Mit dieser Waffe erschoss Tim K. 15 Menschen und dann sich selbst. Foto: AP

Amoklaufprozess: Haben Ereignisse in der Schule die Bluttat von Winnenden ausgelöst?

Stuttgart - In der Verhandlung gegen Jörg K., den Vater des Amokschützen von Winnenden, hat die 18.Große Strafkammer des Landgerichts am gestrigen Donnerstag zu ergründen versucht, ob womöglich Ereignisse in der Schule die Bluttat vom 11.März 2009 ausgelöst hatten. Tim K. hatte an der Albertville-Realschule in Winnenden und auf seiner Flucht nach Wendlingen 15 Menschen ermordet und sich selbst getötet.

Tim sei ein "ruhiger, unauffälliger Schüler" gewesen, sagte die Leiterin des Waiblinger Berufskollegs, an dem Tim K. nach dem erfolgreichen Realschulabschluss 2008 in Winnenden seine Fachhochschulreife erlangen wollte. Erst in Gesprächen nach dem Amoklauf habe sie erfahren, dass der kindlich wirkende Junge von Mädchen als "Mini-Timmi" gehänselt und wegen seiner ungewöhnlichen Kleidung aufgezogen worden sei, sagte die Zeugin. In den Pausen habe Tim oft gepokert, aber auch Gewaltspiele gespielt - sogar an Schulcomputern. "Das war streng verboten, aber die Jungs haben uns immer wieder ausgetrickst", sagte die Pädagogin. Damit bekräftigte die 50-Jährige die Neigung Tim K.s zu Gewaltspielen.

"Schmucker Junge mit weicher Schale und hartem Kern"

Bereits am Dienstag hatte ein früherer Klassenkamerad ausgesagt, er und andere Jugendliche hätten fast täglich zwei bis drei Stunden lang mit Tim K. das PC-Spiel "Counterstrike" gespielt. Dabei erstürmten die Spieler Räume und hätten Menschen zu erschießen, in der Rolle von Sicherheitskräften oder von Terroristen. Tim habe die Rolle des Terroristen bevorzugt. Der Zeuge: "Geschossen wurde möglichst auf den Kopf, weil es dafür mehr Punkte gab."

Eine deutlich ältere Mitschülerin in Waiblingen beschreibt Tim als "schmucken Jungen mit weicher Schale und hartem Kern". Sie sei von seiner Art zu pokern fasziniert gewesen. Er habe eine coole Maske getragen, aber ihr als Einziger auch von seinen Sorgen erzählt. "Er hat sich bei mir ausgekotzt, dass er keine Freundin bekommt und dass er an seiner früheren Schule von Mädchen gehänselt worden ist. Außerdem war er ein Waffennarr", berichtete die junge Frau. Wer ihn gehänselt habe und warum, habe Tim ihr nicht erzählt. Die Zeugin: "Er hat versucht, seine Probleme mit Gotcha-Waffen zu lösen - für jedes Problem eine Kugel." Diese Spielzeugpistolen für Erwachsene verschießen Farbkugeln.

Wegen Widersprüchen zu früheren Aussagen bei der Polizei äußerte die Staatsanwaltschaft Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Man habe den Eindruck, dass Tim K. der imaginäre Freund der Zeugin sei. Der Prozess wird am 30.November fortgesetzt.