Viele Berufe haben heute einen neuen Namen, aber nur bei wenigen hat sich dadurch das gesellschaftliche Ansehen verbessert. Ein Beispiel ist der Beruf Erzieher. Foto: dapd

Bei Krankenschwestern, Müllmännern und Putzfrauen haben die offiziellen Bezeichnungen kaum einen Effekt – die gesellschaftliche Wertschätzung ist trotzdem nicht groß.

Stuttgart - Jeden Tag kümmert sich ein Facility-Manager um tropfende Wasserhähne und klemmende Kellertüren. Gleichzeitig kellnert eine Restaurantfachkraft im Café und schaffnert ein Zugbegleiter auf der Fahrt nach Düsseldorf, während die Fachkraft im Fahrbetrieb ihren Bus durch die Straßen lenkt.

Viele Berufe wurden in den letzten Jahren umbenannt. Stellenausschreibungen werden immer komplizierter, nicht nur weil auf Geschlechterneutralität geachtet wird, sondern vor allem weil die Bezeichnungen immer sperriger und länger werden. Mit der Umbenennung will man Berufen einen neuen Anstrich geben. Ob die Berufe durch einen neuen Namen eine höhere Wertstellung genießen, ist fraglich. „Das ist Etikettenschwindel“, sagt Volker Mörbe, Personalrat beim Klinikum Stuttgart. Aufgewertet würden Berufe nicht durch eine Umbenennung. Es sei denn, mit der Umbenennung werden auch die Inhalte erneuert.

Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft

Die Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft

So genieße zum Beispiel der frühere Ver- und Entsorger heute als Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft eine wesentlich höhere Stellung im Betrieb, erklärt Reinhard Hanselmann, Personalratsvorsitzender der Stuttgarter Abfallwirtschaft. Die Fachkräfte sind für die Überwachung der Trennung und Verwertung von Müll sowie für die Dokumentation des Recycling-Prozesses zuständig. „Die Stoffe werden ja immer weiter aufgesplittet. Da muss man inzwischen gute Chemiekenntnisse haben.“ Ändert sich nichts im Berufsbild, kommt es auch zu keiner gesellschaftlichen Aufwertung der Berufe, sagen Experten.

Agrarwirt

Der Agrarwirt

Sucht man in der Datenbank der Bundesagentur für Arbeit nach traditionellen Berufen, so bleibt man meist ohne Erfolg. Vergeblich ist die Suche nach einem Bauern – stattdessen findet man einen Agrarwirt. Auch die Berufsbezeichnung Müller existiert nur noch im Volksmund – heute ist er ein Verfahrensmechaniker in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft. Gleichzeitig gibt es knapp 700 spezialisierte Facharbeiter, Fachangestellte, Fachkräfte und Fachkaufleute für verschiedene Wirtschaftszweige.

Gesundheitspfleger

Der Gesundheitspfleger

Neue Berufsbezeichnungen gibt es auch im Krankenhaus. Seit 2003 wird der Nachwuchs nicht mehr zur Krankenschwester ausgebildet. Er wird jetzt zum Gesundheits- und Krankenpfleger. An der Ausbildungsordnung und dem Berufsbild habe sich allerdings nichts geändert, sagt Volker Mörbe vom Klinikum Stuttgart. Er hat lange Zeit als Krankenpfleger gearbeitet. Der Berufsalltag sei gleich geblieben – eine höhere Stellung würden die Pfleger im Krankenhaus deswegen nicht genießen. Den Begriff Krankenschwester findet er diskriminierend. „Das hat so einen Beigeschmack von Klöstern und Orden – als bräuchte es nur ein gutes Herz für diese Arbeit.“ Pflegekräften, die noch vor 2003 ausgebildet wurden, ist es freigestellt, wie sie sich nennen wollen. Viele benutzen weiterhin den Begriff Schwester.

Facility-Manager

Der Facility-Manager

Auch Nicola Frank, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Gesellschaft für deutsche Sprache, kann vielen neuen Berufsbezeichnungen nicht viel abgewinnen. „Oft sind die neuen Namen einfach nur beschönigend. Der Hausmeister kann sich nicht viel dafür kaufen, dass er jetzt Facility-Manager heißt.“

Mülllader

Der Mülllader

Ähnlich geht es auch dem im Volksmund als Müllmann bekannten Mülllader. Der Beruf wechsle alle paar Jahre die Bezeichnung, berichtet Reinhard Hanselmann von der Stuttgarter Abfallwirtschaft. „Früher hießen sie Müllwerker, jetzt sind es Mülllader.“ Das Berufsbild habe sich aber nicht geändert. Auch eine gesellschaftliche Aufwertung des Berufs sei nicht erfolgt. „Dem Müll haftet nach wie vor etwas Negatives an, und die Arbeit bleibt auch die gleiche.“ Die Bezeichnung sei den meisten Müllladern da egal.

