Zu schmachtenden Melodien treten Mann und Frau beim Tango in einen differenzierten Dialog. Foto: Tröger

Tango: Tänzer trainieren in Althengstett regelmäßig Bewegung und Feingefühl / Kurzes Kopfnicken als Aufforderung

Tango Argentino ist viel mehr ein Gefühl als die Abfolge von Tanzschritten. Ihn zu tanzen, ist ein fein differenzierter Dialog zwischen Mann und Frau, der von beiden fordert, ganz bei sich zu bleiben, sich aber auch in den anderen hineinzuspüren. Geübt wird der leidenschaftliche Tanz regelmäßig in Althengstett.

Althengstett. Die Bühne für diesen getanzten Dialog mit immer wieder anderen Tanzpartnern bieten die Milongas, die Tanztreffs, die weltweit nach den gleichen Regeln organisiert werden. In Argentinien sagt man: "Ein Tangopaar ist ein Körper mit zwei Herzen und vier Beinen." Oder mit einem anderen flapsigen Spruch: "Tango sind zwei ernste Gesichter und zwei Hinterteile, die sich amüsieren."

Beim Besuch einer Übungsstunde bei "Tango Argentino Althengstett", einer Abteilung des Vereins "Saltango – Tango Argentino und Salsa Nagold", erfährt man von den Übungsleitern Angelika und Thomas Hener ganz viel über diesen Tanz, der seit 2009 als schützenswertes Kulturgut zum immateriellen Weltkulturerbe gehört. Der seine Wurzeln in den Hafen- und Einwanderervierteln von Buenos Aires am Rio de la Plata hat, dort in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist und Anfang des 20. Jahrhunderts Europa erobert hat.

Man erfährt, wie sehr die Heners bedauern, den Tango Argentino nicht schon viel früher für sich entdeckt zu haben. Und man erfährt von der Leidenschaft, die sie seither zu vielen Milongas in ganz Europa führt und mit der sie zum anderen ihr mittlerweile großes Wissen als versierte Übungsleiter weitergeben.

Ihre erste Berührung mit dem Tango hatten die Heners 2008 bei einem sechswöchigen Kurs im evangelischen Gemeindehaus in Hirsau, den eine Tanzlehrerin aus Bad Liebenzell dort angeboten hat.

Verschiedene Figurenmit speziellem Namen

Davor waren sie schon länger im Standard- und Latein-Tanzsport aktiv. Bis zum Wegzug der Tango-Lehrerin folgten weitere Kurse und die Leidenschaft war geweckt. So bahnte sich der Weg des Ehepaars über weitere Stationen und Übungsleiter-Ausbildungen bis zur Gründung der Althengstetter Abteilung unter dem Dach des Nagolder Vereins.

Parada, Cruzado, Ocho oder Sacado – die Figuren, Positionen oder Schrittfolgen mit den spanischen Bezeichnungen werden in den Trainingsstunden eingeübt, klar. Jedoch ist der Tango keiner Standardisierung unterworfen. "Keine zwei Tangos, die wir tanzen sind gleich, nicht wenn es dieselbe Musik ist und auch nicht, wenn ich sie mit dem gleichen Partner tanze", erzählt Angelika Hener. Denn der Tango stellt immer einen lebendigen, nonverbalen und je nach Stimmung der Tänzer anderen Dialog dar. Er bedeutet nicht Verschmelzung, sondern eher Vereinigung zweier zentrierter Wesen, die mit Achtsamkeit und Freiheit ihre Nähe und ihre komplementären Rollen von Führen und Folgen teilen, wie es in einem Fachbuch zum Thema heißt. "Deshalb kannst du auf der ganzen Welt tanzen, Tango ist international und wer Tango tanzt ist niemals allein!", sprudelt es begeistert aus der Übungsleiterin heraus.

Deren Begeisterung teilen auch Christel und Martin aus Heumaden, die der Althengstetter Tango-Sparte seit ihrer Gründung 2013 angehören. Sie fliegen in Kürze wie in jedem Jahr zu einem intensiven Tanz-Urlaub nach Fuerteventura. "Da tanzt jeder mit jedem, egal, ob Anfänger oder schon auf hohem Niveau", erzählt Martin, "und es wird erwartet, dass man so viel wie möglich tanzt. Wer nur ein, zwei Tänze mit dem eigenen Partner macht, wird im nächsten Jahr nicht mehr eingeladen." Bei diesen Milongas, deren Reiz ja gerade das Tanzen mit unterschiedlichen Partnern ausmachen, gelten weltweit die gleichen subtilen Regeln. Auffordern geht per "cabeceo", einem kurzen Kopfnicken des Mannes, auf das die Frau mit einem Nicken antwortet oder den Blickkontakt hält, wenn sie mit ihm tanzen möchte. Wenn nicht, lässt sie ihren Blick weiterwandern. Das geht auch umgekehrt, die Frau sucht den Blickkontakt zu einem Tänzer, einem Milonguero, mit dem sie gerne die nächste Reihe (Tanda) aus drei bis fünf Musikstücken tanzen möchte – eine feine Art der Damenwahl.

Vor 40 Jahren Leidenschaft geweckt

Esther und Norbert wurden vor 40 Jahren mit dem Tango-Virus "angefixt" bei einer Veranstaltung in der Stuttgarter Liederhalle, wie sie erzählen. Erst als die Kinder aus dem Haus waren, machten sie ihre ersten Tango-Schritte in VHS-Kursen. Bei einer Milonga in Nagold haben sie vor sieben Jahren Angelika und Thomas Hener kennengelernt und tanzen seither in Althengstett. Das Virus hat sie so sehr infiziert, dass sie parallel in einer Renninger Tango-Gruppe aktiv sind.

Dagmar kommt aus Remseck zu den Trainingsstunden, ihr Partner Georg aus Weil der Stadt. "Vor fünf Jahren habe ich in einer normalen Tanzschule einen Schnupperkurs gemacht und richtig Lust bekommen, künftig hier in Althengstett Tango zu tanzen mit meiner damaligen Tanzpartnerin", erzählt er. Seit zwei Jahren teilt jetzt seine Lebenspartnerin Dagmar seine Liebe zum Tango und nimmt dienstags die rund einstündige Fahrt ins Welschdorf auf sich.

Die aktuell zwölf Paare trainieren immer dienstags ab 19.30 Uhr im Übungsraum über der Neuhengstetter Festhalle. In den Sommermonaten bei schönem Wetter trainieren und tanzen die Tangueras und Tangueros allerdings in Althengstett auf dem Schachspielfeld in der Ortsmitte beim Seniorenzentrum. "Das ist der ausdrückliche Wunsch unseres Bürgermeisters Clemens Götz", betont Angelika Hener.

Es ist eine charmante Gelegenheit, sich zu präsentieren und Interesse zu wecken. Und Zuschauer können ganz einfach in sich hineinspüren, ob Tango tanzen vielleicht ein bereicherndes Hobby sein könnte.

Wer neugierig auf Tango Argentino ist, darf jederzeit bei den Trainingsstunden reinschnuppern. Die Übungsleiter bitten dafür um eine kurze Anmeldung vorab und sind zu erreichen per Mail an a.hener@web.de oder per Telefon unter 07051/1 38 09.