, sagte Esther noch, die Regisseurin, einfühlsam wie eine Kinderkrankenschwester.

Trotzdem kippten die Bühnenbauer gefühlt ein paar Hundert Kilo Erde auf mich drauf. Vielleicht zwei Stunden (ich konnte ja nicht auf meine Uhr schauen) lag ich unter der Erde, konnte mich nicht einen Zentimeter bewegen. Augen auf bei der Berufswahl!

Im Drehbuch liest es sich dann so: „Peter Becker, der Mann von der Spurensicherung, und seine Kollegen bergen die Leiche aus dem zugeschütteten Erdloch, ein Arm und die Hand – ohne den abgebissenen Finger – werden vorsichtig freigelegt. Der Kopf des Toten kommt zum Vorschein, es handelt sich um Wolter.

30 Sekunden Luft anhalten – reicht das für Hollywood?

Die Szene haben wir bestimmt ein Dutzend Mal gedreht. Wir – besser gesagt die echten Schauspieler – veränderten Mimik, Gestik oder Betonung. Kameramann Michael Merkel bat ich vorher noch, sicherzugehen, dass seine Kamera sich nicht versehentlich löst und mir ins Gesicht rauscht. Die Kamera wiegt nämlich 20 Kilo. Mein Gesicht wäre Matsch.

Mein einziger Job war es, als die Kamera auf mich gerichtet war, nicht zu atmen. Nach 30 Sekunden Luftanhalten pfeife ich aus allen Löchern. Ob das für Hollywood reicht: nicht atmen?

Buddeln nach dem Nibelungenschatz

Tag drei wird der spannendste. Wir drehen die Anfangsszene des „Tatorts“. Wie ein Verrückter grabe ich kniend und völlig panisch nach dem vermeintlichen Nibelungenschatz. Oder wie es im Drehbuch steht: „Die Kamera nähert sich einem mannstiefen Erdloch im Boden, in dem gegraben wird, energische Stiche ins Erdreich sind zu hören, eine Schaufel stößt auf einen Widerstand. Ein Händepaar wühlt sich weiter durch die aufgelockerte Erde, Keuchen.“

Weiter: „In der Erde liegt etwas in Form eines Geldstücks, eine Hand greift danach, entfernt die Erdreste, eine goldene Münze beginnt zu funkeln, als die Erde von deren Oberfläche entfernt wird.“ Ich finde ihn. Erst den Taler, dann den Ring.

Dem Drehbuch zufolge ist das dann ein magischer Moment, als der Ring jetzt an den Ringfinger der linken Hand gesteckt wird. Plötzlich knarzt die Tür, Licht fällt ein. Die Musik bricht ab. Der Atem stockt. Der „Tatort“-Zuschauer wird sehen, dass meine Augen eine Heidenangst ausstrahlen. Heino Ferch, der Dr. Albert Dürr vom Wormser Nibelungen-Museum spielt, spricht aus dem Off: „Die Gier nach dem mächtigen Schatz stürzte sogar die Götter ins Unheil – oder die, die sich dafür hielten.“

Sagen durfte ich leider nichts

Bevor ich die Situation überhaupt erfasse, werde ich mit zwei Schüssen in die ewigen Jagdgründe von Deidesheim geschickt. Man sieht zwei jähe Lichtblitze, dann ist mein erstes Schauspieler-Leben vorbei. Sprechen durfte ich nichts, was wegen meines schwäbisch-bayerisch nuschelnden Akzents vielleicht ganz gut war.

Dann das Finale furioso. „Ein Schmalspurtraktor mit einer Baggerschaufel fährt durch die in der Dunkelheit liegenden Weinberge. Im diffusen, abgeblendeten Licht des Fahrzeugs ist ein lebloser Körper auf der Baggerschaufel erkennbar, die Glieder baumeln über der Baggerschaufel“, heißt es im Drehbuch.

Weiter: „Nah, ein Kopf in der Schaufel, ein attraktiver Mann, Mitte vierzig, mit halblangen blonden Haaren. Fast wie in einer Operninszenierung schwebt die Baggerschaufel mit der Leiche durchs Bild, dann fährt der Bagger davon, der Fahrer ist nicht zu erkennen.“

Der Brad-Pitt-Stuntman legt mir die Weste an

Die Szene, die ich aus Sicherheitsgründen nur teilweise selbst drehen durfte, brachte den meisten Spaß. Geprobt haben wir die Szene schon am Abend zuvor. Mit dabei: der legendäre Stuntman Matthias Schendel, der in „Inglourious Basterds“ Brad Pitt doubelte.

Hollywood-Star Schendel zog also mir, dem krassen Typen, der einst Bankkaufmann bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen gelernt hatte, die Sicherheitsweste an und band mich an den Gabelstapler fest. So, dass ich nicht runterfallen und überfahren werden konnte. Fast wie Hollywood. Nur halt in Deidesheim.

In den ersten Einstellungen lag ich wohl zu steif auf der Schaufel. Im Film läuft mystische Opernmusik. Also mache ich mich locker, lasse meine Gliedmaßen nur so hin- und herschwingen.

Ich finde, dass ich eine gute Leiche war. Bin also bereit. Für Hollywood.