Albrecht Metzger hat sein Soloprogramm rund 40 Mal in seiner eigenen Küche vor ausgesuchtem Publikum präsentiert, bevor er damit nun auf größere Bühnen zieht. Foto: Ralf Hahnke/Theaterhaus

Als Moderator des ARD-Rockpalasts gelangte er in den 70er Jahren zu Berühmtheit. Albrecht Metzger, einstiger Protagonist großer Rock-Events, wurde Comedian und verlor den Anschluss an die junge Generation. Nun ist er mit seinem neuen Soloprogramm zurück und kommt nach Stuttgart.

Für Rock’n’Roll ist man nie zu alt. Mick Jagger (80), Keith Richards (79) und Ron Wood (76) stehen auch als betagte Herren noch auf der Bühne und versetzen weltweit Millionen in Verzückung. Oder sind’s Milliarden? Wer sich mit 78 Jahren nun auch nochmals mit dem Geist des alten Rockrebellen vor die Menschheit wagt, ist Albrecht Metzger aus Leinfelden-Unteraichen. Am Mittwoch lotst er uns in Stuttgart durch die „musikalisch erzählte Zeitreise“ mit dem Titel „Strictly old school“.

Welche Musik er dabei als Vehikel ins Gestern auflegt, verrät seine Biografie. Als Jungspund hatte Metzger den Traumjob aller Traumjobs: Von 1977 bis 1984 moderierte er den „Rockpalast“ der ARD, Live-Konzerte aus der Essener Gruga-Halle, europaweit ausgestrahlt und zur Legende geworden. Pro Sendung erreichte er Millionen von Zuschauern – und zur Begrüßung schrie er ihnen etwas entgegen, das Kult wurde bei allen, die dabei waren. „Dschörmen Televischen proudly prisents“, vier Worte, irgendwie Englisch, aber unüberhörbar mit Schwäbischem grundiert. Das klang schon sehr, sehr merkwürdig, was da aus dem Fernseher purzelte. Kein Wunder, dass es Jahrzehnte dauern sollte, bis ein Oettinger mit seinem Schwabo-Denglish ähnlich populäre Höhen erklomm wie damals Albrecht Metzger, sprachlich betrachtet.

Metzger kommt als Alleinunterhalter

In seinem unverwechselbaren Idiom stellte der Moderator auch die auftretenden Heroen vor. Rory Gallagher, Peter Gabriel, Patty Smith, The Who, Grateful Dead und so weiter: Metzger hat sie alle gehabt. Fast. Und weil Adel selbst in Rock und Pop verpflichtet, stellt sich die Frage, wen er 40 Jahre später im Theaterhaus ansagen wird. Dylan etwa, den Mr. Rockpalast neben den Stones auch noch gerne in der Gruga-Halle begrüßt hätte?

Nein, Metzger bringt Metzger mit. Als Alleinunterhalter verspricht er aber, sein Bestes zu geben. Die Chancen stehen gut, denn mittlerweile ist der Entertainer vom Kabarett gestärkt, von tausend Shows mit der 1988 gegründeten Schwabenoffensive, seiner Comedy-Truppe, die nicht nur im Schwabenland weltberühmt wurde. Jetzt aber, solo, rockt er „Urszenen“ aus seinem bewegten Leben auf eine „Metaebene“, um über seine unbürgerliche Biografie hinaus gleich auch vergangene Jahrzehnte mit zu erzählen. „Witz, Video, viel Musik“, kündigt er für das Gastspiel an. Es findet im T4 statt, das mit den Arenen der anderen Rock’n’Roller seiner Alterskohorte allerdings nicht ganz mithalten kann. Wird die Bude voll, wären das 115 Zuschauer und ein Rekord: Bisher, in Berlin, saßen immer nur neun in seiner „alten Schule“.

Kabarett in der eigenen Küche

In Berlin hatte die Show Premiere. Dort wohnt der umtriebige Exil-Schwabe auch, der als Selfmademan schon in einer Politrockband sang, Theater spielte und Filme drehte. Stuttgart verließ er 1977, er zog nach Kreuzberg und dann in ein Hochhaus auf der Spreeinsel, das er „früher nicht mit der Beißzange“ angefasst hätte. Heute fühlt er sich dort wohl. Das Problem nur: In die Küche passen nicht mehr als neun Stühle. Und nirgendwo anders als hier, zwischen Herd, Spüle und Kuttereimer, hat er sein One-Man-Kabarett bisher aufgetischt, vierzigmal, vor Freunden und vor Fremden, jungen und alten, einzig angelockt von Mund-zu-Mund-Propaganda. Strictly old school auch im Marketing.

