In Stuttgart soll Alkohol an öffentlichen Plätzen zeitweise verboten werden. Foto: dpa

Ordnungsbürgermeister fordert zeitlich befristetes und örtlich begrenztes Alkoholverbot in Stuttgart.

Stuttgart – Herr Schairer, die Schwerpunktaktion von Polizei, Stadt und Zoll am letzten Wochenende in der Innenstadt hat gezeigt, dass es weiter Gewalt und Alkoholexzesse in der Vergnügungsszene gibt. Wie sicher ist Stuttgart denn aus Ihrer Sicht?
Die Sicherheitslage ist grundsätzlich gut. Nur die Spitzen gefallen uns nicht. Da muss man dagegen vorgehen, signalisieren, dass wir die Bürger nicht alleine lassen wollen. Es geht um die Lebensqualität in der Stadt.

Aber so viele Körperverletzungen und Raubüberfälle gab es an jenem Wochenende gar nicht.
Es geht aber nicht nur um Statistiken, und vor allem geht es auch nicht nur um die Zahl von Straftaten. Mir geht es darum, schon unterhalb dieser Schwelle einschreiten zu dürfen – schon bei Ordnungsstörungen wie etwa Pöbeleien, Belästigungen oder Scherbenhaufen.

Wo sind die Brennpunkte?
Da gibt es Stellen wie den Berliner Platz, das Hospitalviertel, die Partymeile– aber das ändert sich ständig. Die Szene ist in Bewegung.

Deshalb fordern Sie ein befristetes Alkoholkonsumverbot, wie es Freiburg mal versucht hat und wie es Innenminister Reinhold Gall (SPD) auf den Weg bringen will.
Dazu gab es im letzten Jahr schon Vorschläge und Forderungen der Oberbürgermeister, auch des Städtetags. Ich selbst habe im November 2011 beim Arbeitskreis Sicherheit im Personennahverkehr eine Änderung des Paragrafen 27 a im Polizeigesetz ausgearbeitet, der die Frage der Platzverweise regelt. Dabei sind bei mir nicht Straftaten, sondern auch Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung die Schwelle zum Einschreiten. Das Verbot muss aber auf maximal zwei Wochen befristet sein.

Aber das Polizeigesetz bietet doch schon jetzt Möglichkeiten.
Da tun sich Rechtsexperten aber noch schwer. Das sieht man ja daran, dass der Verwaltungsgerichtshof die Stadt Freiburg 2009 gestoppt hat. Wir brauchen eine spezialgesetzliche Erlaubnisgrundlage.

Was der Innenminister vorhat, und selbst das ist ja innerhalb der Regierungskoalition noch umstritten, reicht Ihnen aber nicht?
Ja, denn da ist immer von Straftaten die Rede. Ich will aber schon Ordnungswidrigkeiten als Schwelle. Das ist des Pudels Kern. Man muss nicht immer erst warten, bis Blut fließt. Es geht um Vorbeugung. Und darum, dass die Kommunen die Möglichkeit bekommen, das selbst entscheiden zu können, wann und wo man eingreift. Wir müssen den Auswüchsen im Sinne der Gefahrenabwehr einen Riegel vorschieben.

Doch wie soll der funktionieren, dieser Riegel?
Die Zone darf natürlich nicht zu groß sein. Man muss das kontrollieren können.

 

"In München hat man mal ein Verbot für eine Partymeile erlassen"

Aber was bringt das, wenn man problemlos ein paar Meter weiter bechern kann? Außerdem weiß man ja, dass das Partyvolk aus der Region bereits auf der Anfahrt vorglüht.
Das ist ja klar, dass es einen gewissen Verdrängungseffekt geben kann. Aber schauen Sie doch nur auf das nächtliche Verkaufsverbot an Tankstellen: Das hat durchaus die Lage verbessert, weil dadurch Gelegenheiten vermindert werden.

Und wie machen Sie eine Verbotszone erkennbar?
In München hat man mal ein Verbot für eine Partymeile erlassen. Das muss natürlich genau definiert werden.

Aber wie ist das etwa bei der Partymeile Theodor-Heuss-Straße? Müssen die Wirte ihre Außengastronomie dichtmachen?
Nein, die Außenbereiche der Lokale sind natürlich nicht betroffen.

Aber wo ist dann die Grenze? Wer mit der Flasche nebenan auf dem Gehweg steht, ist dran?
Die Lokale haben ihre konzessionierten Flächen. Das lässt sich alles regeln. Mir geht es um jene selbst geschaffenen Konsum-Orte, an denen es ausartet. Also vor allem um die Wege und Zugänge. Aber auch um Parkanlagen und Spielplätze, wenn es da entsprechende Erkenntnisse gibt.

Und die Freitreppe am Kunstmuseum?
Auch die könnte mal für zwei Wochen mit einem Konsumverbot belegt werden – aber eben nur, wenn dort etwas passiert ist und die Lage es erfordert. Aber wie gesagt: Das Verbot soll nicht automatisch und dauerhaft gelten, sondern für den Fall der Fälle eine Option sein. Das war dort an der Freitreppe bisher aber noch nie notwendig.

Eine Option wäre auch die übergreifende Zusammenarbeit in der Region – die Jugendämter wollten über Stadtgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Ist das eingeschlafen?
Dazu kann ich sagen: Wir arbeiten weiter daran.

Trauen Sie sich denn nachts auf die Straße?
Ja, ohne Bedenken. Zugegeben, in meinem Alter bin ich in der Regel um 3, 4 Uhr morgens nicht mehr unterwegs. Aber meine Töchter trauen sich auch noch in die Stadt.