Viele Gäste sind ins Congress Center nach Altensteig-Wart gekommen, um das Jubiläum der Raiffeisenbank zu feiern. Fotos: Köncke Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Werner Böhnke spricht beim Wirtschaftsforum über die Ideale des Genossenschaftsgründers

Vor 200 Jahren wurde Friedrich Wilhelm Raiffeisen geboren. Sind die Ideen des Sozialreformers noch aktuell? Die Frage beantwortete der Vorsitzende der Deutschen Raiffeisengesellschaft, Werner Böhnke beim Wirtschaftsforum der Volks-und Raiffeisenbanken im Kreis Calw mit einem klaren Ja - und sparte bei seinem Vortrag nicht mit Kritik an Zuständen in heutiger Zeit.

Kreis Calw. Jörg Stahl begrüßte im Congress Center in Altensteig-Wart 270 Zuhörer, darunter Landrat Helmut Riegger, zahlreiche Bürgermeister der Region und führende Unternehmer. Der Bankchef erinnerte in seiner Einführung an einen Mann, für den Solidarität und Hilfe zur Selbsthilfe keine Worthülsen, sondern Triebfedern seines Handels gewesen seien. Die Erschließung von Straßen und Wegen, Linderung von Not durch Gründung eines Hilfsvereins, eine gute Schulbildung und der Aufbau eines Genossenschaftswesens seien Friedrich Wilhelm Raiffeisen am Herzen gelegen. Stahl: "Allein in Deutschland sind inzwischen nahezu 23 Millionen Mitglieder einer Genossenschaft – Tendenz steigend". Kurz ging das Vorstandsmitglied auf die aktuelle Situation von Banken ein, die durch eine anhaltende Niedrigzinspolitik und eine überbordende Regulatorik "belastet werden" – als neuestes Beispiel nannte er die Datenschutzgrundverordnung. Dass die europäische Einlagensicherung vergemeinschaftet werden soll, lehnt Stahl entschieden ab.

Bildungspolitik läuft aus dem Ruder

Für den Nagolder Dekan Ralf Albrecht ist "die Zeit reif für Raiffeisen". Der als Sohn eines Landwirts aufgewachsene, überzeugte evangelische Christ habe sich auch und besonders um die Armen gekümmert. Für Raiffeisen sei Geld kein reiner Selbstzweck gewesen. Albrecht: "Wenn Geld ein Herz und eine Seele hat, dann erbaut es die Menschen und die Welt".

Der Vater des Genossenschaftswesens hat nach Ansicht von Werner Böhnke "den Nerv der Zeit getroffen". Raiffeisen sei kein Theoretiker gewesen sondern ein Praktiker, der mit beiden Beinen im Leben gestanden habe. Begriffe wie Fleiß, Anstand, Fairness, Selbstvertrauen und Selbstverantwortung seien Maxime seines Handels gewesen. Wert habe er auf eine gute Schulbildung gelegt. Und da setzt die Kritik von Böhnke an. Bei der heutigen Bildungspolitik sei "einiges aus dem Ruder gelaufen", sie sei zum pädagogischen Experimentierfeld verkommen. Wenn Schüler der vierten Klassen nur stockend lesen und kaum fehlerfrei schreiben könnten und viele Schulabgänger nur über einfachste mathematische Kenntnisse verfügten, sei das "ein Skandal". Schlecht bestellt ist es für Böhnke auch um die Infrastruktur in Deutschland bestellt: "Wenn ich nur n den Zustand vieler Straßen denke..."

Dass Entscheidungsspielräume durch staatliche Richtlinien, Verordnungen und Dokumentationspflichten immer mehr eingeschränkt werden, ärgert den Vorsitzenden der Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft. Mit Sorge beobachtet er, dass Firmen Insolvenz anmelden müssten oder in Konkurs gingen und die Vorstände mit hohen Bonuszahlungen abgefunden werden. Zum Schluss seines Vortrags riet der 66-Jährige dazu, mit Zukunftsängsten gelassener umzugehen und rief den Zuhörern im Congress Center zu: "Schenken wir denen unsere Aufmerksamkeit, die sich anstrengen, leistungsbereit und bildungshungrig sind".