Ein Bürgermeister, sagt Teufel gerne, "ein Bürgermeister hat mehr Gestaltungsmöglichkeiten als mancher Minister". Foto: Kästle

Politiker steht für bürgernahe Kommunalpolitik. 1964 mit 25 zum damals jüngsten Bürgermeister Deutschlands gewählt.

Spaichingen - Villingen-Schwenningen hat Erwin Teufel (CDU) immer etwas bedeutet. Er hat sich verwendet für die Stadt am Schnittpunkt zwischen dem badischen und dem württembergischen Landesteil. Gelegentlich hat er sich auch gerieben am Gang der Kommunalpolitik in der Doppelstadt. Und Bürgermeister? Deren Stellenwert beim Alt-Ministerpräsidenten ist kaum zu überschätzen. 1964 ist er mit gerade 25 zum damals jüngsten Bürgermeister Deutschlands gewählt worden – im nahen Spaichingen, wo er zusammen mit Frau Edeltraud bis heute unterm Dreifaltigkeitsberg wohnt. Warum auch sollte man hier wegziehen?

Der Bürgermeister

Ein Bürgermeister, sagt Teufel gerne, "ein Bürgermeister hat mehr Gestaltungsmöglichkeiten als mancher Minister".

Ein paar Überlegungen zum Amt des Bürgermeisters also? In Villingen-Schwenningen? Erwin Teufel musste nicht lange überzeugt werden für die Zusage: Bei der Diskussion des Schwarzwälder Boten vor der OB-Wahl in Villingen-Schwenningen vor knapp einem Jahr übernimmt er die Einstiegsworte: Vor den 900 Zuhörern in der Tonhalle entwirft Teufel in klaren, präzisen Sätzen das Bild einer bürgernahen, zupackenden Kommunalpolitik mit dem Bürgermeister in zentraler Entscheider- und Vermittlerrolle. Wie es der amerikanische Politologe Benjamin Barber sagt: Würden Bürgermeister die Welt regieren, es ginge uns besser.

Vorträge, Reden, Impulsreferate, Interviews: Am 4. September wird Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident (1991 bis 2005) 80 Jahre alt. Der Terminkalender ist immer noch dicht. Äußerungen zur Tagespolitik indes meidet Teufel. Diese lassen sich so schnell missverstehen. Dann lieber der Festvortrag zum Beispiel bei der 100-Jahr-Feier der katholischen Kirchengemeinde St. Benedikt in Alpirsbach im Nordschwarzwald. Oder bei der Stiftung "Solidarität am Ort" im oberschwäbischen Ravensburg. Christentum und Politik: vertrautes Terrain für den Katholiken. Ein viertel Jahrhundert war Teufel Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Ein kritischer Geist im ZdK. Im Interview mit der KNA (Katholischen Nachrichtenagentur) hat er erst jüngst wieder die Reformfähigkeit der Kirche eingefordert.

Die Familie

Etwa bei der Gleichberechtigung der Frauen, weil es "um Menschenrechte und nicht um Männerrecht" gehe. In Alpirsbach im "Haus des Gastes" spricht Teufel über die EU als Friedens- und Freundschaftsgemeinschaft. Eines seiner Kernanliegen: Die Europäer sind in der schlimmsten Not nach dem Zweiten Weltkrieg nicht alleingelassen worden. Daraus ergebe sich Verantwortung, anderen Menschen weltweit zu helfen.

Zweiter Weltkrieg; dieser Tage wird an den Überfall auf Polen vor 80 Jahren erinnert – am 1. September 1939. Drei Tage danach ist Erwin Teufel als ältestes von neun Kinder einer Bauernfamilie aus Zimmern ob Rottweil zur Welt gekommen. 1944 erhält Vater Josef den Stellungsbefehl und muss an die Ostfront. Zu Fuß kehrt er aus Kriegsgefangenschaft in sein Heimatdorf zurück. Das Grauen des Nationalsozialismus birgt denn auch die Initialzündung für das politische Interesse schon des Gymnasiasten Erwin Teufel. Doch dazu später.

Der Oberndorfer Heiner Geißler (20 Jahre danach Generalsekretär der CDU, im Alter Attac-Mitglied) hatte dem Freund noch ausreden wollen, mit der Mittleren Reife vom Gymnasium abzugehen, doch Teufel strebt in Haigerloch (Zollernalbkreis) die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst an. 1961 wird er Regierungsinspektor beim Landratsamt in Rottweil.

Zu diesem Zeitpunkt ist er schon fünf Jahre in Junger Union und CDU. Mehrere Jugendorganisationen hatte er angeschrieben. Die Antworten der Christdemokraten überzeugen ihn am meisten. Das Spielfeld des Erwin Teufel sollte die Landespolitik werden. Niemand macht ihm in dieser Arena etwas vor.