Erzieher

Der Erzieher

Auch Renate Seifert, Leiterin eines Kindergartens in Esslingen, ist die korrekte Berufsbezeichnung als Erzieherin im Grunde egal. Obwohl sie selbst im Beruf den Begriff Erzieherin benutzt, sei es auch kein Problem für sie, wenn man sie zum Beispiel in einem Elterngespräch eine Kindergärtnerin nennt. Zumindest, solange man ihr Respekt und Achtung entgegenbringt. Wird ihr fachlicher Rat von Eltern abgelehnt oder sprechen Menschen herablassend mit ihr, spielt Seifert die Karte mit der korrekten Berufsbezeichnung dann schon aus. „Wir haben schließlich eine qualifizierte Ausbildung.“ Treffender noch als der Begriff Erzieherin sei die Bezeichnung mancher Kinder, deren Eltern aus Italien stammen. Diese nennen sie mit großer Selbstverständlichkeit eine Lehrerin. „Wir sind ja auch kein Aufbewahrungsort, sondern eine Bildungseinrichtung.“ Der gesellschaftliche Status von Erziehern sei allgemein im Argen, da könne die Bezeichnung lauten, wie sie wolle.

Gebäudereiniger

Der Gebäudereiniger

Gleiches gilt wohl für die Arbeit von Reinigungskräften. Diese tragen zwar seit 1934 offiziell den Namen Gebäudereiniger – im Volksmund ist das aber noch immer nicht angekommen. Da heißen sie nach wie vor Putzfrauen. Die Arbeit werde chronisch unterschätzt, sagt Ilene Hördt, Betriebsratsvorsitzende der Unternehmensgruppe Gegenbauer. „Die wenigsten wissen, dass das ein Ausbildungsberuf ist.“ Die Bezeichnung Putzfrau „geht gar nicht. Man sollte die Reinigungskräfte nicht so degradieren. Das ist schwere körperliche Arbeit“, sagt Hördt. Obwohl das Handwerk nun schon seit 78 Jahren Gebäudereinigung heißt, ist eine wirkliche Aufwertung des Berufsbilds bisher nicht eingetreten.

Mechatroniker

Der Mechatroniker

Gewisse Effekte zeigen die Bezeichnungen aber bei der Berufsorientierung. „Manche Begriffe finden großen Anklang bei den Jugendlichen“, berichtet Michaela Geya, Leiterin des Teams Berufsorientierung der Handwerkskammer Stuttgart. Sie informiert Schüler über ihre Berufsperspektiven im Handwerk. „Dieses Wort Mechatroniker ist die Erfindung schlechthin“ – gerade Jungenaugen würden sofort leuchten, wenn Geya von diesem Beruf erzählt, der früher im Kfz-Handwerk Automechaniker hieß, heute aber hohe Ansprüche an die Elektronikkenntnisse stellt. Ausschlaggebend sei der Name aber nicht bei der tatsächlichen Berufswahl. Da zählten dann doch die Inhalte.

Mediengestalter

Der Mediengestalter

Dem stimmt auch Andreas Pieper, Sprecher des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) zu. Auch er spricht den Berufsbezeichnungen eine Wirkung zu. „Das ist wie eine Visitenkarte. Der Beruf hat eine große Signalwirkung.“ Beispielsweise sprang seit der Umbenennung des Schriftsetzers in einen Mediengestalter für Digital und Print die Zahl der Ausbildungsverträge von 2900 auf 4000. Die Bewerberzahlen seien wohl um ein Vielfaches höher, sagt Pieper. „Da werden zwei innovative, kraftvolle Wörter miteinander verbunden.“ Das ziehe das Interesse der Jugendlichen an. Da in diesem Fall auch die Inhalte der Ausbildung verändert wurden, sei der Zuwachs aber neben der Bezeichnung vor allem auf neue Inhalte zurückzuführen.