Bevor an dieser Stelle Richtung Heumaden keine Brücke gebaut ist, fährt auch keine S-Bahn nach Althengstett und wieder zurück. Für das zukunftsweisende Verkehrsprojekt ist noch jede Menge Planungsarbeit notwendig. Foto: Hölle Foto: Schwarzwälder-Bote

Spannende Debatte über Hesse-Bahn

Von Marion Selent-Witowski

Althengstett. Die Althengstetter Gemeinderäte packten diese Woche die Gelegenheit beim Schopf. Sie diskutierten ausführlich mit Verwaltung und Landrat über die Hesse-Bahn, wurden ihre Sorgen los und bezogen klar Stellung zum Großprojekt – die heiße Phase des Kommunalwahlkampfs hat begonnen.

Die Arbeit als Gemeinderat kann ein hartes Geschäft sein. Das spürten die zahlreichen Zuhörer, die den gesamten hinteren Bereich des Sitzungssaals füllten und bis auf den Flur saßen, von der ersten Minute an. Sie verfolgten jedes einzelne Wort, das während der rund dreieinhalbstündigen Debatte zur Finanzierung des Großprojekts gesprochen wurde. Nicht nur als spannend, sondern auch als schwierig und anstrengend haben es viele Mitglieder des Gremiums empfunden, über die Beteiligung an den Investitions- und den laufenden Betriebskosten für die Hermann-Hesse-Bahn zu entscheiden.

Zu welchen Opfern ist Althengstett für die Schienenanbindung an den Großraum Stuttgart-Sindelfingen-Böblingen bereit? Führt man durch das gerne als "Jahrhundertprojekt" bezeichnete Vorhaben nicht finanzielle Engpässe herbei und legt damit wichtige Projekte in der Gäugemeinde auf Eis? Bei diesen Fragestellungen gerieten die Gemeinderäte schnell in die Zwickmühle.

Wie schwierig es ist, sich für ein Projekt zu begeistern, das dem großen Ganzen, nämlich dem gesamten Landkreis zugute kommt, ohne das Wohl der eigenen Gemeinde aus den Augen zu verlieren, brachte Rainer Kömpf deutlich zum Ausdruck. Er stellte in Frage, ob es sich die Kommune leisten kann, Hunderttausende Euro pro Jahr an laufenden Betriebskosten zu zahlen: "Fahren wir so nicht unseren Etat an die Wand?". Das gesamte Gremium sah er unter Zugzwang, weil Großprojekte wie die Sporthallensanierung auf der Agenda stehen. Er wolle keine Verhinderungstaktik betreiben, sondern nur mahnen. Am Mittwochabend wurde von Bürgermeister Clemens Götz die Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer ins Gespräch gebracht: "Gut, dass solche konkreten Folgen erstmals öffentlich genannt werden", kommentierte Kömpf die Aussage des Rathauschefs.

Richard Dipper forderte ein Veto-Recht für die Gemeinde Althengstett im künftigen Zweckverband, wenn nachträglich Entscheidungen wie etwa der Umstieg von Diesel- auf Elektroantrieb anstünden. Auch er sieht die künftigen finanziellen Belastungen kritisch, gab aber zu bedenken: "Das größere Risiko ist, nicht zu bauen".

"Wenn nicht jetzt, dann bekommen wir das nie hin. Das müssen wir uns leisten", äußerte sich Lothar Kante. Althengstett zahle jährlich eine halbe Million Euro für das Calwer Krankenhaus, "und das haben wir auch weggesteckt". Er betonte jedoch, dass ihm eine Reißleine bei den Betriebskosten, sprich eine Deckelung, lieber wäre.

Rüdiger Klahm störte, dass ein solch großer Zeitdruck aufgebaut worden sei und erinnerte daran, dass man an den Betriebskosten habe gar nicht beteiligt werden wollen. "Innerhalb von drei Wochen sollen wir uns auf Jahrzehnte binden", kommentierte er die Abstimmung über das Finanzierungskonzept im Kreistagsausschuss und den Gemeinderatsgremien Calw und Althengstett. Er frage sich, warum keine Deckelung der Betriebskosten möglich sei, wenn der Landkreis das Risiko der Anrainergemeinden, die kommunale finanzielle Selbstbestimmung zu verlieren, als gering einschätze: "Warum bekommen wir dieses Bonbon nicht?". In Gebühren- und Steuererhöhungen sieht er nicht den richtigen Weg. Klahm betonte außerdem, wer die Bahn wolle, müsse bereit sein, über das Wachstum Althengstetts zu diskutieren.

Alwin Pross forderte eine bessere ÖPNV-Anbindung der Teilorte Neuhengstett und Ottenbronn schon jetzt ohne S-Bahn. Dafür habe er zwei Jahre lang gekämpft und sein Vertrauen in die Kreisverwaltung verloren, weil in diesem Bereich nichts geschehen sei – für ihn der entscheidende Grund, Schluss mit der Kommunalpolitik zu machen und am 25. Mai nicht erneut anzutreten.

Die Gäugemeinde sei bereits gut an den Ballungsraum Stuttgart angebunden. Die geplante Schienenanbindung verlange der Althengstetter Bevölkerung auch Nachteile ab: "Ein Drittel unserer Bevölkerung wohnt direkt am Gleis". Er fühle sich, was das Finanzierungskonzept betrifft erpresst, und "werde unter Zeitdruck zu einer Entscheidung genötigt".

Landrat Helmut Riegger, der Calwer OB Ralf Eggert und Bürgermeister Clemens Götz wurden am Mittwoch nicht müde, für die Hesse-Bahn zu werben, die dem Kreis Calw einen Quantensprung bringe. Das Ratsgremium stellte schließlich das Signal für das Großprojekt, wie berichtet, auf Grün.