Der Abgeordnete

Am 23. April 1972 wird Teufel zum ersten Mal in den Landtag gewählt: als Direktkandidat des Wahlkreises Villingen-Schwenningen. Die Junge Union will ihn für ein Ministeramt durchdrücken. Doch Teufel unterliegt in einer Kampfabstimmung Annemarie Griesinger, der ersten Landesministerin im Ressort Arbeit und Soziales. Dem JU-Mann bleibt ein Posten als Staatssekretär beim Innenminister. Ein neues Thema aber rückt ins Blickfeld: die Umwelt. Müllskandale irritieren das Land. Ministerpräsident Hans Karl Filbinger (CDU) reagiert: Teufel wird Staatssekretär für Umweltschutz.

1978 setzt der Spaichinger zum nächsten Schritt an: Die CDU-Fraktion wählt ihn zum Vorsitzenden. Teufel erkennt schnell die Möglichkeiten dieser Schaltzentrale, agiert über ein Jahrzehnt lang höchst effizient, auf Konsens gebügelt, aber mit klaren Zielvorstellungen, ohne Mätzchen.

Der Ministerpräsident

Als im Januar 1991 Lothar Späth (CDU) in der Traumschiff-Affäre die Segel streicht, läuft es auf Teufel als sechstem Ministerpräsidenten des Bindestrich-Bundeslandes hinaus. Bei der Wahl erhält er sogar fünf Stimmen aus der Opposition. In seiner Art setzt sich der neue Regierungschef vom quirligen Vorgänger ab.

In Stil und Form prägt der Spaichinger das Amt so, dass am Ende der bedachtsame Winfried Kretschmann von den Grünen besser in die Nachfolge passt als ein huschiger Günther Oettinger oder ein machtmenschlicher Stefan Mappus aus den eigenen Reihen. Teufels Regierungsjahre jedenfalls sind eine fruchtbare Zeit für Baden-Württemberg. Der Christdemokrat gehört gewiss zu den Konservativen im Land, aber zu denen aus der pragmatischen, undogmatischen Ecke. Auf ihn ist Verlass. Vieles wurde in den Teufel-Jahren umgesetzt, wovon zuvor nur lauthals die Rede war. Senderfusion, EnBW-Zusammenschluss, Verwaltungsreform, Finanzausgleich: Teufel ging die mühsamen, die arbeitsintensiven Fleißaufgaben der Landespolitik an. Für eine Handvoll Vorzeigeprojekte hat es gleichwohl noch gereicht.

Rückschläge verkraftet er nach außen felsenfest – im Innern dürfte es gebrodelt haben. Was mit Vernunft nicht zu fassen ist, liegt dem Bauernsohn nämlich weniger. 1996 werden ihm im Landtag Stimmen bei der Wahl zum Ministerpräsidenten vorenthalten. Er verblasse neben seinen bayerischen Amtskollegen, wird ihm immer mal wieder vorgehalten und versteckte sich in der Bundespolitik wie vor Talk-Shows.

Und dann das in bis heute nicht völlig aufgearbeitete parteiinterne Mobbing vor dem Rückzug des Ministerpräsidenten im Jahr 2005. Plötzlich kann es einigen Parteifreunden nicht schnell genug gehen. Im Nachfolge-Zweikampf unterliegt dann noch Teufels katholische Gesinnungsfreundin Annette Schavan seinem Nachfolger als Fraktionschef, Günther Oettinger. Zu alt für das Amt hatte sich Teufel nicht gefühlt.

Der Student

Den Rückzug nutzt er immerhin, sich einen Lebenswunsch zu erfüllen: Er studiert bis 2008 an der jesuitischen Hochschule für Philosophie in München und bezieht dazu eine Studentenbude beim Redemtoristenorden.

Wir wollten freilich noch erzählen, wie der Dorfbub aus Zimmern überhaupt zum Homo Politicus wurde. Erwin Teufel hat es uns geschildert, als wir zum 50. Geburtstag des Landes Baden-Württemberg mit dem Ministerpräsidenten einen Spaziergang auf dem Klippeneck unternahmen. "Ich bin in das Land verliebt. Wirklich verliebt!" hatte Teufel uns im Wanderschritt angestrahlt. Gescherzt hatte man über Launen der Politik, Gedanken ausgetauscht über die vielfältige Landschaft, den Tüftlergeist im Land, die Wirtschaftskraft. Auf die Frage nach seinem Zugang zur Politik dann wurde Erwin Teufel noch eine Spur ernsthafter, als man ihn kennt.

"Die Auseinandersetzung mit den Schrecken des Nationalsozialismus, das Vorbild der Männer und Frauen des Widerstands", antwortet er. Innerlich aufgewühlt habe ihn das Schicksal der Geschwister Scholl, nichts habe ihn in der Jugend stärker geprägt als der Widerstand im Dritten Reich.

Der Geburtstag

Diese Wurzeln werden mitschwingen, wenn am 7. September im Villinger Münster die Heilige Messe zum 80. Geburtstag des Ex-Ministerpräsidenten gelesen wird. Bürgerwehren spielen auf zum Großen Zapfenstreich. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird erwartet, auch Annette Schavan. "Er war ein rechter Mann", so hat Erwin Teufel einmal die Frage des Deutschlandfunks danach beantwortet, was er als Eintrag in die Geschichtsbücher über sich lesen möchte. Zum Geburtstag hört sich schon mal vieles danach an.