Das Hechinger Gerichtsgebäude war Schauplatz des Prozesses gegen den früheren Bauunternehmer. Foto: /Archiv

Das Hechinger Amtsgericht hat einen ehemaligen Bauunternehmer zu 270 Tagessätzen à 25 Euro verurteilt. Der Mann hatte über Jahre Sozialversicherungsbeiträge seiner Mitarbeiter hinterzogen.

Sich im Baugewerbe zu behaupten, ist für einen Selbstständigen nicht einfach; finanzielle Engpässe können schon mal auftreten. Dennoch dürfte es einer gewissen kriminellen Energie bedürfen, um im Lauf von mehreren Jahre in mindestens 27 Fällen Arbeitsentgelt zu veruntreuen und damit einen „nicht unerheblichen“ Schaden in Höhe von rund 65 000 Euro anzurichten. Genau das wirft die Staatsanwaltschaft einem 37-jährigen türkischer Staatsangehörigen vor, den das Schöffengericht des Hechinger Amtsgerichts am Mittwoch zur Zahlung von 270 Tagessätzen à 25 Euro verurteilt hat.

In der ursprünglichen Anklage war es noch um mehr gegangen. Der Angeklagte hatte nachweislich von August 2013 bis März 2019 als Einzelunternehmer eine Baufirma betrieben – zunächst in Winterlingen, danach in Hechingen und zuletzt in Jungingen. In dieser Firma hatte er der Staatsanwaltschaft zufolge zahlreiche, zum Teil nicht namentlich bekannte Bauarbeiter beschäftigt, ohne die fälligen Sozialversicherungsbeiträge an die zuständige Einzugsstelle, die AOK Baden-Württemberg, abzuführen. Zudem hatte er die beitragspflichtigen Bruttolohnsummen deutlich zu niedrig angegeben und manche Beschäftigungsverhältnisse gar nicht erst angemeldet. Dann hatte er sich, um diese Schwarzlohnzahlungen zu verschleiern, Scheinrechnungen von Subunternehmern beschafft – wohlgemerkt für Leistungen, die gar nicht erbracht worden waren.

19 Fälle blieben übrig

Dem Bericht der Deutschen Rentenversicherung und den Berechnungen des Hauptzollamts zufolge waren auf diese Weise allein zwischen Mai 2015 und November 2017 Beitragsschäden in einer Gesamthöhe von 77027 Euro entstanden. Wie der Vorsitzende Richter Wührl feststellte, hatte der Angeklagte einige Vorwürfe bereits „voll umfänglich“ eingeräumt, und man entschied sich dafür, es bei der Ahndung von 19 Fällen zu belassen. Die Schadenssumme reduzierte sich dadurch merklich – die Anklageschrift war eigentlich um einiges länger.

„Kreative Balance“

Vor den Plädoyers wurde noch ein Blick ins Bundeszentralregister geworfen. Dort fanden sich vier Eintragungen, Geldstrafen wegen Betrugs und eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe wegen Waffenbesitzes. In ihrem Plädoyer räumte die Staatsanwältin ein, dass die Betrugsdelikte, um die es gehe, bereits Jahre zurücklägen. Gleichwohl sei eine „angemessene Geldstrafe“ angebracht. Der Verteidiger widersprach nicht, erinnerte aber daran, dass sein Mandant keine Schulbildung genossen habe und als „Quereinsteiger“ ins Baugewerbe gekommen sei. In seiner Firma sei „fleißig gearbeitet“ worden, aber es habe auch Leute gegeben, die auf der Baustelle mal erschienen seien, mal nicht: „Mein Mandant hat versucht, die Dinge kreativ in der Balance zu halten.“

„Moderate Absenkung“ auf 25 Euro

Ferner gab der Anwalt zu bedenken, dass der Angeklagte schon aufgrund der Umstände kaum rückfällig werden könne – er sei zwar noch im Baugewerbe tätig, aber als Angestellter; dass er noch einmal ein Unternehmen gründen werde, sei kaum zu erwarten. Er sei verheiratet, habe Kinder und Schulden – eine „moderate Absenkung“ der Tagessätze auf 25 bis 30 Euro erscheine in dieser Situation angebracht.

In der Mitte des „Korridors“

Das Gericht zeigte sich entgegenkommend und setzte 25 Euro fest – die Staatsanwältin hatte 35 beantragt. Dafür hielt sich das Gericht bei der Zahl der Tagessätze an ihren Strafantrag: Der „Korridor“, so Richter auf den Wührl, liege zwischen 180 und 360 – und 270 „genau in der Mitte“. Schadenswiedergutmachung? Unwahrscheinlich. Bei dem Mann ist, wie gesagt, nicht viel zu holen.