Ingmar Wein will die letzten Wochen des neuseeländischen Winters noch ausnutzen.Foto: Wein Foto: Schwarzwälder Bote

Reise: Fotograf Ingmar Wein ist auf der Südinsel unterwegs

Alpirsbach. Seit Anfang Februar ist Ingmar Wein, Fotograf aus Alpirsbach, in Neuseeland. Wegen der Corona-Krise unterscheidet sich seine jetzige Reise allerdings von seinen bisherigen Trips. Derzeit genießt er beim Skifahren die letzten Wochen des Winters.

Die Infektionszahlen in Neuseeland sind niedrig. Zwischenzeitlich hatte die Regierung das Land sogar für coronafrei erklärt. Ist in Neuseeland inzwischen wieder "normales" Leben eingekehrt?


Neuseeland hat es auf 100 Tage ohne Corona geschafft. Und dann ging es wieder von vorne los. Der Ansatz hier ist, die Grenze zu schließen, dadurch kommen keine weiteren Fälle ins Land. Allerdings können Neuseeländer, die im Ausland waren, nach wie vor einreisen. Sie müssen allerdings für 14 Tage in Quarantäne. Es gibt täglich neue Fälle, die bisher aber alle innerhalb der Quarantäne-Einrichtungen geblieben sind. Vor ein paar Wochen gab es dann wieder den ersten Fall in Auckland. Auckland wurde dann innerhalb sehr kurzer Zeit wieder in einen Level-3-Lockdown versetzt, um zu vermeiden dass sich das Virus weiter verteilt. Der Rest des Landes ist seitdem auf der Covid-19-Stufe 2. Das heißt, dass Abstandsregeln wieder gelten. So sollte man etwa beim Einkaufen zwei Meter Abstand voneinander halten. Ebenfalls dürfen Events nur bis maximal 100 Personen stattfinden. 


Sind Sie selbst von keinen Einschränkungen mehr betroffen?

Man hat sich mittlerweile an die Regeln gewöhnt, das Leben geht zum größten Teil normal weiter. Die Abstandsregeln sind sinnvoll und werden hier von der Bevölkerung auch eingehalten. Restaurants beispielsweise haben alle soweit offen, vieles läuft jetzt über "Takeaways" (Zum Mitnehmen, die Redaktion). Ich finde, dass Neuseeland ein sehr gutes Mittelmaß gefunden hat, um das Virus in Schach zu halten. Bricht irgendwo ein Fall aus, wird die Region in einen Lockdown versetzt, im Rest vom Land geht es aber gemäß Level 2 recht normal weiter. So können Geschäfte zum Beispiel normal offen haben. Skigebiete haben ebenfalls offen, operieren allerdings mit einer maximalen Anzahl an Personen. Ebenfalls wird darauf geachtet, dass Gruppen zusammen in die Sessellifte steigen, bei Einzelpersonen wird darauf geschaut, dass der Abstand gehalten wird.






Was hat Ihrer Meinung nach die neuseeländische Regierung richtig gemacht?

Die Regierung hier hat sehr schnell die verschiedenen Level-Stufen entwickelt. Von Level 1 (keine Abstandsregeln, Events jeglicher Art dürfen stattfinden) über Level 2 (zwei Meter Abstand auf Fremde, Events bis 100 Personen) zu Level 3 (zwei Meter Abstand, Maskenpflicht in der Öffentlichkeit, Restaurants dürften nur noch Takeaways anbieten, Arbeit ist per Homeoffice möglich). Bei Level 4 dürfen dann nur noch wichtige Geschäfte wie Supermärkte offen haben, ansonsten hat aber alles zu. Man soll das Haus nur noch zum Einkaufen verlassen. Das ist meiner Meinung nach eine sinnvolle Einteilung.

Was die Regierung hier gut macht, ist die Effizienz dieser Stufen voll auszunutzen. Mein Eindruck von Europa ist, dass sobald Maßnahmen funktionieren, diese direkt wieder gelockert werden. Hier in Neuseeland werden diese Maßnahmen solange aufrecht erhalten, bis sie ihren Zweck erfüllt haben. So war das Land in Level 4 beziehungsweise später auf Level 3, bis es keine Covid-19-Fälle mehr im Land gab. Bricht wieder ein neuer Fall aus, werden die Maßnahmen wieder hochgefahren, bis sichergestellt ist, dass es keine weiteren Neuansteckungen mehr gibt. Ein weiterer starker Punkt der Regierung in Neuseeland ist die direkte Kommunikation mit der Bevölkerung. Maßnahmen werden direkt an die Bevölkerung weitergegeben, ebenfalls werden Maßnahmen klar und deutlich kommuniziert. Es wird vom Team der "Five Million" (Fünf Millionen) gesprochen, damit wird klar, dass jeder seinen Teil dazu beiträgt. Die Neuseeländer scheinen ihren Egoismus hier im Vergleich zu vielen europäischen Länder abgelegt zu haben, es ist wichtiger, seine Nachbarn, sein Umfeld, die Kassiererin im Supermarkt, die Personen in Altersheimen zu schützen, anstatt sich auf seine Freiheitsrechte zu berufen.

Haben Sie Deutschland und Alpirsbach noch im Blick? Was bekommen Sie von der Lage dort mit?

Mit meiner Familie in Reinerzau stehe ich in Kontakt, da scheint sich die Lage normalisiert zu haben. Die Ferienhäuser meiner Eltern sind sehr gut gebucht, viele Urlauber kommen aus der Region. Das sind positive Nachrichten. Es ist schön, dass viele Urlauber klimafreundlicher im eigenen Land reisen, anstatt in die Karibik zu fliegen. Die allgemeine Lage in Deutschland zu beurteilen ist schwierig, da fehlt mir der Bezug dazu. Demonstrationen wie in Berlin oder Stuttgart werden hier in Neuseeland sehr kritisch gesehen. Mir fällt auf, dass viele egoistische Handlungen Überhand nehmen, wie der Verzicht auf das Tragen von Masken. Dabei stellt sich ein Individuum über das Wohlergehen eines ganzen Landes, dadurch ergibt sich eine direkte Gefahr für die Bevölkerung über 60. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Sie hatten geplant, ab Mitte Mai auf die Südinsel zu gehen. Was ist daraus geworden? Waren Sie dort schon Skifahren?

Aus Mitte Mai wurde Ende Juli. Der Kiwi-Packhouse-Job (wir berichteten) ging bis Mitte Juni, dann habe ich den Van komplett umgebaut, sodass er der Self-Contained-Regulierung in Neuseeland entspricht. Das heißt, dass der Van jetzt ein Waschbecken, Frisch- und Abwasser hat, zusätzlich ist eine Toilette eingebaut. Ebenfalls hat der Van eine Solarzelle mit zweiter Batterie bekommen, sodass ich meinen Laptop und das Kamera-Equipment bequem im Van aufladen kann. Seit August bin ich jetzt auf der Südinsel in den Bergen unterwegs.

Was sind ihre weiteren Pläne für ihre Reise durch Neuseeland?

Solange wie möglich werde ich noch den Schnee ausnutzen, um Skitouren zu laufen. So langsam merkt man aber schon den Frühling, dann werde ich über die Südinsel reisen und viel fotografieren. Das Visum läuft im Mai 2021 aus, ich habe also noch etwas Zeit hier. Davor meldet sich eher das Konto. Aber dafür gibt es genügend "Backpacker-Jobs" in der Landwirtschaft, auch die Fotografie-Aufträge ziehen wieder an.  Die Fragen stellte Alexander Reimer.