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Wegen des Hickhacks um einen Richter platzt zum zweiten Mal ein wichtiger Prozesstermin.

Stuttgart - Das Stuttgarter Arbeitsgericht ist eine gut geölte Prozessmaschine. Allein im Fall Schlecker muss es über 150 Klagen bearbeiten. Doch nun bringt ein Fall Sand ins Getriebe. Auslöser dafür sind die persönlichen Verhältnisse eines Arbeitsrichters.

Heute früh um 8 Uhr hätten sich der Stuttgarter Konzern und sein langjähriger Mercedes-Chef in den USA, Ernst Lieb, vor Gericht treffen sollen. Daimler hatte Lieb gefeuert, weil dieser beispielsweise sein Haus auf Konzernkosten ausgebaut haben soll, wogegen Lieb sich wehrt.

Weil sich niemand seinen Richter aussuchen darf, gibt es einen Geschäftsverteilungsplan, der genau regelt, welchem Richter welche Verfahren zugeteilt werden. Im Fall Daimler gegen Lieb war dies ein Jurist, dessen Ehefrau in der Rechtsabteilung von Daimler arbeitet. Weil man ihm möglicherweise unterstellen könnte, zugunsten von Daimler voreingenommen zu sein, lehnte der Richter sich selbst ab. Die endgültige Entscheidung trifft allerdings eine sogenannte Ersatzkammer, die dafür wiederum die Prozessbeteiligten befragen muss.

Doch selbst der Anwalt des Daimler-Gegners Lieb, der Stuttgarter Arbeitsrechtler Stefan Nägele, hielt den Richter nicht für befangen. In der Region Stuttgart sei es schließlich fast unmöglich, keine Beziehungen zu Menschen zu haben, die bei Daimler arbeiten. Daraufhin beschloss die Ersatzkammer, dass der Richter den Fall weiterhin bearbeiten muss. Der ursprüngliche Verhandlungstermin aber war nicht zu halten – und Lieb, der bereits aus Australien angereist war, flog unverrichteter Dinge zurück.

Am Mittwoch, dem Tag vor dem neuen Termin, verkündete das Gericht nun, der Richter habe sich erneut abgelehnt. Vor Wochen hatte er Daimler um eine Stellungnahme zu dem Fall gebeten und die Frist auf Antrag von zwei auf sechs Wochen verlängert. Kurz vor dem Termin bat er auch Liebs Anwalt um eine Stellungnahme zu einem Papier, das aus 51 Seiten und rund 100 Seiten Anhang besteht. Er bekam aber nur etwas mehr als eine Woche Zeit, die durch den Maifeiertag unterbrochen wurde. Daraufhin warf Liebs Anwalt dem Richter vor, bei den Fristen mit zweierlei Maß zu messen. Dies wiederum interpretierte der Richter als Zweifel an seiner Neutralität. Kurz vor der Verhandlung lehnte er sich nun erneut selbst ab. Und Lieb, der bereits zum zweiten Mal vergeblich aus Australien angereist ist, darf bald ein drittes Mal die Koffer packen.