„Wer ist bei der Gruppengymnastik noch dabei?“, alle 155 Besucher begannen damit, aber nur drei schafften es ins Ziel. Sie durften dann an die Kuhglocken ran. Foto: Wilfried Koch

55 Besucher des Gasthauses Adler in Schwenningen haben zünftig den 555. Geburtstag des Lokals mit Leckereien von anno dazumal gefeiert. Eine Urkunde erbringt den Nachweis, dass der „Adler“ im Jahr 1468 erstmals seine Pforten geöffnet hat.

Es war ein Spektakel, der zünftig-rustikale Jubiläumsabend im ländlich geschmückten Adlersaal. Mit deftigem Essen nach Rezepten von anno dazumal, mit eigens gebrautem Festbier und mit zwei Entertainern feierten die Besucher den 555. Geburtstag der Schwenninger Taverne.

Adlerwirt Martin Dannecker dankte dem aus Schwenningen stammenden Heimatkundler und Historiker Roland Steidle, der durch den urkundlichen Nachweis aus dem Jahr 1468 auf das Jubiläum aufmerksam gemacht hatte.

So sah das Gasthaus Adler aus, als es Joseph Siber gehörte. Alle bisherigen Wirte, die in den 555 Jahren die einstige „Taverne“ geführt haben, sind namentlich bekannt.

Am ersten Abend servierte Martin Dannecker eine kulinarische Tafelrunde mit fünfgängigem Jubiläumsmenü. An beiden Abenden war der oberschwäbische Barde Bernhard „Barny“ Bitterwolf aus Bad Waldsee mit seinem Unterhaltungsprogramm der Garant für beste Stimmung.

Diese drei Männer sorgten für ein tolles Fest im Adlersaal. Das Bild zeigt von links: Heimatforscher Roland Steidle, Gastwirt und Chefkoch Martin Dannecker sowie den oberschwäbischen Barden Bernhard Bitterwolf.

Bitterwolf fand mit schwäbischem Witz und Schlagfertigkeit auf Anhieb Zugang zu den Besuchern, animierte zu Beginn zur gemeinsamen Gruppengymnastik und lud Sänger des Kirchenchors und des Gesangvereins zum Musikquiz ein. Schwenningens Bürgermeisterstellvertreter Fred Mattes bildete beim „Leberkäs-Song“ und beim Oldie „Lollipop“ mit einer Fahrradluftpumpe als Musikinstrument gemeinsam mit Gitarrist Barny ein interessantes Duo. Drei andere Gäste spielten auf Kommando vom Showman Bitterwolf auf sechs Allgäuer Kuhglocken „Amazing grace“.

Sie sorgten für das leibliche Wohl der Gäste. Viel Beifall spendeten die Besucher jedem einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterin, die vom Gastronomen Martin Dannecker (links) vorgestellt wurden. Besonders viel Applaus gab es für die Seniorin Irma Dannecker (fünfte von links), der Patentante des Wirtes sowie für Josefine Dannecker, der Mutter des Wirtes (ganz rechts).

Historische Informationen lieferte Roland Steidle: Ein Besitzstandverzeichnis nannte man früher ein Urbar. Das Urbar von 1468 zeigt, dass die Taverne von Schwenningen mit Haus und Erblehens-Hof zur Herrschaft Werenwag gehörte. Im Hof – das ist das Gebäude hinter dem heutigen „Adler“ – wurden die Pferde untergebracht. Der Wirt der Taverne hatte damals das Tafernrecht inne, was der heutigen Gaststättenkonzession entspricht.

Nur zwei Gasthäuser in der Herrschaft Werenwag

Das Tafernrecht hatte verschiedene Privilegien und wurde vom Landesherrn verliehen. 1628 gab es in der Herrschaft Werenwag nur zwei offizielle Gastwirtschaften, eine in Kolbingen und die Taverne in Schwenningen. Die Herrschaft Werenwag bezog daraus jährlich einen Pachtzins von zehn Gulden und für jede fünfzehnte Maß eine Weinsteuer, das „Umbgeldt“.

Das Gebäude hat im Keller ein Meter dicke Grundmauern. Im Jahr 1598 wurde in der Taverne der Meßkircher Vertrag geschlossen. Das Lokal war also auch Schauplatz für den Salzhandel sowie den Abschluss von Rechtsgeschäften. Sogar eine Metzgerei gab es früher in der Taverne. Immer wieder wird die Taverne im Zusammenhang mit der Badstube sowie der Schmitte genannt. In der Badstube wurde bei entsprechender Bezahlung fürs Holz zum Anfeuern warm gebadet, ein Barbier war für Bärte und das Haareschneiden da.

Dass Bürgermeisterstellvertreter Fred Mattes auch musikalische Qualitäten hat, war bis Samstag wenig bekannt. Mit seinem neuen Instrument, der Fahrradluftpumpe spielte er beim Leberkässong und beim Lied „Lollipop“ den „Blubb“. Rechts im Bild Entertainer Barny.

Die einzelnen Wirte der Taverne sind namentlich alle bekannt. Interessant ist das Jahr 1953, als Wirt Josef Siber das Gasthaus an die Familie Dannecker übergab, die bis zum heutigen Tage den „Adler“ führt. Weit über die Heubergregion hinaus bekannt sind Martin Danneckers Opa Karl und sein Vater Ignaz, die jahrzehntelang das Wirtshaus in der Hauptstraße leiteten, teilweise verbunden mit einem Modehaus. Seit zehn Jahren ist Martin Dannecker der Gastwirt.

Entertainer Barny Bitterwolf bezeichnete die Taverne als die Universität des kleinen Mannes – „dort konnte man immer etwas lernen“.