Vorsicht – bei Kaffeefahrten wird meist überteuert kassiert. Foto: StN-Grafik Lange

Im Kampf der Polizei gegen dubiose Kaffeefahrten werden manche Kommunen, in denen die Gewinn-Gauner gastieren, fast schon zu Komplizen der Abzocker. Die Gemeinde Schnelldorf in Mittelfranken gilt als Negativbeispiel: Sie toleriert illegale Veranstaltungen.

Im Kampf der Polizei gegen dubiose Kaffeefahrten werden manche Kommunen, in denen die Gewinn-Gauner gastieren, fast schon zu Komplizen der Abzocker. Die Gemeinde Schnelldorf in Mittelfranken gilt als Negativbeispiel: Sie toleriert illegale Veranstaltungen.

Stuttgart - Die Angehörigen eines 86-jährigen Mannes aus Untertürkheim werden die nächsten Tage reichlich Stress haben. Es gilt, schnellstmöglich die 1400 Euro wieder zu bekommen, die der ältere Herr für 30 Stück 25-Milliliter-Fläschchen eines Aufbaupräparats gezahlt hatte. „Sankt Georg Mann“, ein Nahrungsergänzungsmittel aus der Produktion eines bekannten Kaffeefahrt-Lieferanten, hätte selbst nach dem Mondpreis der Herstellers lediglich 260 Euro gekostet. Doch der 86-Jährige war am Donnerstag in eine illegale Verkaufsveranstaltung von Gewinn-Gaunern geraten – in einer bekannten Hochburg der Kaffeefahrten-Ausflugsziele. In der Gemeinde Schnelldorf, Kreis Ansbach, Mittelfranken.

Ein unglaublicher Fall – denn die Polizei und die Gewerbebehörde der 3500-Einwohner-Gemeinde waren vorab informiert gewesen, dass eine nicht genehmigte Verkaufsveranstaltung in einem Gasthof im Ortsteil Unterampfrach stattfinden sollte. Der 37-jährige Veranstalter, ein polizeibekannter Mann aus Molbergen im Oldenburger Münsterland, konnte aber auch am Freitag noch ungehindert weitermachen. Das Gewerbeamt hatte sich noch für den Hinweis unserer Zeitung bedankt: „Lange Zeit war hier Ruhe“, hieß es. Unternommen wurde nichts. Dabei besagt die Gewerbeordnung, dass solche Veranstaltungen untersagt werden können, wenn sie nicht angemeldet sind – egal. ob Waren oder Dienstleistungen, etwa Reisen, angeboten werden.

„Wir können die Veranstaltung nicht beenden“, sagt Reinhold Rauch, Leiter der Polizeiinspektion Feuchtwangen, „das ist Sache der Kommune.“ Der amtierende Bürgermeister Thomas Unhoch war am Freitag jedoch nicht zu erreichen – weder für die Presse noch, so Rauch, für die Polizei.

Ironie der Geschichte: Am Donnerstag, dem Tag, als sich der 86-jährige zum fatalen Kauf überreden ließ, kontrollierte eine Streife der Polizei den Saal. 30 Teilnehmer hatten sich zur Frühlingsfahrt „nach Crailsheim“ eingefunden. „Der Veranstalter erklärte, dass er nichts verkaufen werde und alle Teilnehmer versicherten, dass sie nichts gekauft hätten“, sagt Rauch. Die Polizisten hätten somit keine Handhabe gehabt – sich aber einige Adressen der Teilnehmer notiert. Zwei fehlten allerdings in der Runde – zwei ältere Stuttgarter. Sie waren von einem der Veranstalter bereits nach Hause gefahren worden – um dort gleich für die Ware zu kassieren.

„Zum Glück lagen noch deren Einladungsschreiben herum“, sagt Polizist Reinhold Rauch, „so dass wir deren Adressen gleich ermitteln konnten.“ Einer behauptete am Telefon, dass er nichts gekauft habe. Der 86-Jährige dagegen räumte ein, in Schnelldorf 50 Euro angezahlt und dann zu Hause in Untertürkheim 1350 Euro in bar übergeben zu haben.

„Bei dem Preis muss wohl eine bezaubernde Jeannie in der Flasche gewesen sein“, sagt der Polizist aus Feuchtwangen. Die Polizei ermittelt nun wegen Betrugsverdachts. Wegen der nicht angemeldeten Veranstaltung drohe außerdem „eine Geldbuße im vierstelligen Bereich“, so Rauch.

Dennoch wurde auch am Freitag die Veranstaltung nicht untersagt. Die Behörde sei am Nachmittag nicht mehr zu erreichen gewesen, sagt die Polizei, der Bürgermeister war auf einem anderen wichtigen Termin. Aus seiner Meinung zum Thema Kaffeefahrten hatte Thomas Unhoch freilich vor gut vier Jahren gegenüber unserer Zeitung keinen Hehl gemacht: „Die Leute kommen doch alle freiwillig“, sagte er, „aber immer ist die Gemeinde schuld.“

Die Kaffeefahrt-Spezialisten der Polizei beklagen, dass viele Kommunen nicht mitziehen. Kein Wunder: Die Opfer wohnen weit weg; die Wirte, denen bei Razzien Einnahmen entgehen, wohnen im Ort.

Dabei könnte es auch anders laufen: Mit der Razzia der Polizei in Alpirsbach im Schwarzwald in dieser Woche wurde eine Serie von Verkaufsveranstaltungen gestoppt – und auch ein mutmaßlicher Betrug in Oberbayern geklärt. Die ertappten Gewinn-Gauner aus Bremen hatten bereits am 11. Februar in Kochel am See überteuerte Edelstein-Matratzen verkauft. Sie traten unter falschem Namen auf – konnten nun aber als Verdächtige eindeutig identifiziert werden.