Eine Handgranate des Typs M75 wurde sehr wahrscheinlich von dem mutmaßlichen Täter auf eine Trauergemeinde in Altbach bei Esslingen geworfen. Foto: StZN/Feyder

Der Anschlag auf eine Trauergemeinde in Altbach hätte noch viel schlimmer enden können. Offenbar nutzte der Tatverdächtige dafür keinen Böller, sondern eine Handgranate – die nur wegen glücklicher Umstände ihre volle Wirkung verfehlte.

Bei dem Sprengkörper, der am vergangenen Freitagmittag auf eine Trauergemeinde in Altbach im Kreis Esslingen geworfen wurde, handelt es sich nach Recherchen unserer Zeitung mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Handgranate des Typs M75. Sprengstoffexperten der Polizei gehen davon aus, dass die im ehemaligen Jugoslawien hergestellte Handgranate von dem 23-jährigen Tatverdächtigen auf die bis zu 500 Besucher einer Beerdigung geworfen wurde. Die auf dem Friedhof gefundenen Fragmente weisen demnach auf eine Handgranate dieses Typs oder des baugleichen Typs M93 hin, der in Mazedonien hergestellt wurde.

Der mutmaßliche Täter, ein Iraner, hatte den Sprengkörper über die Friedhofsmauer in Richtung der Trauergemeinde geworfen. Am Ast eines großen Baumes prallte die Granate ab und explodierte auf der oberen Ebene des auf einem Hügel angelegten Friedhofs. Durch die Explosion wurden zehn Trauergäste verletzt, einer schwer. Andere Besucher verfolgten den Täter, stellten ihn, schlugen und traten auf ihn ein. Er wurde schwer verletzt mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen. Der junge Mann wurde inzwischen verhaftet. Er fuhr offenbar mit einem Taxi zum Friedhof in Altbach und soll den Fahrer gebeten haben, auf seine Rückkehr zu warten.

Beerdigt wurde der 20 Jahre alte Fortune M. aus Altbach. Der Mann mit kenianischen Wurzeln war am 3. Juni kurz nach Mitternacht bei einem Bahnunfall ums Leben gekommen. Auf sozialen Netzwerken hatten Freunde und Bekannte Geld gesammelt, um die Beerdigung zu bezahlen – und dazu aufgefordert, die Zeremonie am Freitagmittag ab 11 Uhr zu besuchen.

Die Hintergründe des Anschlags sind noch unklar

Die Handgranate M75 ist ein kugelförmiger Sprengkörper. In die Hülle aus Hartplastik sind bis zu 3000 stecknadelkopfgroße Kugeln eingegossen, die bei der Explosion der Granate in einem Umkreis von 12 bis 18 Metern tödlich wirken. Im Umkreis von 30 bis 54 Metern verletzen und verstümmeln sie die Opfer. Ermittler gehen davon aus, dass die Explosion der Granate in Altbach ein Blutbad angerichtet hätte, wenn sie nicht durch einen Ast abgefangen worden wäre.

Ende des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre gelangten große Mengen der Handgranate vom Balkan vor allem nach Skandinavien. Sie wird auf dem Schwarzmarkt für Preise zwischen 20 und 50 Euro pro Stück verkauft. Seither wird sie vor allem von Mitgliedern verfeindeter Banden und Clans bei Auseinandersetzungen eingesetzt, die von Ermittlern der organisierten Kriminalität zugerechnet werden.

Die Hintergründe des Anschlags sind noch unklar. Die Polizei schließt indes nicht aus, dass der Angriff auf die Trauergäste im Zusammenhang mit zahlreichen anderen Gewaltdelikten steht, die sich in den vergangenen Monaten in der Region Stuttgart ereignet haben.