Warum keine aushäusige, größere Bühne? „Die Veranstalter kennen mich nicht mehr. Und fürs Klinkenputzen bin ich zu alt“, sagt der Oldie but Goldie und räumt ein, dass er in der Zeit, als er begehrt war, auch bequem wurde. „Ich habe die Entwicklung verschlafen und nicht gemerkt, dass ich für die Jungen ein Unbekannter bin.“

Der Ruhm ist verblichen, die Gelassenheit nicht. Eine Karriere habe er sowieso nie angestrebt, alles sei ihm zugeflogen. In die Wiege gelegt wurde dem im letzten Kriegsjahr 1945 geborenen Bauernbub aus Unteraichen allerdings auch nichts.

Das Jüngste von sechs Kindern lief auf dem elterlichen Hof einfach so mit, niemand kümmerte sich. „Gottseidank, so konnte ich die Welt mit eigenen Augen erobern.“ Als der Lehrer fragte, wer in die Mittelschule wolle, streckte der kecke Albrecht den Finger. So kam er nach Stuttgart, lernte Buchhändler bei Niedlich, spielte Kabarett im Jugendhaus Ost und wurde von einem anderen, im Spott geübten Bühnenlaien angesprochen. Der vom damaligen SDR frisch angeheuerte Werner Schretzmeier, heute Chef des Theaterhauses, suchte Mitarbeiter fürs neue Jugendprogramm des Senders. Metzger schlug ein, lernte Filmemachen und Moderieren, bis ihm die Wunschstadt Berlin und der „Rockpalast“ des WDR zuflog. Besser konnte es nicht laufen. Fernsehmoderator großer Live-Konzerte, wow! Oder?

Fremdschämen für den Mann im Fernsehen

„Es war das aufregendste Kapitel meines Lebens“, erinnert er sich, „aber auch das leidvollste: Für Live-Events war ich nicht geeignet. Dazu mein mieses Englisch! Von Konstanz bis Flensburg stand ich ohne Hosen da. Damals wurde der Begriff Fremdschämen erfunden“, sagt er in einem Hochdeutsch, das bei ihm trotz Berlin noch so schwäbisch durchlöchert klingt wie die andere Fremdsprache, die er auch nicht kann. Unter dem, was er als Defizit empfand, litt er acht Jahre. Dann schmiss er hin und fühlte sich frei genug, auch selbst das komische Potenzial seines Dialekts zu erkennen: die Geburt der Schwabenoffensive! 25 Jahre erkundete er mit ihr die Seele seines Heimatstamms so vortrefflich wie selten jemand zuvor, es sei denn Uli Keuler oder Häberle & Pfleiderer. Oder ein anderer großer Schwabe, der wie Metzger nach Berlin exilierte: Hegel. Es muss der Philosoph gewesen sein, der dem Rock’n‘Roller den Weg wies von der Dialektik zum Dialekt.

Stoff genug für zwei muntere Schulstunden? Eigentlich schon.

Schwabe in Berlin

Lebensgefühl
Man könnte meinen, Albrecht Metzger müsste als Schwabe in Berlin einem ständigen Bashing ausgesetzt sein. Ist aber nicht so. „Dass es in der Hauptstadt ein Schwaben-Bashing gibt, ist eine Behauptung, die der eine vom anderen abschreibt. Ich kann’s nicht bestätigen“, sagt der aus Leinfelden-Unteraichen stammende Spross einer Bauernfamilie.

Mundart Es sei aber schon so, dass Schwaben in Berlin mit ihrer Sprache hadern. Im breiten Dialekt zu reden trauten sie sich dort nicht, so Metzger. „In der Komik des Schwäbischen liegt auch seine ganze Tragik. Das war der Motor, der die Comedy der Schwabenoffensive antrieb.“

Termin
Seine „Strictly old school“ zeigt Albrecht Metzger an diesem Mittwoch um 19.30 Uhr im Theaterhaus.