Bei Eugen Miller wird das Handwerk im ursprünglichen Sinne noch gepflegt. Deshalb ist sein Betrieb bei Auszubildenden beliebt. Foto: Jigal Fichtner Foto: Schwarzwälder Bote

Von Axel H. Kunert

Von Axel H. Kunert

Eine Backstube mitten im Herzen von Nagold, direkt an der Marktstraße. Vierte Generation solider Handwerkskunst. Aus der Mitte des Lebens. Gereift aus der guten alten Zeit. Das Reich von Eugen Miller, seit 38 Jahren Bäckermeister „aus Leidenschaft“. Nicht seine „erste Liebe“ im Beruf, wie er erzählt. „Ich wollte mal EDV machen“, schmunzelt er. Aber als Not am Mann war im elterlichen Betrieb, übernahm er doch die Pflicht. Und machte dann eben diese zu seiner vollen Passion. „Wenn du etwas machst, mach’ es ganz oder gar nicht.“ So einfach ist das.

Wie Eugen Miller sein Unternehmen heute führt, ist aber schon eine Rarität. Viel – sehr viel Handarbeit, wenig Einsatz von Maschinen. „Dafür haben wir hier an unserem gewachsenen Standort schlicht gar keinen Platz.“ Es gab mal die Phase, da habe auch er über einen großen Neubau nachgedacht – oben auf dem Wolfberg. Top-moderne, durch-automatisierte Backstube. Wie es mittlerweile einige im Bäckerhandwerk gibt. Miller hat sich bewusst gegen diese Investition entschieden. Um nicht „Sklave“ dieser Maschinen zu werden. „Du bist dann zum Wachstum verdammt.“ Immer mehr, immer größere Filialen. „Als Bäcker wirst du dann ganz schnell zum Verwaltungs-Chef“, fasst keinen Teig mehr jeden Tag an. „Das war nichts für mich.“

Er möchte genau diese Arbeit mit den Händen. Spüren, was man schafft. Fühlen, riechen, schmecken – eben mit allen Sinnen das tun, was man wirklich will. „Wir produzieren eine sehr große Sortenvielfalt jeden Tag – das geht nur mit echter Handarbeit.“ Andere Kollegen haben auf den Preiswettkampf mit den Discountern gesetzt, längst die größten Bäcker der Nation. „Und verloren.“ Miller nicht – hier wird Qualität produziert, „feinste Backwaren“ - so der Claim des Nagolder Handwerksbetriebs. Was längst wieder ganz groß in Mode ist – beim bewussten Verbraucher. Eigentlich aber nie wirklich aus der Mode war.

Allerdings: So wie Bäckermeister Eugen Miller seine Auszubildenden ausbildet, das gibt es heute in Deutschland nicht mehr besonders oft. „Unsere Azubis sind auf dem Markt extrem begehrt“, weiß Miller. „Weil sie hier noch traditionell in der ursprünglichen Handwerkskunst ausgebildet werden.“ Echte „Allrounder“ der Branche, die eben noch mehr können als andere. Und verstehen, wo dieser Beruf historisch herkommt. Und – vor allem – worauf es bei echt tollem Brot und knusprigen Brötchen wirklich ankommt. Das verbunden mit ganz viel Praxis aus dem täglichen Tun in der Miller’schen Backstube.

Weshalb immer wieder auch Bäckermeister-Kollegen von Miller ihre eigenen Söhne und Töchter nach Nagold in die Marktstraße zur Ausbildung schicken. „Den Beruf wirklich von der Pike auf lernen.“ Maximilian Raisch aus Calw zum Beispiel, 2015 Deutscher Meister im Bäckerhandwerk; dieses Jahr Teilnehmer an der Bäcker-Weltmeisterschaft. „Hier haben auch einige Innungsmeister ihre Lehre absolviert.“ So 50 bis 60 Azubis werden es die letzten knapp vier Jahrzehnte schon gewesen sein, die bei Meister Miller sich ihre Sporen verdient haben. „Das macht schon stolz“, wenn diese Lehrlinge von einst nach Jahren einmal bei ihrem alten Lehrherren vorbeischauen und berichten, was aus ihnen geworden ist.

Drei Azubis hat Miller aktuell in seinem Betrieb. An Bewerbern habe es ihm bisher nie gemangelt. „In der Regel übernehmen wir auch alle, die wir ausbilden.“ Wenn möglich. Denn: „Besser ausgebildete Bäcker finden wir ja kaum am Markt“, sagt Miller selbstbewusst. Wobei die Lehre zumindest anfangs für den Nachwuchs auch sehr hart sei: „Der Übergang, von sechs Stunden in der Schule sitzen zu sieben Stunden in der Backstube stehen, verlangt schon einiges ab.“ Aber wenn die jungen Leute dann sehen, wie unter ihrer eigenen Hände Arbeit etwas Reales, Greifbares entsteht - „dann baut sich da recht schnell ein neues Selbstbewusstsein“, eine neue Persönlichkeit der Azubis auf. „Sie lernen was, sie können was. Das macht stolz.“ Verleiht Rückgrat.

Der einst begonnenen Karriere in der EDV hat Miller übrigens nie wirklich nachgetrauert. Dafür liebt er ganz offensichtlich seinen Beruf als Bäcker viel zu sehr. Deshalb nimmt er es schon ein wenig auch mit Humor, dass seine Tochter Sandra (29) derzeit etwas ganz ähnliches durchlebt: nach einer (bereits erfolgreichen) Karriere als Malermeisterin im Bauhandwerk, arbeitet sie nun doch seit Anfang des Monats im elterlichen Bäckerei-Betrieb mit. „Um zu schauen, ob ihr das liegt“, wie Miller wieder mit seinem typischen Schmunzeln erzählt. Auch sie müsse „etwas mit ihren Händen schaffen“ - wie der Papa. Und das der Quereinstieg in diesen Beruf ja nicht das schlechteste ist, zeigt dessen Biografie ja auch.

Es sehe also ganz danach aus, dass die Bäckerei Miller auch in der fünften Generation feinste Backwaren für die verwöhnten Nagolder Schleckermäuler wird produzieren können.