Nach der Gedenkfeier in der Kirche bewegten sich zahlreiche Neuhengstetter mit Fackeln hinauf zum Waldenserstein. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder Bote

Gedenkfeier: Fackellauf und Andacht zum Waldenserstein anlässlich der Gewährung der Freiheitsrechte vor 170 Jahren

Wenige Stunden vor Beginn war unklar, ob die Gedenkfeier anlässlich der Verleihung der Freiheitsrechte an die Waldenser vor 170 Jahren in der gewohnten Form würde stattfinden können. Doch der heftige Schneefall ließ nach und der Fackelzug zur Gedenkstätte Waldenserstein konnte starten.

Althengstett-Neuhengstett. "Wir haben bei diesem Wetter nicht mit einer so guten Resonanz gerechnet", freute sich Sebastian Oppelt, der Vorsitzende des örtlichen Heimatgeschichtsvereins "Bourcet".

Erinnerung an furchtbare Leiden

Die Feier begann mit einer stimmungsvollen Andacht in der Waldenserkirche, die von Pfarrer Jörg Schaber gehalten wurde. Er erinnerte sehr anschaulich an die furchtbaren Leiden der Waldenser (Glaubensgemeinschaft aus Frank- reich/Italien) durch jahrhundertelange Verfolgungen ihrer religiösen Überzeugung.

"Sie ließen sich nicht irritieren, sie hätten es leichter haben können, aber sie blieben ihrem Schwur treu", hob der Geistliche hervor. Die Aufnahme der Glaubensflüchtlinge im Jahr 1699 in Württemberg und Hessen ermöglichte auch im heutigen Neuhengstett die Ansiedlung von insgesamt 134 Glaubensflüchtlingen. Schaber spannte den Bogen in die heutige Zeit und dankte insbesondere den Menschen, die sich den Flüchtlingen unserer Tage annehmen. Bis zum heutigen Tage gelte immer noch: "Wer die Macht hat, hat das Sagen und schert sich nicht um Minderheiten", sagte Schaber.

Besonders beeindruckend war, wie die Neuhengstetterin Irene Faßnacht das Vaterunser in Patois, dem Dialekt im Ursprungsland der Waldenser, sprach und die Besucher es anschließend in deutscher Sprache beteten.

Auch das Waldenser-Lied wurde gesungen, dessen Refrain immer wieder lautete "Lux lucet in tenebris – Licht leuchtet in der Finsternis". Der Kirchenchor Neuhengstett-Ottenbronn umrahmte die beeindruckende Feier mit einigen wohlklingenden Chorliedern.

Nach der Andacht hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich mit Glühwein und Punsch zu wärmen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Dann wurden Fackeln entzündet und ein langer Zug setzte sich in Richtung Gedenkstein in Bewegung. Dort hatten Helfer den mit einer Plane abgedeckten Holzstoß angezündet, und Flammen loderten in den Himmel. Um das zentrale Feuer zündeten Kinder mit Fackeln sieben kleinere Feuer an, die symbolhaft für die sieben Sterne im Waldenserwappen stehen.

Volle Bürgerrechte zuerkannt

Die abendlicher Gedenkfeier hat auch das Ziel, besonders bei der jüngeren Generation die Erinnerung an die Herkunft ihrer Vorfahren wachzuhalten.

Die jährliche Feier in Neuhengstett und in anderen Waldenserorten feiert die religiöse und bürgerliche Gleichstellung der Waldenser durch König Albert von Piemont-Sardinien. Dieser gab am 17. Februar 1848 den Minderheiten seines Landes nach jahrhundertelanger Diskriminierung und grausamer Verfolgung die vollen Bürgerrechte. Damit waren die Waldenser endlich offiziell anerkannt.