Die ersten Bewohner im Mehrgenerationenhaus (von links): Volker und Martina Kolbus sowie Gudrun Schmitz Foto: Frey

Vor etwa einem Jahr wurde mit dem Holzbau begonnen, nun stecke man in den letzten Zügen: Das Mehrgenerationenhaus nähert sich seiner Fertigstellung. Die ersten Bewohner sind bereits eingezogen und erzählen begeistert von ihrem alternativen Lebensmodell.

Balingen - Obwohl erst ungefähr ein Viertel der insgesamt 28 Parteien eingezogen sind, ist im Mehrgenerationenhaus an der Spitalstraße schon viel los: Kinder huschen durch die Gänge, Bewohner unterhalten sich zwischen den Stockwerken, helles Licht erfüllt das Atrium des fast gänzlich aus Holz bestehenden Gebäudes.

Acht Parteien haben es sich in dem dreistöckigen Haus schon gemütlich gemacht. Manche sind gerade noch mitten im Umzug, Kartons stehen auf den Gängen, einige Wände sind noch nicht gestrichen, teilweise schauen Kabel aus der Decke. Man merkt allerdings: Das Mehrgenerationenhaus erwacht dieser Tage zum Leben.

Das Alter der Bewohner rangiert zwischen Null und 83 Jahren. Unter den Bewohnern sind Alleinerziehende, junge Paar, Familien und Senioren. Wenn im Mai alle eingezogen sind, sollen insgesamt 13 Kinder das Haus bewohnen. "Man fühlt sich hier wie in einer Großfamilie", erzählt Bewohnerin Tanja Osterhage begeistert.

"Die Chance, dass sich alle kennenlernen, wurde durch Corona natürlich erschwert, aber wir haben beispielsweise schon Videokonferenzen mit allen Bewohnern gemacht", sagt Andrea Hildwein, eine "Ursprungsvisionärin" des Mehrgenerationenprojekts. Es wurde bei der Verteilung der Wohnung darauf geachtet, dass auf jedem Stockwerk alle Generationen vermischt sind, erklärt sie – darum gehe es schließlich bei einem Mehrgenerationenhaus.

Ehepaar Kolbus waren die ersten, die an der Spitalstraße einzogen

Zu dem Gebäude meint Hildwein: "Dass wir das große Atrium haben, war eine bewusste Bauentscheidung. Neben dem tollen Licht sorgt es durch die offene Bauweise dafür, dass man aus der Wohnung kommt und direkt unter Leuten ist. Man ist praktisch nie alleine hier."

"Ein paar von uns kannten uns schon vorher, die Idee vom Mehrgenerationenhaus kam ursprünglich von drei Ehepaaren, die jetzt auch aller hier leben", berichtet Volker Kolbus. Er war zusammen mit seiner Frau Martina der erste, der Mitte März in eine der insgesamt 28 Wohnungen gezogen ist.

Kolbus erzählt, dass er sich 50 Jahre in einem Musikverein engagiert hat. "Das war immer ein tolles Erlebnis, wenn sich 16- und 60-jährige gemeinsam ausgetauscht haben und Zeit miteinander verbracht haben." Auf genau dieses Lebensgefühl freue er sich in dem Mehrgenerationenhaus.

"Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass wir hier eine richtig gute Truppe zusammen haben", meint Hildwein. Die 28 Wohnungen, die man über den vergangenen Sommer ausgeschrieben hatte, waren schnell vergeben, so Hildwein weiter. Acht Parteien sind bereits drin, an diesem Wochenende sollen sechs weitere einziehen. Bis Mai soll das Mehrgenerationenhaus dann komplett sein.

Gudrun Schmitz will Lebenserfahrung ins Haus bringen

Marina Dietz ist eine der Bewohnerinnen, die aktuell am umziehen ist. Ihre neue Wohnung ist bereits eingerichtet, noch übernachte sie mit ihrem Mann aber in der alten Wohnung. "An diesem Wochenende kann es dann endlich losgehen. Wir waren schon immer begeistert von der Idee hier und dachten, wir lassen los und probieren etwas Neues aus."

Gudrun Schmitz ist eine der vier "Omis", wie sie sich selbst bezeichnet. Sie berichtet, dass sie vorher in einem Seniorenheim gelebt hat, aber dort sei es ihr "nie lebendig genug" gewesen. Sie sei deshalb in das Mehrgenerationenhaus gezogen, um "noch ein bisschen zu leben". Dass sich hier jeder um jeden kümmern würde, schätzt die Seniorin sehr. Sie möchte ihrer Aussage nach "Lebenserfahrung" reinbringen und würde es befürworten, wenn sich die Hausgemeinschaft regelmäßig zu einem gemeinsamen Austausch trifft.

Generell sei geplant, dass man in Zukunft viel gemeinsam unternehme, berichtet Hildwein. Wie das genau aussehen wird, stehe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Die Pandemie würde ohnehin erst einmal das meiste leider verhindern, sagt sie.

"Wir wollen im Mehrgenerationenhaus nicht nur ›unter uns‹ bleiben, sondern gern auch die umliegende Nachbarschaft mit einbinden, wenn es um gemeinsame Aktivitäten geht", erklärt Hildwein weiter.

Eine Einweihungsfeier sei noch nicht geplant, man wolle aber "irgendetwas in der Richtung machen", sagt Hildwein. Was genau, hänge natürlich immer von der aktuellen Pandemielage ab. "Jetzt wollen wir erst einmal in Ruhe alle einziehen und im Haus soweit alles fertig machen."