Autofahren im Jahr 1937: Blick von der Fischerhäuslebrücke in Richtung Ulm. Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg

Wer beim Anblick der Brückenbögen an den Stuttgarter Hauptbahnhof denkt, liegt nicht falsch: Auch beim Bau der A 8 hatte der Architekt Paul Bonatz die Hände im Spiel. Doch das ist nur eine von vielen Besonderheiten.

Mühlhausen - Eilig sollte man es nicht haben, wenn man die A 8 zwischen Mühlhausen und Hohenstadt befährt. Denn schnell fließt hier gar nichts – außer einem herzhaften Fluch über den idiotischen Vordermann. Enge Kurven, fehlende Randstreifen und viel zu schmale Tunnel sind außerdem ein Sicherheitsrisiko und lassen nur einen Wunsch aufkommen: den Auf- und Abstieg rasch zu passieren.

Doch das ist ungerecht. Denn nur wenige Schnellstraßen haben so viel Aufmerksamkeit verdient wie dieser Streckenabschnitt der A 8. „Als einziges Autobahnstück in Baden-Württemberg und als eines der wenigen bundesweit steht es unter Denkmalschutz“, sagt Martin Hahn vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen. Noch in den 60er Jahren warb der Landesverkehrsverband dafür mit dem Slogan „Deutschlands schönste Autobahnstrecke“.

Natürlich war das die hohe Zeit der sogenannten Motortouristen: Freizeitfahrer, die sich in ihrem Opel Kapitän oder VW Käfer dem Autowandern hingaben, wie man das Vergnügen nannte. „Dafür gab es sogar eigene Wanderführer“, sagt Hahn. Wer die alten Bilder betrachtet, auf denen ein, zwei Pkw über die Drachenlochbrücke fahren, der muss nicht lange rätseln, warum es das alles nicht mehr gibt. Tempi passati.

Doch der Albauf- und Albabstieg hat ästhetische Qualitäten, die unabhängig vom Verkehrsaufkommen wirken. „Es ist einmalig, wie die beiden Trassen in die Landschaft eingepasst wurden“, sagt Hahn, der dem Thema jetzt einen Aufsatz im Nachrichtenblatt der Denkmalpfleger widmet.

Er zitiert dabei keinen Geringeren als den Erbauer des Stuttgarter Hauptbahnhofs, Paul Bonatz, der die Brückeningenieure damals beriet: „Die Autobahn wurde also nicht eine Zerstörung der Landschaft, sie brachte im Gegenteil neue Werte.“

Gesamte Landschaft inszeniert

Aus der Lenkradperspektive lässt sich das nur schwer nachvollziehen, denn große Teile der Trasse verschwinden hinter Bäumen. Vom Tal aus betrachtet, etwa von Unterdrackenstein oder von Wiesensteig, offenbart sich jedoch, was Bonatz meint.

Kühn und klassisch klar überspannen die mit Natursteinen verkleideten Betonpfeiler die Täler und führen die Strecke eng am Steilhang entlang. Kleine Parkbuchten an den schönsten Passagen laden zum Anhalten ein. Die gesamte Landschaft wird so inszeniert. Die Idee, die Autobahn in einen Auf- und einen Abstieg zu teilen, entspringt nach Auffassung der Denkmalschützer also weniger einem technischen als einem ästhetischen Konzept.

Wer in den Bögen Ähnlichkeit mit dem Portal der Kleinen Schalterhalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs entdeckt, hat ein scharfes Auge. Hahn: „Wie beim Bahnhof sind es keine reinen Rundbögen, sondern Parabelbögen.“ Sie wirken eleganter.

Welch ein Unterschied zu den heutigen Rennbahnen mit ihren haushohen Schallschutzwänden! Autofahren war ein Erlebnis. Bei der Einweihung der kompletten Strecke kam der damalige Innenminister Victor Renner jedenfalls ins Schwärmen und sprach von einer „selten glücklichen Harmonie, die Straße und Landschaft zu einer Einheit werden lassen“.

Drachenlochbrücke gegen Kriegsende gesprengt

Das war 1957 – mehr als 20 Jahre, nachdem mit dem Bau begonnen wurde. Schon 1937 war der Albabstieg mit dem Nasenfelstunnel, der Drachenloch- und der Himmelsleiterbrücke befahrbar. Allerdings zunächst mit Gegenverkehr, denn die Arbeiten am Aufstieg wurden im Krieg eingestellt.

Im Lämmerbuckeltunnel fertigten Daimler-Benz und andere Firmen in den 40er Jahren Rüstungsgüter. Auch die talwärts führende Strecke wurde schließlich unpassierbar: Deutsche Soldaten sprengten die Drachenlochbrücke gegen Kriegsende.

Erst in den 50er Jahren nahm man die Arbeiten wieder auf und änderte die ursprüngliche Linienführung geringfügig ab. Einer der Planer war übrigens das Büro Leonhardt/Andrä. Wolfgang Leonhardt ist der Vater des Stuttgarter Fernsehturms.

Doch was nützt alle Ästhetik, wenn es an der Sicherheit mangelt? Die täglich 70.000 Autofahrer erleben diesen Abschnitt durchweg als Belastung. Seit einigen Jahren erwägt Berlin deshalb eine komplett neue, sechsspurige Trasse am Albauf- und Abstieg. Der Bund scheut jedoch die hohen Kosten, deshalb hat er zeitweise auf ein privat finanziertes Modell gehofft. Die A 8 wäre damit in dieser Zone mautpflichtig geworden. Der Plan liegt allerdings auf Eis, denn bislang findet sich kein Investor.

Die Zurückhaltung hat auch damit zu tun, dass die alte, denkmalgeschützte Strecke erhalten und befahrbar bleiben soll – und zwar ohne Mautgebühr. Damit geht die Rechnung der Investoren offenbar nicht auf. Die Passage wird also noch eine ganze Weile an den Nerven der Autofahrer zerren. Vielleicht besänftigt sie ja das Bewusstsein, auf einer besonders schönen Strecke zu fahren.