Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß findet bei der Trauerfeier für Franz Beckenbauer bewegende Worte für seinen langjährigen Weggefährten. In der Münchner Arena gedenken Sportler, Funktionäre, Politiker und Fans des Kaisers.
Um 14 Uhr an diesem Freitag, an dem in München und anderswo Franz Beckenbauers gedacht wird, picken Tauben im Gras der Allianz-Arena. Der Rasen ist sattgrün, die Zuschauerränge füllen sich erst allmählich, die Tiere lassen sich nicht stören. Vertreter aus der ganzen Fußballwelt, die vielen Fans haben sich aufgemacht ins Stadion im Norden der Stadt, in Fröttmaning. Mit einer Feier wird Beckenbauer gewürdigt, der Fußballmagier, der Menschenfänger, der freundliche Bürger, der am 7. Januar im Alter von 78 Jahren verstorben ist.
Getragene Gitarrenmusik durchzieht dieses Oval der Arena, die von außen aussieht wie ein großes aufgeblasenes Luftkissen. Viele Schriftzüge sind angebracht: „Kaiser Franz“, „Spieler“, „Mensch“. Auf dem Spielfeld um den Anstoßkreis ist großes, rundes Beckenbauer-Plakat ausgelegt, darum herum 28 Blumenkränze.
Der Tölzer Knabenchor singt die Hymne „FC Bayern – Stern des Südens“
Schon die Stunde vor der eigentlichen um 15 Uhr beginnenden Gedenkfeier soll würdevoll sein, schön, vielleicht auch ein bisschen heiter. Der Saxofonist Noah Fischer gibt Frank Sinatras „My Way“ auf dem Stadionrasen, die Blaskapelle aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn spielt mit Marschmusik auf. Der Tölzer Knabenchor singt mit hohen, klaren Stimmen die Hymne „FC Bayern – Stern des Südens“. In der Südkurve, wo die Fans ihre Heimat haben, die nicht immer bequem sind, haben sie ein Transparent aufgehängt: „Die Lichtgestalt geht auf die letzte Reise – Ruhe in Frieden, Kaiser!“
Vor Beginn der Feier kündigen die vielen Kioske an: „Kein Speisenverkauf während der Gedenkfeier.“ Bratwurst, Bier, Stadionatmosphäre in Verbindung mit dem Gedenken an einen Toten – dies zusammenzubringen ist keine einfache Aufgabe. Es war die Idee des Ex-Bayern-Spielers und -Managers Karl-Heinz Rummenigge, für den Franz doch tatsächlich zu gehen, wo die Heimat seines Vereines ist – in die Arena. Und alle Fans einzuladen, die Tickets waren kostenlos.
Auch Delegationen von Real Madrid und dem FC Barcelona ist angereist
Den ersten größeren Gänsehautmoment dieser Inszenierung gibt es zu Beginn, als elf meist ältere Herrschaften – so viel wie eine Fußballmannschaft – in schwarzen Mänteln den Rasen betreten. Es sind bekannte, berühmte Weggefährten Franz Beckenbauers, als Mitspieler oder unter ihm als Trainer, die seiner gedenken, sich im Halbkreis aufstellen und Blumen auf den Rasen legen: Rainer Bonhof, Andreas Brehme, Paul Breitner, Lothar Matthäus, Günter Netzer, Wolfgang Overath, Franz „Bulle“ Roth, Karl-Heinz Rummenigge, Georg „Katsche“ Schwarzenbeck, Sebastian Schweinsteiger und Berti Vogts. Der Münchner Startenor Jonas Kaufmann singt „Con te partirò“, auch bekannt als „Time to Say Goodbye“. Franz habe besonders italienische Arien gemocht, sagt der Stadionsprecher Stephan Lehmann, der durch die Feier führt.
Jeder der vielen Besucher verbindet etwas mit Beckenbauer, hat seine speziellen Momente in seinem Leben mit ihm. Den WM-Sieg der westdeutschen Nationalmannschaft 1974 in München mit Beckenbauer als Kapitän. Den erneuten Sieg 1990, als er Trainer der Mannschaft war. Ein älterer Mann am Einlass sagt, dass er Beckenbauer schon kannte, als er selbst noch in der DDR lebte – und für diese Mannschaft, die Mannschaft des „Klassenfeindes“ gefiebert hatte.
