Fast 700 Jahre herrschten die Maya über Mittelamerika. Ihre Ruinen zeugen von einer hoch entwickelten Kultur. In einer dieser untergegangenen Zentren haben Archäologen das unberührte Grab eines Maya-Königs entdeckt. Über eine faszinierende archäologische Detektivgeschichte.
Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts brach die Hochkultur der Maya zusammen. Ihre einst riesigen Städte wurden verlassen und vom Urwald überwuchert. Die Gründe für den Zerfall der alten Kultur der Maya sind bis heute nicht geklärt. Heute leben noch etwa sechs Millionen Menschen in Mittelamerika, die Sprachen der Maya sprechen.
Unberührte Funde sind selten
Immer wieder entdecken Archäologen Artefakte aus der Maya-Kultur. Die Maya herrschten von 250 bis 900 n. Chr. über große Teile Mittelamerikas. Von ihrem Einfluss zeugen die Ruinen zahlreicher Maya-Städte und Tempel, die über die Halbinsel Yucatan und angrenzende Regionen in Guatemala und Mexiko verstreut im Dschungel liegen. Doch Funde aus unberührten Königsgräbern sind selten. Viele der Grabstätten wurden schon vor langer Zeit ausgeplündert.
Umso sensationeller ist die Entdeckung, die Archäologen um Francisco Estrada-Belli von der Tulane University (US-Bundesstaat Louisiana) in Guatemala gemacht haben. Seit 2019 erforschen sie die Ruinen der alten Maya-Stadt Chochkitam. Dort fanden sie in einem noch unberührten Grab unter anderem eine aus Mosaikstücken gefertigte Jade-Maske und menschliche Oberschenkelknochen, in die Schrift eingeritzt ist.
Archäologische Detektivgeschichte
Die Entdeckung gleicht einer archäologische Detektivgeschichte: Bei der Untersuchung von Tempelpyramiden, Plazas und Palästen stießen die Forscher auf rätselhafte Hieroglyphen-Inschriften. Sie offenbaren, dass Chochkitam ab 568 n. Chr. von einer regionalen Herrscherdynastie regiert wurde und es zuvor lokale Könige gegeben haben muss.
Bei dem Grab handelt es sich den Archäologen zufolge um die Begräbnisstätte eines bisher unbekannten Maya-Königs namens Itzam Kokaj Bahlam, wie Ausgrabungsleiter Francisco Estrada-Belli erklärt. Seit der Entdeckung im Jahr 2022 arbeiteten die Forscher daran, die Funde zu konservieren, zu scannen und zu interpretieren. „Es öffnet ein Fenster in eine dunkle Zeit, über die wir nur sehr wenige Texte haben“, sagt Estrada-Belli.
Jademaske von einem Maya-König
Auf der Suche nach weiteren Funden kartierten die Archäologen das Gebiet von Chochkitam mithilfe von Lidar, einem Messinstrument zur Fernerkundung von Erdoberfläche und Erdatmosphäre. Dabei entdeckten sie die Eingänge von Grabräuber-Tunnel. Am Ende eines dieser Tunnel stießen sie auf ein unberührtes Grab aus der Zeit um 350. Chr.. Die Diebe hatten nur zwei Meter vor dem Maya-Grab das Graben eingestellt. „Das war ein echter Glückfall für uns“, sagt Estrada-Belli.
Im Grab fanden die Archäologen die Gebeine eines Mannes, der zusammen mit wertvollen Grabbeigaben bestattet worden war. Drunter war eine kostbare Jade-Maske, die wie bei einem Mosaik aus mehreren Jade-Platten zusammengesetzt war. Zudem waren im Grab 16 Schalen der Stachelauster), die in der Mayakultur als Schmuck der Könige und Opfergabe für die Götter diente.
Maya-Zentren: Chochkitam, Tikal, Teotihuacán
Die entdeckten Relikte stammen aus der Zeit um 350 n. Chr., als Chochkitam eng verbunden war mit den Maya-Zentren Tikal und Teotihuacán in Zentralmexiko. Laut eines Berichts im „National Geographic“ zeigten die Funde, dass viele lokale Maya-Herrscher zwar über königliche Macht verfügten, zugleich aber „Untergebene oder sogar Marionetten“ anderer, noch mächtigerer Maya-Regenten waren.
„Alles deutet für mich darauf hin, dass es sich um einen Maya-König handelte, der Teil eines Netzwerks von Maya-Königen im Einflussbereich von Tikal und Teotihuacán war“, zitiert der „National Geographic“ Estrada-Belli.
Oberschenkelknochen mit rätselhaften Hieroglyphen übersät
Mehrere der menschlichen Oberschenkelknochen waren mit eingeritzten Hieroglyphen und Symbolen verziert. Diese zeigen unter anderem die Figur eines Mayakönigs, der eine Jademaske wie die im Grab gefundene in der Hand hält. Laut Estrada-Belli könnte es sich um eine Darstellung des Toten handeln.
„Eine solche Entdeckung ist ein wenig wie der Gewinn in der Lotterie“, sagt Estrada-Belli. „Denn es öffnet uns ein Fenster in eine Zeit, über die wir bisher kaum Informationen haben.“ So verraten die Hieroglyphen unter anderem, dass die Könige von Chochkitam damals enge Verbindungen zum Maya-Königreich von Tikal und sogar nach Teotihuacan hatten.
Die Archäologen hoffen, dass eine nähere Untersuchung der Grabbeigaben sowie DNA-Analysen des Toten mehr darüber verraten können, wer er war und wie sein Schicksal verlief.