Das Wohngebäude am Neckartor hinter dem Amtsgericht Stuttgart und dem ADAC soll ein Bordell beherbergen Foto: Piechowski

Prostitution im Feinstaub-Haus: Von einem Bordell am Neckartor weiß die Stadt angeblich nichts.

Stuttgart - Im berühmten Feinstaub-Haus am Neckartor 18 herrscht dicke Luft: In dem denkmalgeschützten Gebäude wird offenbar eine Art Bordell betrieben. Die Polizei kennt das Etablissement, das Baurechtsamt und die Hausbesitzer aber behaupten, sie wüssten von nichts. Nun prüft das Regierungspräsidium den Fall.

"Deutschlands schmutzigste Adresse" hat die "Bild"-Zeitung mal das Neckartor 18 genannt. Das altehrwürdige Mietshaus, an dem täglich über 60 000 Fahrzeuge auf der B 14 vorbeifahren, ist bundesweit bekannt geworden als ein Ort mit extrem hoher Feinstaubbelastung. Wer sich die verrußte Jugendstilfassade etwas genauer ansieht, entdeckt allerdings noch etwas anderes: einen Lichterschlauch, der kunstvoll an einem Balkon hängt - für Kenner des Rotlichtmilieus ein Hinweis darauf, dass hier nicht nur auf der Straße regelmäßig Stoßverkehr stattfindet.

Und tatsächlich: Wer Am Neckartor 18 bei Google eingibt, erhält als ersten Treffer die Homepage von Erotica Emotions. Das Internet ist voll von Hinweisen darauf, dass in einer Wohnung im ersten Stock des Gebäudes junge Frauen gegen Bezahlung Liebesdienste anbieten. "Im wöchentlichen Wechsel findest Du bei uns immer wieder neue attraktive Girls", heißt es auf der Homepage. Fotos von über 300 Damen sind zu sehen, die offenbar vom Betreiber wöchentlich von einem Etablissement zum anderen verfrachtet werden. Auf der Homepage ist davon die Rede, dass die "exklusive, konkurrenzlose Privatadresse" zweimal in Stuttgart vertreten sei und einmal in Nürnberg. Am Neckartor sind in der Regel offenbar fünf Damen stationiert.

Bordells nur im Citybereich erlaubt

Da die Verantwortlichen der Stadt stets beteuern, sie wollten die Prostitution zumindest räumlich eindämmen (auch wenn diese der Stadt viel Geld einbringt), drängt sich die Frage auf, ob mit dem Etablissement alles seine Ordnung hat. Schließlich liegt das Gebäude Am Neckartor 18 abseits der City und steht zudem unter Denkmalschutz.

Wer bei der Stadt Stuttgart diesbezüglich nachfragt, macht allerdings befremdliche Erfahrungen: Das Ordnungsamt erklärt sich für nicht zuständig und verweist auf das Baurechtsamt. Dort bekommt man an der Infotheke die Auskunft, dass unter der angegebenen Adresse das Betreiben eines Bordells nach der Vergnügungsstättensatzung der Stadt "nicht zulässig" wäre. Dies sei nur im Citybereich und in bestimmten Gebieten im Leonhardsviertel erlaubt.

Warum dann dennoch eine solche Einrichtung am Neckartor betrieben werden kann, kann das Baurechtsamt nicht schlüssig erklären. Der zuständige Abteilungsleiter Herbert Scheub behauptet, nichts von den fragwürdigen Aktivitäten am Neckartor zu wissen. "Es gibt eine Anfrage, dort möglicherweise ein Bordell einzurichten", sagt er. Aber darüber sei noch nicht abschließend entschieden, die Rechtslage sei kompliziert. Davon, dass in dem Gebäude bereits Prostituierte aktiv seien, höre er zum ersten Mal. "Wenn da ein Bordell wäre, wäre das eine Aufenthaltsnutzung, die wir überprüfen müssten", räumt er ein. Aber er beteuert: "Uns ist das so nicht bekannt."

"Die müssen alle unter Gedächtnisschwund leiden"

Auch den Besitzern des Hauses ist nach eigenen Angaben noch nicht aufgefallen, was sich da in ihrem Gebäude tut. "Die Wohnung wurde als normale Wohnung vermietet. Dass eine derartige Nutzung stattfinden soll, kann ich nicht bestätigen", sagt Philipp Stoll. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Benjamin hat er die beiden Jugendstilhäuser Am Neckartor 18 und 20 im Jahr 2006 gekauft und kämpft seitdem mit Klagen gegen die hohe Feinstaubbelastung. Die Polizei in Stuttgart ist hingegen sehr wohl im Bilde über das Treiben am Neckartor 18. "Dieses Prostitutionsobjekt ist uns bekannt und wird von uns regelmäßig kontrolliert", sagt ein Polizeisprecher.

Wie zu hören ist, haben sich bereits mehrere Mieter des Gebäudes bei der Stadt über das Bordell beschwert. Mittlerweile ist aus dem Kreis der Betroffenen eine Fachaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium Stuttgart anhängig. Darin wird der Stadt anhaltende Untätigkeit vorgeworfen. Ein Anwalt der Betroffenen sagt, er wisse, dass es bereits im März 2010 beim Ordnungsamt eine erste Beschwerde über das Bordell gegeben habe. Er selbst habe zudem mehrfach mit dem Baurechtsamt darüber gesprochen und die Beamten dabei auch auf die Homepage von Erotica Emotions aufmerksam gemacht. Dass das Baurechtsamt nun behaupte, von dem Treiben nichts zu wissen, sei sehr seltsam. "Die müssen alle unter Gedächtnisschwund leiden", sagt er.

Das Regierungspräsidium wird den rätselhaften Fall nun untersuchen. Ein Sprecher sagt: "Wir fordern die Stadt, wie in solchen Fällen üblich, umgehend zur Stellungnahme auf und prüfen dann die Sachlage."