Über die Redner war im Vorfeld viel diskutiert worden
Die halbe Top-Fußball-, Sport- und sonstige Welt scheint nach München gereist zu sein. Nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist da, sondern auch Delegationen von Real Madrid und dem FC Barcelona. Boris Becker ist ebenso im Publikum wie der Ex-Skirennfahrer Christian Neureuther. Journalisten nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus Frankreich, Italien, Griechenland finden sich im Pressebereich, laufen im verschlungenen Innern der Arena umher, an deren Wände die Bilder von anderen FCB-Stars jüngeren Datums übermannshoch angebracht sind: Thomas Müller, Arjen Robben, Robert Lewandowski etwa.
Über die Redner war im Vorfeld viel diskutiert worden: Prominent sollten sie sein, repräsentativ, aber auch nicht zu lange oder gar langatmig sprechen. Den Beginn macht der verhältnismäßig Unbekannteste und auch Blasseste von ihnen, der gegenwärtige FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer. „Franz war ein Freund für jeden aus seinem Herzen heraus“, sagt er. „Ein Münchner Kindl, das zum Weltbürger wurde.“
Eine Kamera rauscht, von dünnen Seil gehalten, in der Luft über dem Spielfeld hin und her und macht Bilder, die an die Stadionleinwände projiziert werden. Der Himmel ist recht plötzlich blau geworden über München, Kaiserwetter. Und Zeit der Heldenverehrung, bei dem jeder nur das Beste, ach was, das Allerbeste über den Verstorbenen zu sagen weiß. Ein bisschen wenige Besucher sind doch gekommen ins Stadion. 55 000 Karten gab es, doch viele Plätze blieben leer.
Bundespräsident Steinmeier zeigt sich als Fußballexperte
Als Nächster auf der großen Bühne auf der Nordseite: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er meint, die Engel im Himmel werden nun zu hören bekommen: „Geht’s raus, spielt’s Fußball.“ Der Präsident zeigt sich als Fußballexperte und erklärt recht ausführlich die von Beckenbauer auf dem Platz neu geschaffene Position des Liberos: „Der rollt von hinten das Feld auf.“ Er erinnert aber auch an die schon vor 40 Jahren geschaffene Franz-Beckenbauer-Stiftung, die Menschen in Not und mit Behinderung unterstützt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hingegen bietet die für ihn so typischen Superlative, die dem Verstorbenen fast einen Heiligenschein verleihen. Beckenbauer sei eine „Lichtgestalt“, eine „zeitlose Ikone“, meint Söder. Einer, der sich „für unser Land unsterblich gemacht hat“.
Auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx spricht auf der Bühne
Am auf seine Art ehrlichsten und unverblümtesten gibt sich hingegen Uli Hoeneß, 72, Bayern-Legende und als Ehrenpräsident weiterhin der oberste Strippenzieher bei den Roten. Beckenbauer habe dem sehr jungen Hoeneß beim ersten Treffen nur gesagt: „I bin der Franz.“ Sehr fleißig sei er gewesen und immer bescheiden. „Die Allianz-Arena wäre nie gebaut worden“, so meint Hoeneß, „wenn Franz 2006 nicht die WM nach Deutschland geholt hätte.“
Zu dieser Stimmung des damaligen „Sommermärchens“ müssten „wir wieder hinkommen“, spricht der Patriarch. Und wird dann sehr direkt und durchbricht in einem Satz das vielfach Wolkige dieser Gedenkveranstaltung: Er möchte, so Hoeneß, „ganz deutlich betonen, dass ich die AfD bei diesem Prozess nicht dabeihaben möchte“. Am Ende sagt er schlicht: „Um ehrlich zu sein: Du fehlst mir sehr. Ruhe in Frieden.“
Dann betritt auch noch der Münchner Kardinal Reinhard Marx als eine Art Überraschungsgast die Bühne. Er richtet auch noch „herzliche Grüße von Papst Franziskus“ aus. Marx würdigt das „wunderbare Spiel, das wir Fußballspiel nennen“ und das „ein Ort des Friedens und der Begegnung“ sei. Dem folgt der kirchliche Segen. Manche brauchen den, andere vielleicht nicht ganz so sehr. Jedenfalls: Jetzt ist er richtig schön verabschiedet, der Franz, der Kaiser.